EU-Unterausschuss begrüßt Einrichtung einer Europäischen Plattform und beschließt
Mitteilung an die EU
Wien (pk) - Die EU will der Schwarzarbeit verstärkt den Kampf ansagen. Eine von der Kommission geplante
Europäische Plattform soll die Zusammenarbeit der nationalen Behörden durch den Austausch bewährter
Verfahren und Informationen sowie den Aufbau von Fachwissen verbessern und grenzüberschreitende Maßnahmen
fördern. Der entsprechende Vorschlag stand heute im EU-Unterausschuss zur Diskussion.
Ausschuss beschließt Mitteilung an Rat und Europäisches Parlament
Die Plattform fand am 01.07. im Ausschuss breite Unterstützung, wobei Grüne, Team Stronach und NEOS von
einem ersten Schritt in die richtige Richtung sprachen. Lediglich die FPÖ sah dahinter einen weiteren bürokratischen
Aufwand ohne konkrete Aufgabenstellung.
Vollinhaltlich begrüßt wurde die Plattform von SPÖ und ÖVP, auch wenn sie noch Ausbaumöglichkeiten
sahen. Die Abgeordneten Hannes Weninger (S) und Angelika Winzig (V) legten dazu eine Mitteilung an den Rat und
an das Europäische Parlament vor, die schließlich mit den Stimmen der beiden Koalitionsparteien sowie
der Grünen und des Team Stronach mehrheitlich angenommen wurde.
Die Bemühungen zur Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping dürfen nicht unterlaufen werden, halten
darin die Abgeordneten fest, deshalb hätten sowohl Nationalrat als auch Bundesrat den Vorschlag zur Einführung
von Gesellschaften mit einem einzigen Gesellschafter zurückgewiesen. Die AntragstellerInnen fordern daher
den EU-Gesetzgeber auf, die Teilnahme an der Plattform verbindlich zu machen und die Liste der Aktivitäten
offen zu gestalten, sodass man beispielsweise auch Maßnahmen im Zusammenhang mit der Entsenderichtlinie darunter
subsumieren könne. Die Entsenderichtlinie stellt sicher, dass ArbeitnehmerInnen eines Mitgliedstaates, die
in einem anderen EU-Mitgliedsland über einen längeren Zeitraum arbeiten, den dortigen rechtlichen Verhältnissen
unterliegen. Damit soll Lohn- und Sozialdumping unterbunden werden.
Die Abgeordneten rufen in dem Antrag auch zum Kampf gegen Scheinselbstständigkeit auf und schlagen vor, Initiativen
und Strafen für eine Verbesserung der Verwaltungszusammenarbeit in Hinblick auf die Eindämmung von Lohn-
und Sozialdumping zu erarbeiten und entsprechende bilaterale Initiativen zu unterstützen.
Gerald Loacker (N) begründete die Ablehnung des Antrags durch seine Fraktion mit der Feststellung, dass die
NEOS die Skepsis gegenüber den Gesellschaften mit einem Gesellschafter nicht teilen.
Hundstorfer: Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt
"Schwarzarbeit ist kein Kavaliersdelikt", stellte auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer unmissverständlich
fest, vielmehr sei Sozialbetrug eine ernstzunehmende Gefahr, insbesondere für die Finanzierung der Sozialversicherung
im Rahmen des österreichischen Umlageverfahrens. Er begrüße daher die geplante Plattform und hoffe,
dass diese im Frühherbst im Rat beschlossen wird. Österreich sei es dabei gelungen, in den Verhandlungen
eine möglichst breite inhaltliche Ausrichtung durchzusetzen, welche nun auch die Scheinselbstständigkeit
umfasst.
Zentrales Kontrollorgan in Österreich sei die Finanzpolizei, die eng mit anderen Behörden wie der Sozialversicherung
zusammenarbeite. In der Plattform werde Österreich durch jemanden aus dem Hauptverband vertreten sein, informierte
Hundstorfer die Abgeordneten.
Österreich selbst habe in den letzten Jahren wichtige Maßnahmen zur Bekämpfung von Schwarzarbeit
bzw. Sozialbetrug gesetzt, erinnerte Hundstorfer und betonte, dass der Dienstgeber jede von ihm beschäftigte
pflichtversicherte Person vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden hat
und Meldungen in Papierform nicht mehr gestattet sind. Zudem gebe es seit 2011 das AuftraggeberInnen-Haftungsgesetz
sowie das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. Zur Verbesserung grenzüberschreitender Zusammenarbeit
in diesem Bereich habe auch ein Staatsvertrag mit Deutschland abgeschlossen werden können.
Die Bundesregierung beabsichtige weiter, die Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden zu verbessern und habe
in diesem Sinne das Pilotprojekt "Task Force Merlin" im Jahr 2010 gestartet. Im Jänner 2014 sei
zusätzlich das Pilotprojekt UNDOK als unbürokratische Anlaufstelle für Menschen eingerichtet worden,
die in Schwarzarbeit tätig sind.
Dieses Bündel von Maßnahmen habe dazu beigetragen, dass in Österreich der Anteil an nichtdeklarierter
Arbeit bei 7,5 % des BIP liege, eine der niedrigsten Quoten innerhalb der EU, betonte Hundstorfer. Man werde aber
nicht locker lassen und weiter gegen Sozialbetrug kämpfen, sagte er, weshalb ein Forschungsprojekt des Sozialministeriums
und der Universität Wien ins Leben gerufen worden sei, mit dem Ziel, Vorschläge zur Effektivitätssteigerung
bei der Bekämpfung des Sozialbetrugs zu erarbeiten. Auf Basis dieser Studie sei eine Arbeitsgruppe eingerichtet
worden, die verschiedene Vorschläge sammelt, am Ende des Weges soll ein entsprechender Gesetzentwurf erstellt
werden.
Erwartungen an die Europäische Plattform
Die Kommission erwartet sich von der Tätigkeit der genannten Plattform eine Reduktion von Schwarzarbeit und
gleichzeitig eine Zunahme regulärer Beschäftigungsverhältnisse, womit auch ein Beitrag zur Erreichung
des Beschäftigungsziels der Strategie Europa 2020 geleistet werden könne. Prinzipiell aber begründet
die Kommission ihre Initiative mit den negativen budgetären, wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Schwarzarbeit.
Sie trage nicht nur zu niedrigeren Einnahmen aus Steuer- und Sozialversicherungsabgaben bei, sondern wirke sich
auch negativ auf Beschäftigung, Produktivität, Arbeitsbedingungen, Entwicklung von Kompetenzen und lebenslanges
Lernen aus, heißt es in der Vorlage. Zudem führe sie zu geringeren Pensionsansprüchen und zu einem
nur eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsvorsorge. Außerdem wirke Schwarzarbeit wettbewerbsverzerrend
zwischen den Unternehmen. Den Fokus will die Kommission auch auf die falsch deklarierte Erwerbstätigkeit,
sprich Scheinselbständigkeit, legen, da sie ähnliche Konsequenzen für den Staat sowie für die
sozialrechtliche Absicherung der Betroffenen hat, wenn auch in geringerem Ausmaß.
Die Hauptverantwortung für den Kampf gegen die Schwarzarbeit liegt bei den einzelnen Mitgliedstaaten. Innerhalb
der EU sind jedoch diesbezüglich, was Maßnahmen und Messungen angeht, große Unterschiede festzustellen,
sodass hier die Kommission eine stärkere Koordination und Kooperation für erforderlich hält. Die
ins Auge gefasste Plattform soll sich aus nationalen Durchsetzungsbehörden aller Mitgliedstaaten sowie der
Europäischen Kommission zusammensetzen. Als Beobachter sollen Europäische Sozialpartner, VertreterInnen
der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen (Eurofound) sowie der Europäischen
Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO)
und der EWR-Staaten teilnehmen. Jeder Mitgliedstaat wird aufgerufen, eine einzige Anlaufstelle (Single point of
contact) als Mitglied der Plattform zu benennen. Den Vorsitz wird laut Vorschlag die EU-Kommission übernehmen,
die auch die Arbeit der Plattform koordiniert.
Einbindung aller EU-Mitgliedstaaten notwendig
Wichtig sei, alle Länder einzubinden, vor allem jene Mitgliedstaaten, die im Kampf gegen Sozialbetrug noch
nicht so erfolgreich sind, begrüßte Hannes Weninger (S) den Vorstoß der EU. Die Plattform biete
Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der Weitergabe von Maßnahmen und Erfahrungen im eigenen Staat.
Einen Mehrwert erwartet sich auch Angelika Winzig (V), wenn die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen
bei Entsendungen besser eingehalten werden. Das Sozialsystem funktioniere nur, wenn auch Abgaben entrichtet werden,
befürwortete Franz Leonhard Eßl (V) die ins Auge gefasste Plattform.
Notwendig sei es, Lohn und Sozialdumping über die Grenzen hinweg ahnden und Sanktionen europaweit exekutieren
zu können, sagte Josef Muchitsch (S), der vor allem in der Scheinselbständigkeit ein massives europäisches
Problem ortete. Arbeitssuchende würden unter völlig falschen Voraussetzungen von organisierten Menschenhändlern
vermittelt, womit letztendlich viel menschliches Leid verbunden sei.
Scheinselbständigkeit werde innerhalb der EU sehr unterschiedlich definiert, merkte dazu Angelika Winzig (V)
an. Kritik an der Sozialversicherung übte in diesem Zusammenhang Gerald Loacker von den NEOS. Es gebe viele,
die gerne selbständig sein wollen und von der Sozialversicherung als Unselbständige deklariert würden,
gab er zu bedenken. Damit überschritten die Gebietskrankenkassen bei weitem ihre Kompetenzen. Hundstorfer
informierte darauf, dass zu dieser Frage im Hauptverband eine Clearing-Stelle eingerichtet worden sei.
Grüne befürchten Lohn- und Sozialdumping durch TTIP
Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung bezeichnete Birgit Schatz (G) die Initiative der EU. Sie beklagte
aber die mangelnden Ressourcen für die Plattform und sah darin eher nur eine Symbolik. Die Entsenderichtlinie
reiche nicht aus, sagte sie, man müsse vielmehr die Standards vereinheitlichen. In einem Antrag auf Stellungnahme
fordern die Grünen daher, die Agenden der Plattform eng mit effektiven Maßnahmen gegen das Lohn- und
Sozialdumping auf EU-Ebene zu verknüpfen, beispielsweiße durch Festlegung hoher Mindeststandards, gesetzlich
garantierter, existenzsichernder Mindestlöhne und durch eine Steuerharmonisierung. Die Plattform soll nach
Ansicht der Grünen auch die Ressourcen erhalten, Schlupflöcher für Schwarzarbeit auszumachen und
diese zu schließen.
Schatz wollte ihren Antrag aber noch weiter fassen, da sie durch das geplante transatlantische Freihandelsabkommen
TTIP enormen Druck auf Lohn- und Sozialstandards in der EU zukommen sieht. Die Grünen lehnen daher allgemein
Handelsabkommen ab, die Lohn- und Sozialdumping Vorschub leisten und fordern ausdrücklich, Arbeits- und Sozialstandards
in Europa zu sichern und auszubauen.
Der Antrag wurde von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt, obwohl SPÖ und ÖVP großteils
positive Ansätze darin fanden. Für Hannes Weninger (S) war der Antrag zu weit gefasst, Franz Leonhard
Eßl (V) wiederum äußerte Skepsis gegenüber der Steuerharmonisierung. Die Schließung
von Schlupflöchern sei Sache der Parlamente, hielt er fest. Zu TTIP unterstrich Sozialminister Hundstorfer
einmal mehr, in Österreich und auch innerhalb der EU gebe es eine klare Position, wonach an den hohen sozialen
Standards nicht gerüttelt werden dürfe. Außerdem werde die Durchsetzungsrichtlinie zur Entsenderichtlinie
demnächst in Österreich umgesetzt, womit man einen weiteren wichtigen Schritt im Kampf gegen Lohn- und
Sozialdumping mache.
Lohnnebenkosten und Schwarzarbeit
Jede Maßnahme zu mehr Zusammenarbeit begrüßten auch die Abgeordneten Gerald Loacker (N) und Rouven
Ertlschweiger (T). Studien sprächen davon, dass dem Staat jährlich rund 2,5 Mrd. € durch die Schwarzarbeit
entgehen, sagte Ertlschweiger. Beide Mandatare sahen einen Grund für die Schwarzarbeit in der hohen Abgabenquote,
vor allem aber in den hohen Lohnnebenkosten. Den Handwerkerbonus bezeichnete Loacker in diesem Zusammenhang als
einen "Rohrkrepierer" mit hohem bürokratischen Aufwand. Diesem Argument widersprach der Sozialminister
heftig indem er darlegte, dass Länder mit hohen Lohnnebenkosten, wie etwa Österreich, Schweden und Dänemark,
den geringsten Anteil an Schwarzarbeit vorweisen. Ein Zusammenhang sei daher nicht gegeben, konstatierte der Sozialminister,
wobei auch er die Auffassung vertrete, dass die Lohnnebenkosten überarbeitet werden müssten.
Dezidiert gegen die Plattform sprach sich die FPÖ aus. Johannes Hübner (F) bezeichnete diese als eine
"EU-Karikatur", als eine von konkreten Aufgaben losgelöste Bürokratie. Laut Artikel 4 des Vorschlags
bestünden die Aufgaben der Plattform etwa in der Verbesserung des Wissensstandes, in der Schaffung einer Wissensbank,
im Aufbau von Weiterbildungskapazitäten und der Organisation von Peer Reviews. Er, Hübner, sehe daher
keinen Mehrwert, weder für die EU, noch für Österreich. Der Kampf gegen die Schwarzarbeit sei Aufgabe
der Mitgliedstaaten, stellte Hübner fest, außerdem seien die Lohn- und Sozialstandards innerhalb der
EU völlig unterschiedlich. Wenn man wettbewerbsneutral sein will, dann müsse man harmonisieren, so der
FPÖ-Abgeordnete.
|