Eigener Sammelbericht an den Nationalrat weitergeleitet
Wien (pk) - Auf über 250.000 Unterstützungserklärungen brachten es drei Petitionen und eine
Bürgerinitiative zum Thema Hypo Alpe Adria, die am 01.07. im zuständigen Ausschuss im Parlament behandelt
wurden. Zu Beginn der Sitzung fand dazu ein Hearing mit dem Erstunterzeichner der Bürgerinitiative betreffend
die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses Roland Düringer sowie mit dem Initiator der Petition Nr. 8,
Christoph Konzett, statt. Auch die Vertreter aller vier Oppositionsparteien, die sich in einer gemeinsamen Petition
( 10/PET) für die umfassende Aufklärung des Hypo-Debakels eingesetzt haben, verlangten abermals die Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses; in einer vom Grün-Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber vorgebrachten Petition
wurde die lückenlose Offenlegung der Hypo-Gläubiger gefordert ( 9/PET). Einstimmig angenommen wurde schließlich
der Antrag auf Erstellung eines Sammelberichts, der nächste Woche bei den Nationalratssitzungen auf der Tagesordnung
stehen soll. Außerdem befassten sich die MandatarInnen noch mit weiteren 41 Bürgeranliegen.
Konzett: Schlimmes Verbrechen am Volk muss aufgeklärt werden
Der 19-jährige Vorarlberger Schüler Christoph Konzett erläuterte seine persönlichen Beweggründe
für das Engagement in der Sache Hypo Alpe Adria. Er sei schon immer ein politisch interessierter Mensch gewesen
und habe an das Gute in der Politik geglaubt. Diese Meinung sei aber zunächst durch das so genannte Budgetloch,
das vor den Nationalratswahlen offensichtlich bewusst verschwiegen wurde, und dann vor allem durch den Hypo-Skandal
schwer erschüttert worden. Er habe einfach nicht verstanden, warum sich die Regierungsparteien gegen die Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses wehren, zumal es dabei um unfassbare Beträge gehe, die in den Bereichen Bildung,
Gesundheit oder Familien dringend notwendig wären. Es handle sich seiner Meinung nach um ein schlimmes Verbrechen
am Volk, da die BürgerInnen für das Geld, das nun aufgewendet werden muss, hart gearbeitet haben. Er
appellierte sodann vor allem an die Abgeordneten der Opposition, an dem Thema dran zu bleiben, damit die Regierung
nicht mehr auf Zeit spielen könne.
Düringer: Politiker sollen wieder den Menschen dienen
Der Schauspieler und Kabarettist Roland Düringer wies eingangs darauf hin, dass für seine Bürgerinitiative
mittlerweile 60.000 "physische Unterschriften" vorliegen; nicht alle Menschen haben nämlich einen
Zugang zum Internet. Sodann übte er grundsätzliche Kritik am aktuellen Wirtschaftssystem, in dem die
Gier – früher noch eine anerkannte Todsünde – salonfähig geworden ist, eine Umverteilung von fleißig
zu reich stattfinde, 50 % der Haushalte nur mehr über 2 % des Vermögens verfügen und eine Entwicklung
von einer Werte- hin zu einer Profitgesellschaft stattgefunden hat. Die Hypo-Causa sei deshalb für ihn nur
ein Symptom bzw. ein Störfall und stehe exemplarisch für ein Versagen der Gesellschaft, der Politik,
der Kontrollsysteme und der intellektuellen Eliten. Es sei klar, dass diese Missstände nicht von heute auf
morgen zu stoppen sind, räumte Düringer ein. Aber jeder Einzelne müsse Verantwortung übernehmen
und in seinem Bereich handeln. Die Politiker sind daher aufgerufen, ihre Wähler zu vertreten und den Menschen
zu dienen, unterstrich er. Der frühere Bundeskanzler Sinowatz hätte mit seiner Analyse – es ist alles
sehr kompliziert – durchaus Recht gehabt; daher erwarte er sich auch von den Abgeordneten, nur dann für eine
Lösung zu stimmen, wenn sie sie auch verstehen; etwas nicht zu wissen, sei nämlich keine Schande.
Ebenso wie alle anderen Vertreter der sechs Parlamentsfraktionen dankte Abgeordneter Hermann Lipitsch (S) den beiden
Auskunftspersonen Düringer und Konzett für ihr Erscheinen im Ausschuss, da es wichtig sei, in einen Dialog
mit der Zivilbevölkerung zu treten. Generell glaube er, dass mit der nun geplanten Vorgangsweise – Errichtung
einer Abbaugesellschaft und stärkere Minderheitenrechte bei Einsetzung von Untersuchungsausschüssen –
ein guter Weg beschritten wird. Gerade der Fall Hypo zeige, dass ausgewiesene Experten zu sehr unterschiedlichen
Auffassungen kommen können und es an der Politik liegt, rechtzeitig Entscheidungen zu fällen. Da man
die einzelnen Varianten leider nicht ausprobieren könne, werde man erst im Rückblick erkennen, ob die
richtigen Schritte gesetzt wurden.
Abgeordneter Hermann Gahr (V) begrüßte das heutige Hearing und plädierte dafür, vor allem
in die Zukunft zu blicken. Nun gehe es vorrangig nämlich darum, den Schaden für die Steuerzahler möglichst
gering zu halten. Es stimme nicht, dass die Politik bislang untätig war, zeigte Gahr auf, immerhin seien über
100 Verfahren im Laufen, es gebe bereits einige Verurteilte und auch auf die von Irmgard Griss geleitete Kommission
setze er sein Vertrauen. Einigung besteht auch darin, dass ein neues Verfahrensrecht für U-Ausschüsse
entwickelt werden soll. Die ÖVP stehe jedenfalls für eine lückenlose Aufklärung des Hypo-Finanzdebakels,
betonte Gahr, am Ende könnte vielleicht auch ein Untersuchungsausschuss dazu notwendig sein.
Aus der Sicht der Oppositionsparteien trat zunächst FPÖ-Abgeordneter Elmar Podgorschek nochmals mit Nachdruck
für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein. Die Regierungsvertreter haben bis dato 21 Anträge
in dieser Angelegenheit abgelehnt, was einem sehr fragwürdigen demokratiepolitischen Verständnis entspreche.
Waltraud Dietrich vom Team Stronach(T) forderte die beiden Auskunftspersonen auf, sich weiter so intensiv zu engagieren,
da die Politik oft viel zu abgehoben agiere, um den großen Missmut in der Bevölkerung überhaupt
wahrzunehmen. Auch NEOS-Vertreter Rainer Hable (N) bezeichnete es als enorm wichtig, dass Druck von Seiten der
BürgerInnen kommt, da die Regierung tatsächlich auf Zeit spiele. Für einen wesentlichen Beitrag,
um die politischen Defizite aufzuzeigen, hielt Wolfgang Pirklhuber von den Grünen die Teilnahme der beiden
Auskunftspersonen am Hearing. Er hoffe jedenfalls, dass der Sammelbericht an prominenter Stelle im Nationalrat
diskutiert werde. Sein Fraktionskollege Werner Kogler erachtete es für sehr bemerkenswert, dass in der Causa
Hypo von der Zivilgesellschaft in so kurzer Zeit ein starker öffentlicher Druck aufgebaut werden konnte, ohne
dass dabei eine Kampagne gestartet oder ein Plakat aufgehängt wurde; dies sollte Hoffnung geben.
Petitionsausschuss plant Hearing zum Thema Agrargemeinschaften
Abseits der Hypo Alpe Adria befasste sich der Petitionsausschuss des Nationalrats unter anderem mit der Schließung
von Polizeiposten, der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum, verschiedenen Verkehrsanliegen, dem
Thema Sterbehilfe und dem zwischen der EU und den USA in Verhandlung stehenden Freihandelsabkommen TTIP. Insgesamt
standen 45 Petitionen und Bürgerinitiativen zur Diskussion.
In den meisten Fällen beschlossen die Abgeordneten, Stellungnahmen der zuständigen Ministerien einzuholen
bzw. im Falle bereits eingelangter Stellungnahmen die Beratungen über die Bürgeranliegen durch Kenntnisnahme
abzuschließen. Die Oppositionsparteien stellten in mehreren Fällen den Antrag, die Petition bzw. Bürgerinitiave
dem zuständigen Ausschuss zuzuweisen, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Es habe wenig Sinn, in den
Fachausschüssen nochmals über Fragen zu diskutieren, die vom Nationalrat nach ausführlichen Vorberatungen
bereits entschieden wurden, argumentierten SPÖ und ÖVP unter anderem mit Hinweis auf die beschlossene
Marktordnungsnovelle, das neue Lehrerdienstrecht und die Schließung von Polizeidienststellen im Zuge der
laufenden Polizeireform.
Grün-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber hielt dem entgegen, dass es wichtig sei, Bürgeranliegen ernst zu
nehmen und in den zuständgen Fachausschüssen zu diskutieren, auch wenn die Ausschussmehrheit eine andere
Meinung vertrete. Seine Fraktionskollegin Christiane Brunner machte in Zusammenhang mit zwei Bürgerinitiativen
darauf aufmerksam, dass sich Lärm zu einem immer größeren Umweltproblem, vor allem im Zusammenhang
mit Infrastrukturprojekten wie Autobahnen, entwickle. Das müsse sowohl im Verkehrsausschuss als auch im Umweltausschuss
thematisiert werden, bekräftigte sie.
FPÖ-Abgeordneter Peter Wurm schloss sich unter anderem der Forderung an, Maßnahmen gegen das beschleunigte
Trafikanten-Sterben zu ergreifen. Zudem kritisierte er, dass die zuständige Grüne Landesrätin in
Tirol eine Volksbefragung über ein Flüchtlingsheim in Gries am Brenner verhindere. Ausschussvorsitzender
Michael Pock (N) sprach sich explizit dafür aus, eine Bürgerinitiative zur Rücknahme des neuen Lehrerdienstrechts
an den Unterrichtsausschuss weiterzuleiten, weil es dort auch um mehr Schulautonomie gehe.
Zum Thema Agrargemeinschaften stellte ÖVP-Abgeordneter Hermann Gahr ein Hearing im Petitionsausschuss in Aussicht.
Die Unterstützer einer Bürgerinitiative drängen darauf, diese Frage durch eine Änderung des
Flurverfassungsgrundsatzgesetzes dauerhaft zu klären, um die unseligen Streitereien in Tirol zu beenden. Ein
Hearing wünschen sich die Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G) und Christian Hafenecker (F) auch zum Freihandelsabkommen
TTIP ( 42/BI). Noch besser wäre die Abhaltung einer Enquete zum TTIP, meinte Pirklhuber, da eine solche im
Gegensatz zu einem Hearing im Petitionsausschuss öffentlich wäre. Das hätten die Regierungsparteien
bislang aber abgelehnt.
Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (S) wies im Zusammenhang mit einer vorliegenden Bürgerinitiative
auf die beschlossene parlamentarische Enquete-Kommission zum Thema Sterbehilfe hin, bei der das Thema intensiv
erörtert werden soll. Bereits umgesetzt ist das Anliegen einer weiteren Bürgerinitiative, die sich für
die Änderung des passiven Wahlrechts bei ÖH-Wahlen stark gemacht hatte.
Sowohl über die vier Hypo-Petitionen als auch über die weiteren zur Kenntnis genommenen Petitionen
wird jeweils ein Sammelbericht erstellt, die im Nationalrat zur Diskussion stehen werden.
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