Zum 100. Jahrestag des kriegsauslösenden Mordes am 28. Juni 1914 am österreichischen-ungarischen
Thronfolger Franz Ferdinand spielten die Wiener Philharmoniker im historischen Rathaus der bosnischen Hauptstadt
Sarajevo/Wien (hofburg) - Historische Versöhnungsgeste in Sarajevo: Zum 100. Jahrestag des kriegsauslösenden
Mordes am österreichischen-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand haben die Wiener Philharmoniker am Abend
des 28.06. im historischen Rathaus der bosnischen Hauptstadt ein Gedenkkonzert vor mehreren Staatsoberhäuptern
gespielt, darunter Bundespräsident Heinz Fischer.
Im "Alten Rathaus" (Vijecnica), dem Prachtbau der k.u.k. Herrschaft in Bosnien-Herzegowina, erklang dabei
auch die alte Kaiserhymne. Unter der Leitung von Franz Welser-Möst spielten die Wiener Philharmoniker auch
die Symphonie Nr. 7 (Unvollendete) von Franz Schubert, das Schicksalslied von Johannes Brahms, Drei Orchesterstücke
von Alban Berg sowie "La Valse" von Maurice Ravel. Den Beginn markierte die bosnische Hymne, den Abschluss
Beethovens Europahymne. Das Konzert vor 330 geladenen Gästen wurde ins Freie übertragen, und über
die European Broadcasting Union in rund 30 Staaten, darunter Österreich.
Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg sagte zu Beginn des Konzerts: "Es ist mehr als ein Konzert, das
uns in diesem Gebäude zusammenführt, es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Versöhnung."
Mit Blick auf das Habsburger Reich sagte er, dass große Reiche "hinweg gefegt werden", während
"wahre Kunst vom Wechsel der Zeiten unberührt" bleibe. Die Kunst könne dabei helfen, die Abgründe
der menschlichen Existenz zu überwinden. Voraussetzung sei, auf die Stimme der Kunst zu hören, doch müsse
man dabei "leise sein", weil es sich um eine "schwache Stimme" handle. Hellsberg unterstrich
auch, dass die Wiener Philharmoniker mit ihrem Konzert an diesem Tag und an diesem Ort insbesondere der Idee eines
gemeinsamen Europa "unsere Reverenz erweisen" wollen.
Zusätzlich zum ursprünglich angekündigten Programm spielten die Wiener Philharmoniker auch - wie
Welser-Möst sagte - "etwas an echter Wiener Musik", und zwar den Walzer "Friedenspalmen"
von Josef Strauss. Besonders beeindruckt hat das Publikum die Interpretation des Stücks "La Valse"
von Ravel, eine zum Nachdenken anregende Mischung aus beschwingten Walzerklängen und an Gefechtslärm
erinnernden Bass-Tönen. Eindrucksvoll war auch der Kontrast zwischen den lieblichen Klängen von Schuberts
"Unvollendeter" und dem folgenden atonalen Stück von Alban Berg, das ebenfalls Assoziationen zum
Bombenhagel des Ersten Weltkriegs weckte.
Die Vijecnica symbolisiert die bewegte Geschichte der bosnischen Hauptstadt. Ende des 19. Jahrhunderts im neomaurischen
Stil als Rathaus errichtet, war es im Bosnien-Krieg 1992 schwer beschädigt worden. Danach wurde es mit Hilfe
europäischer Staaten, darunter Österreich, renoviert. Erst im Mai war es wiedereröffnet worden.
"Es ist kein Konzertsaal, aber ein unerhört symbolträchtiger Ort", betonte Philharmoniker-Vorstand
Clemens Hellsberg. Franz Ferdinand hatte das Gebäude am 28. Juni 1914 besucht, nach dem ersten fehlgeschlagenen
Attentatsversuch. "Ich komme hier als euer Gast, und ihr begrüßt mich mit Bomben", empörte
er sich vor den betretenen Honoratioren der Stadt. Nach ihrer Abfahrt vom Rathaus wurden Franz Ferdinand und seine
Frau Sophie dann an einer nahe gelegenen Straßenkreuzung vom bosnisch-serbischen Nationalisten Gavrilo Princip
erschossen.
Bundespräsident Heinz Fischer sagte, es sei ihm "wichtig, persönlich an der Gedenkfeier in Sarajevo
teilzunehmen". Es sei nämlich "ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft", dass des
Attentats gemeinsam gedacht werde. Der Einladung nach Sarajevo folgten auch die Präsidenten Kroatiens, Mazedoniens
und Montenegros (Ivo Josipovic, Gjorge Ivanov und Filip Vujanovic). Spitzenpolitiker aus Serbien blieben dem Gedenkkonzert
jedoch fern, aus Protest gegen eine nach dem Bosnien-Krieg angebrachte serbenfeindliche Inschrift auf dem Rathausgebäude.
Der Bundespräsident betonte, für ihn stehe bei den Feierlichkeiten das Gemeinsame und das Bekenntnis
zum Frieden im Vordergrund. Bereits beim offiziellen österreichischen Gedenkakt zum 100. Jahrestag des Ersten
Weltkriegs in der Vorwoche hatte er gesagt, dass aus österreichischer Sicht "die Wunden aus dieser Zeit
verheilt" seien und bezeichnete die Beziehungen zu den ehemaligen kriegsführenden Staaten als "ausgezeichnet
und vorurteilsfrei". Österreich wolle sich an diesem Gedenktag als "enger Freund und Partner"
von Bosnien-Herzegowina präsentieren, unterstrich der Präsident.
Der Mord an Franz Ferdinand und Sophie gilt als Auslöser des Ersten Weltkrieges. Weil es die Princip und seine
Mitverschwörer unterstützt haben soll, erklärte Wien Serbien Ende Juli 1914 den Krieg. Deutschland
unterstützte Österreich-Ungarn, Russland sprang Serbien zur Seite, und in wenigen Tagen wurden die anderen
europäischen Großmächte in den Krieg gezogen, der rund 20 Millionen Tote fordern und eine gänzlich
neue Weltordnung schaffen sollte.
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