Eurozone: niedrige Inflation, aber keine Deflationsgefahr – Notenbanken: Fed bremst, EZB gibt
Gas – EUR/USD: Euro gerät unter Druck – Ertragspotenzial bei Aktienmärkten weiterhin gegeben
Wien (rzb) - „Insgesamt betrachtet blieb das BIP-Wachstum der Eurozone im ersten Quartal mit 0,2 Prozent
unter unseren Erwartungen, weshalb wir auch unsere Schätzung für das Gesamtwachstum der Eurozone für
das Jahr 2014 von 1,5 auf 1,2 Prozent zurückgenommen haben. Dennoch sehen wir für das zweite Halbjahr
weiterhin eine leichte Beschleunigung des Konjunkturverlaufs, der 2015 seinen Höhepunkt mit 2,0 Prozent erreichen
sollte. Die Gefahr einer Deflation sehen wir in der Eurozone aktuell nicht. Allerdings haben Preissenkungen bei
Nahrungsmitteln und Energie die Gesamtteuerung auf 0,5 Prozent und somit unter jene der Kernrate von 0,8 Prozent
gedrückt. Trotz wieder leicht steigender Inflationsraten bleibt die Teuerung bis 2016 signifikant unter dem
Preisziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Für die Eurozone erwarten wir im laufenden Jahr eine Inflationsrate
von 0,8 Prozent und für 2015 einen moderaten Anstieg auf 1,3 Prozent, was zwar deutlich unter dem EZB-Zielwert
von knapp 2 Prozent liegt, aber auch weit weg von einer Deflation ist“, beginnt Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen
Research bei der Raiffeisen Bank International AG (RBI) die Präsentation der „Strategie Globale Märkte“.
In den USA hingegen ist der Preisdruck seit dem Frühjahr merklich angestiegen, und als Folge des robusten
Arbeitsmarkts ist seit Mai die Steigerung der Verbraucherpreise im Quartalsvergleich über die 2-Prozent-Marke
geklettert. Die Analysten von Raiffeisen Research revidieren daher ihre Inflationsprognose für die USA von
bisher 1,5 Prozent auf 1,9 Prozent für das heurige Jahr.
Notenbanken: Fed bremst, EZB gibt Gas
Die US-Notenbank Fed gab auf ihrer Sitzung am 18. Juni bekannt, ihre Anleihekäufe ab Juli um weitere USD 10
Milliarden auf monatlich USD 35 Milliarden reduzieren zu wollen und die Anleihekäufe bis zum Herbst dann komplett
einzustellen. Am aktuellen Niveau der Leitzinssätze möchte man aber weiterhin bis Mitte 2015 nichts ändern.
„Wir hegen nach wie vor erhebliche Zweifel daran, dass sich die Fed mit einer ersten Leitzinsanhebung tatsächlich
noch so viel Zeit lassen kann und wird. Das Hauptargument der Währungshüter, die hohe Arbeitslosigkeit,
ist seit geraumer Zeit nicht mehr gegeben, und bereits für Mitte 2015 gehen wir davon aus, dass die USA wieder
de facto Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von nur 5,7 Prozent erreichen werden. Das sollte in
Kombination mit einer Inflationsrate von über 2 Prozent Grund genug sein, um die Leitzinsen entsprechend früher
wieder anzuheben“, analysiert Brezinschek die aktuellen Entwicklungen in den USA.
Im Gegensatz zur Fed und dem geplanten Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik hat die EZB zuletzt ein ganzes
Bündel von zusätzlichen expansiven Maßnahmen beschlossen. Im Herbst könnte zudem mit einem
Kaufprogramm für Asset Backed Securities nachgelegt werden. Bei den Leitzinsen ist de facto die untere mögliche
Grenze erreicht worden. Ein neuer Zinsanhebungs-zyklus wird erst für Ende 2015 erwartet, da negative Realzinsen
dann angesichts der erwarteten robusten Konjunktur nicht länger adäquat sein werden.
EUR/USD: Euro gerät unter Druck
„Zwischen Jänner und Juni bewegte sich der Wechselkurs EUR/USD zwischen 1,349 und 1,393, was unserer zu Jahresbeginn
geäußerte Erwartung einer Seitwärtsbewegung in einer historisch betrachtet recht engen Spannbreite
um 1,35 entspricht. Für Ende 2014 rechnen wir jedoch mit einem Wechselkurs EUR/USD von 1,30, da sich die Spekulationen
über eine frühere Anhebung der US-Leitzinsen durch die Fed im Herbst voraussichtlich intensivieren werden
und dadurch Druck auf den Euro ausgeübt werden wird“, so Brezinschek.
Die maßgebliche Bestimmungsgröße für die Wechselkursentwicklung bleibt die Renditedifferenz
zwischen deutschen und amerikanischen 2-jährigen Staatsanleihen. Während die Rendite der
2-jährigen amerikanischen Staatsanleihe dank guter Konjunkturdaten und einer höheren Inflationsrate in
den letzten Wochen auf knapp 0,5 Prozent anstieg, ist die des deutschen Pendants sogar leicht gesunken. Der Staatsanleihenmarkt
in der Eurozone wird stark von geldpolitischen Maßnahmen geprägt. Der Strafzins auf Überschussliquidität
im Bankensystem sowie der anhaltend leichte Zugang zu Notenbankkrediten beflügeln vor allem Veranlagungen
in kurzlaufende Staatsanleihen. Die deutschen 2-jährigen Staatsanleihen haben daher angesichts der jüngsten
EZB-Maßnahmen aktuell kein Aufwärtspotenzial, während sich der Aufwärtsdrift in den USA weiter
fortsetzen dürfte.
Ertragspotenzial bei Aktienmärkten weiterhin gegeben
Der im März 2009 angelaufene Aufwärtstrend beim MSCI World hat mittlerweile hinsichtlich Dauer und Kursanstieg
(plus 172 Prozent auf Total Return-Basis) stattliche Ausmaße erreicht. Im historischen Vergleich (seit 1969)
liegt derzeit aber nur eine leicht überdurchschnittliche Bewertung des MSCI World von 5 Prozent vor, was laut
den Analysten von Raiffeisen Research überwiegend Fundamentalfaktoren (Gewinnanstiege, Dividendenerträge)
und nur zu rund einem Viertel Bewertungsanstiegen zuzuschreiben ist. Historisch betrachtet wurden bei den aktuellen
Bewertungsniveaus in der Vergangenheit durchschnittliche nominelle Jahreserträge von 9 Prozent (über
zehn Jahre) erzielt. Daher glauben die Analysten nicht, dass der aktuelle Zyklus bereits zu Ende geht, sondern
im Gegenteil noch Potenzial für weitere Erträge besteht.
„In einer stark vereinfachten Ertragsschätzung halten wir unter Berücksichtigung einer jährlichen
Inflationsrate von 2 Prozent sowie eines Abschlags von jährlich 2 Prozentpunkten, um dem insgesamt niedrigeren
Wirtschafts- und Gewinnwachstumspotenzial Rechnung zu tragen, weiterhin ein langfristiges reales Ertragspotenzial
der Aktienmärkte vor Gebühren und Steuern von jährlich 5 Prozent für eine realistische Perspektive“,
beginnt Veronika Lammer, Leiterin der Abteilung Quant Research und Emerging Markets bei Raiffeisen Research, ihren
Ausblick auf die Entwicklung der Aktienmärkte.
„Angesichts der zuletzt noch einmal geschrumpften Performanceaussichten bei sicheren, festverzinslichen Anlagealternativen
erscheint das Chancen-Risiko-Verhältnis für globale Aktien insofern weiterhin als attraktiv. Das auch,
weil wir auf absehbare Zeit von einer Belebung der Weltwirtschaft ausgehen und die vom Konsens für heuer unterstellten
knapp 9 Prozent an Gewinnwachstum für den MSCI World durchaus plausibel klingen“, so Lammer weiter.
Regional betrachtet fällt der MSCI USA negativ auf, der im Vergleich zu seiner eigenen Historie und auch gegenüber
seiner globalen Pendants ambitioniert bewertet ist. Hier sind die langfristigen Ertragsaussichten vor dem Hintergrund
eines möglichen Bewertungsabbaus und geringer mittelfristiger Gewinnwachstumsaussichten deutlich schmäler
als zuvor skizziert.
Für europäische Aktien ist auf Basis dieser Betrachtung hingegen eine bessere Performance indiziert,
insbesondere da auch die Gewinne Aufholpotenzial aufweisen. Deswegen sind die Analysten von Raiffeisen Research
auch für diese Region optimistischer. Noch interessantere Relationen bieten diverse Schwellenländer-Aktienmärkte
wie China. Auch der japanische Aktienmarkt ist günstig bewertet und sollte von Zuflüssen aus dem Pensionsfond
profitieren.
EM-Aktienmärkte holen auf
„Die Emerging Markets (EM) beginnen sich erwartungsgemäß zu erholen und profitieren von einer ersten
konjunkturellen Stabilisierung in China und der Hoffnung auf strukturelle Verbesserungen in Indien und Brasilien.
Das hat in den letzten Wochen zu einer soliden Performance geführt, die weiterhin anhalten dürfte“, meint
Lammer.
Die chinesischen Aktienmärkte profitierten in den letzten Wochen von der konjunkturellen Stabilisierung der
Volksrepublik. Der HSCE Index legte seit Anfang Mai 7,6 Prozent zu, wobei
er im Vergleich zu den etablierten Märkten und anderen EM weiterhin günstig bewertet ist
(KGV: 7,6). Allerdings ist auch das erwartete jährliche Gewinnwachstum von 4,6 Prozent für 2014 deutlich
niedriger als in den letzten Jahren. Für das dritte Quartal wird dennoch ein Anhalten der positiven Performance
erwartet, wobei das Risiko erhöhter Volatilität in Hinblick auf den chinesischen Immobilien- und Finanzmarkt
besteht.
Aktien moderat übergewichtet
„Unsere Anleihestrategie für das dritte Quartal 2014 ist weiterhin ausgewogen mit einer moderaten Übergewichtung
von Aktien. Das Aktiensegment gewichten wir mit 53 Prozent, das Anleihensegment mit 42 Prozent und die restlichen
5 Prozent werden in alternative Investments wie etwa Immobilien investiert“, führt Lammer aus. „Innerhalb
des Aktienteils setzen wir Schwerpunkte in Europa und den Emerging Markets, halten aber auch den US-Aktienmarkt
hoch gewichtet. Innerhalb des Anleiheportfolios empfehlen wir etwas mehr als die Hälfte in sicheren europäischen
und amerikanischen Staatsanleihen zu halten und CEE-Staatsanleihen, Eurobonds und Euro-Unternehmensanleihen beizumischen“,
schließt Lammer.
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