Geldpolitik am Scheideweg

 

erstellt am
01. 07. 14
10.00 MEZ

Eurozone: niedrige Inflation, aber keine Deflationsgefahr – Notenbanken: Fed bremst, EZB gibt Gas – EUR/USD: Euro gerät unter Druck – Ertragspotenzial bei Aktienmärkten weiterhin gegeben
Wien (rzb) - „Insgesamt betrachtet blieb das BIP-Wachstum der Eurozone im ersten Quartal mit 0,2 Prozent unter unseren Erwartungen, weshalb wir auch unsere Schätzung für das Gesamtwachstum der Eurozone für das Jahr 2014 von 1,5 auf 1,2 Prozent zurückgenommen haben. Dennoch sehen wir für das zweite Halbjahr weiterhin eine leichte Beschleunigung des Konjunkturverlaufs, der 2015 seinen Höhepunkt mit 2,0 Prozent erreichen sollte. Die Gefahr einer Deflation sehen wir in der Eurozone aktuell nicht. Allerdings haben Preissenkungen bei Nahrungsmitteln und Energie die Gesamtteuerung auf 0,5 Prozent und somit unter jene der Kernrate von 0,8 Prozent gedrückt. Trotz wieder leicht steigender Inflationsraten bleibt die Teuerung bis 2016 signifikant unter dem Preisziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Für die Eurozone erwarten wir im laufenden Jahr eine Inflationsrate von 0,8 Prozent und für 2015 einen moderaten Anstieg auf 1,3 Prozent, was zwar deutlich unter dem EZB-Zielwert von knapp 2 Prozent liegt, aber auch weit weg von einer Deflation ist“, beginnt Peter Brezinschek, Leiter von Raiffeisen Research bei der Raiffeisen Bank International AG (RBI) die Präsentation der „Strategie Globale Märkte“.

In den USA hingegen ist der Preisdruck seit dem Frühjahr merklich angestiegen, und als Folge des robusten Arbeitsmarkts ist seit Mai die Steigerung der Verbraucherpreise im Quartalsvergleich über die 2-Prozent-Marke geklettert. Die Analysten von Raiffeisen Research revidieren daher ihre Inflationsprognose für die USA von bisher 1,5 Prozent auf 1,9 Prozent für das heurige Jahr.

Notenbanken: Fed bremst, EZB gibt Gas
Die US-Notenbank Fed gab auf ihrer Sitzung am 18. Juni bekannt, ihre Anleihekäufe ab Juli um weitere USD 10 Milliarden auf monatlich USD 35 Milliarden reduzieren zu wollen und die Anleihekäufe bis zum Herbst dann komplett einzustellen. Am aktuellen Niveau der Leitzinssätze möchte man aber weiterhin bis Mitte 2015 nichts ändern. „Wir hegen nach wie vor erhebliche Zweifel daran, dass sich die Fed mit einer ersten Leitzinsanhebung tatsächlich noch so viel Zeit lassen kann und wird. Das Hauptargument der Währungshüter, die hohe Arbeitslosigkeit, ist seit geraumer Zeit nicht mehr gegeben, und bereits für Mitte 2015 gehen wir davon aus, dass die USA wieder de facto Vollbeschäftigung mit einer Arbeitslosenquote von nur 5,7 Prozent erreichen werden. Das sollte in Kombination mit einer Inflationsrate von über 2 Prozent Grund genug sein, um die Leitzinsen entsprechend früher wieder anzuheben“, analysiert Brezinschek die aktuellen Entwicklungen in den USA.

Im Gegensatz zur Fed und dem geplanten Ausstieg aus der ultra-lockeren Geldpolitik hat die EZB zuletzt ein ganzes Bündel von zusätzlichen expansiven Maßnahmen beschlossen. Im Herbst könnte zudem mit einem Kaufprogramm für Asset Backed Securities nachgelegt werden. Bei den Leitzinsen ist de facto die untere mögliche Grenze erreicht worden. Ein neuer Zinsanhebungs-zyklus wird erst für Ende 2015 erwartet, da negative Realzinsen dann angesichts der erwarteten robusten Konjunktur nicht länger adäquat sein werden.

EUR/USD: Euro gerät unter Druck
„Zwischen Jänner und Juni bewegte sich der Wechselkurs EUR/USD zwischen 1,349 und 1,393, was unserer zu Jahresbeginn geäußerte Erwartung einer Seitwärtsbewegung in einer historisch betrachtet recht engen Spannbreite um 1,35 entspricht. Für Ende 2014 rechnen wir jedoch mit einem Wechselkurs EUR/USD von 1,30, da sich die Spekulationen über eine frühere Anhebung der US-Leitzinsen durch die Fed im Herbst voraussichtlich intensivieren werden und dadurch Druck auf den Euro ausgeübt werden wird“, so Brezinschek.

Die maßgebliche Bestimmungsgröße für die Wechselkursentwicklung bleibt die Renditedifferenz zwischen deutschen und amerikanischen 2-jährigen Staatsanleihen. Während die Rendite der
2-jährigen amerikanischen Staatsanleihe dank guter Konjunkturdaten und einer höheren Inflationsrate in den letzten Wochen auf knapp 0,5 Prozent anstieg, ist die des deutschen Pendants sogar leicht gesunken. Der Staatsanleihenmarkt in der Eurozone wird stark von geldpolitischen Maßnahmen geprägt. Der Strafzins auf Überschussliquidität im Bankensystem sowie der anhaltend leichte Zugang zu Notenbankkrediten beflügeln vor allem Veranlagungen in kurzlaufende Staatsanleihen. Die deutschen 2-jährigen Staatsanleihen haben daher angesichts der jüngsten EZB-Maßnahmen aktuell kein Aufwärtspotenzial, während sich der Aufwärtsdrift in den USA weiter fortsetzen dürfte.

Ertragspotenzial bei Aktienmärkten weiterhin gegeben
Der im März 2009 angelaufene Aufwärtstrend beim MSCI World hat mittlerweile hinsichtlich Dauer und Kursanstieg (plus 172 Prozent auf Total Return-Basis) stattliche Ausmaße erreicht. Im historischen Vergleich (seit 1969) liegt derzeit aber nur eine leicht überdurchschnittliche Bewertung des MSCI World von 5 Prozent vor, was laut den Analysten von Raiffeisen Research überwiegend Fundamentalfaktoren (Gewinnanstiege, Dividendenerträge) und nur zu rund einem Viertel Bewertungsanstiegen zuzuschreiben ist. Historisch betrachtet wurden bei den aktuellen Bewertungsniveaus in der Vergangenheit durchschnittliche nominelle Jahreserträge von 9 Prozent (über zehn Jahre) erzielt. Daher glauben die Analysten nicht, dass der aktuelle Zyklus bereits zu Ende geht, sondern im Gegenteil noch Potenzial für weitere Erträge besteht.

„In einer stark vereinfachten Ertragsschätzung halten wir unter Berücksichtigung einer jährlichen Inflationsrate von 2 Prozent sowie eines Abschlags von jährlich 2 Prozentpunkten, um dem insgesamt niedrigeren Wirtschafts- und Gewinnwachstumspotenzial Rechnung zu tragen, weiterhin ein langfristiges reales Ertragspotenzial der Aktienmärkte vor Gebühren und Steuern von jährlich 5 Prozent für eine realistische Perspektive“, beginnt Veronika Lammer, Leiterin der Abteilung Quant Research und Emerging Markets bei Raiffeisen Research, ihren Ausblick auf die Entwicklung der Aktienmärkte.

„Angesichts der zuletzt noch einmal geschrumpften Performanceaussichten bei sicheren, festverzinslichen Anlagealternativen erscheint das Chancen-Risiko-Verhältnis für globale Aktien insofern weiterhin als attraktiv. Das auch, weil wir auf absehbare Zeit von einer Belebung der Weltwirtschaft ausgehen und die vom Konsens für heuer unterstellten knapp 9 Prozent an Gewinnwachstum für den MSCI World durchaus plausibel klingen“, so Lammer weiter.

Regional betrachtet fällt der MSCI USA negativ auf, der im Vergleich zu seiner eigenen Historie und auch gegenüber seiner globalen Pendants ambitioniert bewertet ist. Hier sind die langfristigen Ertragsaussichten vor dem Hintergrund eines möglichen Bewertungsabbaus und geringer mittelfristiger Gewinnwachstumsaussichten deutlich schmäler als zuvor skizziert.

Für europäische Aktien ist auf Basis dieser Betrachtung hingegen eine bessere Performance indiziert, insbesondere da auch die Gewinne Aufholpotenzial aufweisen. Deswegen sind die Analysten von Raiffeisen Research auch für diese Region optimistischer. Noch interessantere Relationen bieten diverse Schwellenländer-Aktienmärkte wie China. Auch der japanische Aktienmarkt ist günstig bewertet und sollte von Zuflüssen aus dem Pensionsfond profitieren.

EM-Aktienmärkte holen auf
„Die Emerging Markets (EM) beginnen sich erwartungsgemäß zu erholen und profitieren von einer ersten konjunkturellen Stabilisierung in China und der Hoffnung auf strukturelle Verbesserungen in Indien und Brasilien. Das hat in den letzten Wochen zu einer soliden Performance geführt, die weiterhin anhalten dürfte“, meint Lammer.

Die chinesischen Aktienmärkte profitierten in den letzten Wochen von der konjunkturellen Stabilisierung der Volksrepublik. Der HSCE Index legte seit Anfang Mai 7,6 Prozent zu, wobei
er im Vergleich zu den etablierten Märkten und anderen EM weiterhin günstig bewertet ist
(KGV: 7,6). Allerdings ist auch das erwartete jährliche Gewinnwachstum von 4,6 Prozent für 2014 deutlich niedriger als in den letzten Jahren. Für das dritte Quartal wird dennoch ein Anhalten der positiven Performance erwartet, wobei das Risiko erhöhter Volatilität in Hinblick auf den chinesischen Immobilien- und Finanzmarkt besteht.

Aktien moderat übergewichtet
„Unsere Anleihestrategie für das dritte Quartal 2014 ist weiterhin ausgewogen mit einer moderaten Übergewichtung von Aktien. Das Aktiensegment gewichten wir mit 53 Prozent, das Anleihensegment mit 42 Prozent und die restlichen 5 Prozent werden in alternative Investments wie etwa Immobilien investiert“, führt Lammer aus. „Innerhalb des Aktienteils setzen wir Schwerpunkte in Europa und den Emerging Markets, halten aber auch den US-Aktienmarkt hoch gewichtet. Innerhalb des Anleiheportfolios empfehlen wir etwas mehr als die Hälfte in sicheren europäischen und amerikanischen Staatsanleihen zu halten und CEE-Staatsanleihen, Eurobonds und Euro-Unternehmensanleihen beizumischen“, schließt Lammer.

 

 

 

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