Österreich: schwächerer Konjunkturaufschwung – Reformstau bremst – Erfreuliche BIP-Dynamik
und niedrige Inflation prägen CE und SEE – Branchen im Fokus: Öl, Immobilien, Banken und Industrie
Wien (rzb) - „In Österreich konnte sich die Konjunkturerholung des zweiten Halbjahrs 2013 im ersten
Quartal 2014 vorerst nicht fortsetzen. Das BIP-Wachstum pro Quartal schwächte sich von 0,4 Prozent im vierten
Quartal 2013 auf 0,2 Prozent im ersten Quartal 2014 ab. Der Außenhandel spielt dabei für Österreich
weiterhin eine zentrale Rolle, während die Belebung der Binnennachfrage ins Stocken geraten ist“, beginnt
Peter Brezinschek, Chefanalyst von Raiffeisen Research der Raiffeisen Bank International AG (RBI), seine Präsentation
der „Strategie Österreich & CEE“ für das dritte Quartal 2014.
„Die Vorlaufindikatoren signalisieren für Österreich zwar weiterhin einen Konjunkturaufschwung, allerdings
dürfte dieser insgesamt geringer ausfallen als in den vorangegangenen Phasen. Daher mussten wir unsere BIP-Schätzungen
für 2014 und 2015 nun um jeweils 0,2 Prozentpunkte auf real 1,3 Prozent bzw. 2,1 Prozent zurücknehmen.
Damit entwickelt sich Österreich nur mehr im Schnitt der Eurozone und fällt gegenüber Deutschland
und der Schweiz weiter zurück. Um wieder auf einen langfristigen Wachstumspfad zu kommen, wäre es notwendig,
die Reformfelder Steuer- und Abgabenlast, Pensionen, Staats-, Verwaltungs- und Gesundheitsreform in Angriff zu
nehmen. Auch wir sehen eine berechtigte Forderung der steuerlichen Entlastung des Faktors Arbeit, doch hat die
Finanzierung im Wesentlichen über Ausgabenkürzungen zu erfolgen. Österreich hat mit 45,3 Prozent
bereits die fünfthöchste Steuer- und Abgabenquote Europas und damit selbst Schweden schon hinter sich
gelassen. Diese hohe Steuer- und Abgabenquote stellt sich sowohl als Wettbewerbsnachteil als auch als Wachstumsbremse
gegenüber Deutschland und der Schweiz dar“, so Brezinschek weiter.
Erfreuliche BIP-Dynamik und niedrige Inflation prägen CE und SEE
Die CEE-Region* überraschte zu Jahresbeginn mit einem soliden BIP-Wachstum, was die Analysten von Raiffeisen
Research veranlasste, die Prognosen für 2014 für die gesamte
CE-Region anzuheben. Im Detail wurden dabei die Erwartungen für Polen (plus 0,2 Prozentpunkte auf 3,3 Prozent),
Tschechien (plus 0,3 Prozentpunkte auf 2,6 Prozent), die Slowakei (plus 0,5 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent) und
Ungarn (plus 0,7 Prozentpunkte auf 2,7 Prozent) nach oben korrigiert. Die Wachstumsprognose für Slowenien
wurde sogar um ganze 1,5 Prozent-punkte auf 1,0 Prozent angehoben, womit das Land den lange erwarteten Sprung aus
der Rezession schaffen würde. In SEE wies Rumänien eine anhaltend positive Entwicklung auf, die im ersten
Quartal so stark ausgefallen war, dass die Analysten die Prognose für das Wachstum für 2014 um1,2 Prozentpunkte
auf 3,5 Prozent anheben konnten.
„Erfreulich ist, dass in der überwiegenden Mehrheit der CEE-Länder die zunehmend konjunkturelle Stärke
auf steigender Binnennachfrage – sowohl beim privaten Konsum als auch bei privaten Investitionen – basiert. Aktuell
befindet sich die Inflation in den meisten Ländern auf historischen Tiefständen, was sich aber im Verlauf
der zweiten Jahreshälfte wieder ändern sollte“, analysiert Brezinschek die aktuelle Konjunkturentwicklung
in CEE.
Die niedrigen Inflationsraten haben aber auch der Geldpolitik in mehreren CEE-Ländern die Rechtfertigung für
historisch tiefe Leitzinsen geliefert. In Verbindung mit der extrem expansiven Geldpolitik der Europäischen
Zentralbank (EZB), die auf absehbare Zeit ihre großzügige Liquiditätsversorgung beibehalten wird,
sind Änderungen in den Leitzinsen in der CEE-Region bis Anfang 2015 nicht zu erwarten. In Ungarn könnte
allerdings im heurigen Sommer der mehrjährige Pfad fallender Leitzinsen bei 2,2 Prozent sein Ende finden.
Andererseits sieht Raiffeisen Research in Russland keine Fortsetzung der Zinsanhebungen, da die Rubelschwäche
gestoppt werden konnte.
Märkte reagieren weniger stark auf anhaltenden Konflikt zwischen Russland und der Ukraine
„Obwohl der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine noch weit entfernt von einer Entspannung ist, so zeigt
sich doch, dass mit seiner Fortdauer der Einfluss auf Wirtschaft und Finanzmärkte abnimmt. Auch wenn die Märkte
nicht mehr so stark auf den Konflikt reagieren, so führt die anhaltende Ungewissheit dennoch dazu, dass Investitionen
in der Region zurückgehalten werden. Daher mussten wir unsere Prognosen für die GUS-Region für den
Jahresverlauf weiter nach unten schrauben und sehen derzeit das BIP-Wachstum in Russland bei minus 0,3 Prozent
und in der Ukraine bei minus 7,0 Prozent“, sagt Brezinschek.
Positiv zu vermerken ist, dass das russische Budget erhebliche Zusatzeinnahmen verbuchen wird, die einen ausgeglichenen
Haushalt oder sogar einen kleinen Überschuss 2014 zur Folge haben werden. Der Grund dieser positiven Dynamik
liegt in der RUB-Abwertung, die angesichts der Zusammensetzung des russischen Budgets (der Hauptteil der Staatseinnahmen
erfolgt in USD als Abgaben für exportiertes Öl und Gas) höhere Zuflüsse mit sich bringt. Wenn
eine Zunahme der politischen Spannungen vermieden wird, kann Russland ab 2014 seinen Rücklagenfond wieder
auffüllen.
ATX: Erholung bis Jahresende erwartet
Im bisherigen Jahresverlauf hinkte die Performance des österreichischen ATX und der osteuropäischen Aktienindizes
etwas den etablierten Westmärkten und dem US-Markt hinterher. Im ersten Halbjahr verlor der Wiener Leitindex
knapp 2 Prozent, die Hauptmärkte Osteuropas notierten nahezu unverändert. Als positiver Ausreißer
zeigte sich der rumänische BET mit einem Zugewinn von 8 Prozent. Die Westmärkte konnten im niedrigen
bis mittleren einstelligen Prozentbereich zulegen. Als Hauptgrund für die etwas schwächere Entwicklung
sieht der stellvertretende Chefanalyst der Raiffeisen Centrobank (RCB), Bernd Maurer, den negativen Effekt der
Spannungen in der Ukraine auf die gesamte Region. Für die Sommermonate gehen die Analysten für Österreich
und Osteuropa von einer leicht positiven Performance aus. Haupttreiber stellt das sich weiter verbessernde volkswirtschaftliche
Umfeld sowie das anhaltend niedrige Zinsniveau dar. Nach volatilen Sommermonaten erwartet die RCB einen Anstieg
des ATX auf 2.750 Punkte. Auch wenn die aktuelle Bewertung der Indizes im langfristigen historischen Vergleich
nicht günstig erscheint, zeigt der relative Vergleich weiterhin die Attraktivität der
Asset-Klasse Aktien im aktuellen Niedrigzinsumfeld. Österreichische und osteuropäische Aktienmärkte
erscheinen im Vergleich mit anderen etablierten Märkten und Emerging Markets darüber hinaus als attraktiv
bewertet. Zusätzliche Impulse für den Aktienmarkt kommen von verstärkter M&A-Tätigkeit
in den letzten Monaten.
Branchen im Fokus: Öl, Immobilien, Banken und Industrie
Branchenseitig erachtet Maurer förderintensive Ölunternehmen, den Immobiliensektor sowie ausgewählte
Bankaktien und Industrietitel als interessant. „Die wachsende Ölnachfrage und steigende Förderkosten
sowie geopolitische Unsicherheiten sprechen aus unserer Sicht für einen zumindest stabilen oder leicht steigenden
Ölpreis. Immobilienwerte sehen wir als Profiteure der neuerlichen monetären Stimuli der EZB“, so der
RCB-Analyst. Zu einem selektiven Vorgehen rät die RCB im osteuropäischen Bankensektor. Einzelne Titel
seien aufgrund sinkender Risikokosten und einer ansprechenden Gewinndynamik empfehlenswert. Im Industriesektor
setzen die Analysten auf attraktiv bewertete Titel, die von der zunehmenden konjunkturellen Dynamik in Österreich
und Osteuropa profitieren.
* Zentral- und Osteuropa (CEE) setzt sich aus den Regionen Zentraleuropa (CE) mit der Tschechischen Republik, Polen,
der Slowakei, Slowenien und Ungarn, Südosteuropa (SEE) mit Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Kroatien,
Rumänien und Serbien, der Region CEE Sonstige mit der Ukraine und Belarus sowie Russland zusammen.
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