Außenminister schlägt Freihandelszone zwischen EU und Russland vor
Wien (pk) - Die aktuellen Krisenherde Ukraine und Israel waren Inhalt zahlreicher Fragen an Außenminister
Sebastian Kurz, der am 10.07. im Nationalrat den Abgeordneten Rede und Antwort stand. Kurz war überzeugt davon,
dass Gespräche immer mit beiden Seiten geführt werden müssen und Lösungen nur auf dem Verhandlungsweg
möglich sind. Weiters in der Fragestunde angesprochen wurden die Schwerpunkte der Außenpolitik, die
Maßnahmen im Bereich der Integration, der Auftritt des türkischen Premiers Erdogan in Wien sowie die
Mittel für die humanitäre Hilfe und die Entwicklungszusammenarbeit, die von der Opposition als zu gering
kritisiert wurden.
Kurz: Freihandelszone zwischen Russland und EU als langfristige Perspektive
Abgeordneter Josef Cap (S) erkundigte sich danach, ob im Sinne einer aktiven Außenpolitik weitere Gespräche
mit Russland und der Ukraine geplant sind, um Frieden und Stabilität in dieser Region zu gewährleisten.
Außenminister Sebastian Kurz war überzeugt davon, dass Österreich im Rahmen des Europaratsvorsitzes
sowie durch die Abhaltung einer Konferenz in Wien, wo die Ukraine und Russland an einen Tisch gebracht wurden,
einen positiven Beitrag geleistet hat. Mittlerweile sind die Verhandlungen auf ein anderes Format gehoben worden;
es finden nun Gespräche zwischen der Ukraine, Russland, Deutschland und Frankreich statt sowie innerhalb der
Kontaktgruppe unter der Federführung der OSZE. Österreich werde weiterhin mit beiden Seiten in Verbindung
bleiben und sich für eine langfristige Lösung nach dem Konflikt einsetzen, betonte Kurz. Auch vom ukrainischen
Präsidenten Poroschenko, der die Wahl eindrucksvoll gewonnen hat, sind positive Signale ausgegangen, die man
anerkennen müsse. Kurz war generell der Meinung, dass in es in der Zukunft eine Art Freihandelszone zwischen
Russland und der EU geben sollte, weil davon nicht nur beide Partner profitieren würden, sondern man auch
verhindern könnte, dass Länder wie die Ukraine, Moldau, Georgien oder Armenien vor eine Zerreißprobe
gestellt würden. Dies sei derzeit zwar noch Zukunftsmusik, räumte der Minister ein, aber gerade in einer
Zeit des Konflikts brauche es längerfristige Visionen.
Die Reaktion der EU auf den Konflikt in Israel
Abgeordnete Christine Muttonen (S) zeigte sich äußerst besorgt über die aktuelle Lage in Israel
und wollte wissen, welche Schritte innerhalb der EU geplant sind, um gemeinsam der gegenwärtigen Eskalationsspirale
entgegenzuwirken. Dieses Thema werde beim nächsten Ratstreffen der Außenminister am 22. Juli ganz oben
auf der Tagesordnung stehen, erklärte Außenminister Sebastian Kurz. Die EU habe nicht nur die Raketenbeschüsse
durch die Hamas verurteilt, sondern auch Israel aufgefordert, das berechtigte Sicherheitsinteresse und das Recht
auf Selbstverteidigung mit Augenmaß und Verhältnismäßigkeit wahrzunehmen. Entscheidend sei,
beide Seiten dazu aufzurufen, die Gewaltspirale nicht weiter voranzutreiben. Eine Lösung des Nahost-Konflikts
liege sicher nicht in einer militärischen Auseinandersetzung, sondern nur in Verhandlungen, war Kurz überzeugt.
Es sei klar, dass dabei auch die Siedlungspolitik Israels thematisiert werden müsse. Österreich setze
sich jedenfalls für die Zwei-Staaten-Lösung ein.
Kurz: Auftritt von Erdogan in Wien hat den Integrationsbemühungen geschadet
Auf die Frage der ÖVP-Abgeordneten Claudia Durchschlag zum privaten Besuch des türkischen Regierungschefs
Erdogan in Wien, der für eine große Unruhe gesorgt hat, erklärte der Außenminister, dass
er dies von Anfang an sehr kritisch betrachtet habe. Es bestand die Gefahr, dass dadurch der Wahlkampf nach Österreich
getragen wird. Im Rückblick müsse man auch klar sagen, dass dies der Fall war. Als Außen- und Integrationsminister
war es ihm ein großes Anliegen, sehr klare Worte zu finden. Er habe versucht, Erdogan die Bedenken Österreichs
auch in einem persönlichen Gespräch zu vermitteln und dabei zum Ausdruck gebracht, dass sein Verhalten
den Integrationsbemühungen geschadet habe. Denn gerade für Österreicher mit türkischen Wurzeln
sei es oft eine Herausforderung, sich in Österreich heimisch zu fühlen und mit der Tatsache umzugehen,
verschiedene Identitäten in sich vereinen, hob Kurz hervor. Was die vom Abgeordneten Johannes Hübner
angesprochene Problematik angeht, dass offenbar sehr viele Personen nach Zurücklegung ihrer türkischen
Staatsbürgerschaft (und der Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft) diese neuerlich beantragen,
so betreibe sein Ressort eine umfassende Informations- und Aufklärungspolitik in dieser Frage. Sollte ein
österreichischer Staatsbürger eine zweite Staatsbürgerschaft annehmen, dann werde ihm die österreichische
aberkannt; dies wurde in der Vergangenheit auch immer wieder exekutiert.
Christoph Hagen vom Team Stronach lobte den Außenminster dafür, klare Worte in Bezug auf den Besuch
von Erdogan gefunden zu haben. Eine ähnliche klare Haltung erwarte er sich aber auch in Bezug auf jene Personen,
die von Österreich aus als "Freiheitskämpfer" nach Syrien gehen. Kurz informierte in diesem
Zusammenhang darüber, dass gemeinsam mit dem Justiz- und Innenressort dazu ein Maßnahmenpaket geschnürt
wurde, da die sogenannten "foreign fighters" als extreme Bedrohung eingestuft werden. Wichtig war ihm
vor allem, dass deren Taten in Österreich strafbar sind, auch wenn sie im Ausland stattfinden.
Kritik der Opposition an den Budgets für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit
Bundesminister Sebastian Kurz hielt es für sehr positiv, dass angesichts der zahlreichen Krisenherde in der
Welt, im Regierungsprogramm der Vorsatz gefasst wurde, den Auslandskatastrophenfonds auf 20 Mio. € aufzustocken.
Aufgrund der angespannten budgetären Situation war diese Erhöhung bis dato leider noch nicht möglich,
informierte er die Fragestellerin Tanja Windbüchler-Souschill von den Grünen. Auch die begrenzte Möglichkeit,
Rücklagen aufzulösen, wurde schon voll und ganz ausgeschöpft. Weiters berichtete Kurz über
die österreichische Hilfe im Rahmen der Hochwasserkatastrophe in Serbien und Bosnien, wo etwa 1 Mio. € für
Wiederaufbauprojekte zur Verfügung gestellt wurden (Frage des ÖVP-Mandatars Franz-Joseph Huainigg).
Abgeordneter Christoph Vavrik (N) bedauerte, dass die Mittel für die bilaterale EZA nicht nur auf einem sehr
niedrigen Niveau gehalten, sondern im nächsten Jahr sogar noch gekürzt werden sollen. Vor diesem Hintergrund
sei eine sehr starke Prioritätensetzung noch dringender notwendig, meinte er. Außenminister Kurz schloss
sich dieser Meinung an und gab bekannt, dass sein Ressort sich dazu entschieden hat, den außenpolitischen
Schwerpunkt West-Balkan auch im Bereich der EZA prioritär zu behandeln. Aus diesem Grund wurden die Mittel
für diese Region verdoppelt. Erfreulich sei, dass Albanien, das in den letzten Jahren schwierige und notwendige
Reformen angegangen ist, nun den EU-Kandidatenstatus erhalten hat. Er hoffe, dass dieses Signal als Reformmotor
verstanden wird und die Bemühungen im Land weiter intensiv fortgesetzt werden.
Was die weiteren Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit angeht, so werde man einen stärkeren Fokus auf
sicherheits- und migrationspolitische Ansätze legen, führte der Minister aus. Schließlich soll
noch die Kooperation mit privaten Unternehmen ausgebaut werden, weil dadurch Projekte ermöglicht werden, die
aufgrund der budgetären Vorgaben sonst nicht realisierbar wären.
In Beantwortung einer Frage der Abgeordneten Gisela Wurm (S) bezüglich der Schwerpunkte der österreichischen
Außenpolitik in Lateinamerika berichtet Kurz darüber, dass ein regelmäßiger politischer Dialog
mit Mexiko, Brasilien, Argentinien, Peru und Chile gepflegt werde. Was Kuba angeht, so werde der 2006 begonnene
Dialog vor allem über die unbefriedigende Menschenrechtssituation im Herbst fortgesetzt. Außerdem laufen
gerade Vorbereitungen für den nächsten Gipfel der EU mit den lateinamerikanischen und karibischen Staaten
im Frühjahr 2015. Von österreichischer Seite werden dabei vor allem die Themen Menschenrechte, Frauen
und Demokratie eingebracht.
Weitere Themen: Integration, Burka-Verbot, Alpenraumstrategie, Autobahn-Maut in Deutschland
Von Seiten der FPÖ wurde auch heute wieder das Burka-Verbot thematisiert. Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F) erkundigte sich beim Minister, welche Initiativen er anlässlich der positiven Entscheidung des Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte zum Burkaverbot auf europäischer Ebene als logische Weiterführung
der bisherigen Antidiskriminierungspolitik der Europäischen Union in Aussicht nehmen wolle. Außenminister
Kurz vertrat die Ansicht, dass das Tragen einer Burka definitv integrationshinderlich sei. Da es aber nur sehr
wenige Frauen in Österreich gibt, die Burka tragen, sollte man künstliche Debatten über Verbote
oder ähnliches vermeiden. Die meisten Burka-Trägerinnen sind nämlich Touristinnen, die in Zell am
See und am Kohlmarkt sehr viel Geld ausgeben. Aus integrationspolitischer Sicht gebe es wichtigere Themen und Herausforderungen,
wie z.B. die Frage des Erwerbs der deutschen Sprache, die bessere Integration der Jugendlichen oder Respekt vor
Österreich und seinen Werthaltungen, derer man sich annehmen müsse.
Schließlich nahm Kurz noch zu den von den Abgeordneten Jessi Lintl (T) und Anton Heinzl (S) aufgeworfenen
Fragen bezüglich der deutschen Autobahnmaut für Ausländer Stellung. Da für ein Zusammenrücken
innerhalb Europas eine ungehinderte Mobilität Voraussetzung sei, werden man genau prüfen lassen, ob diese
Einschränkung europarechtskonform ist und gegebenenfalls dann die EU-Institutionen damit befassen.
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