Ein Viertel der Angeordneten kann U-Ausschuss beantragen, Verfassungsgerichtshof als Streitschlichtungsstelle
Wien (pk) - Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als ein Recht der parlamentarischen Minderheit
ist nun fix. Fünf der sechs Fraktionen - SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS - haben sich am
10.07. nach langen und schwierigen Verhandlungen auf eine Punktation geeinigt, die im Wesentlichen keine Fehlinterpretation
für die nun folgende legistische Ausarbeitung zulässt, wurde seitens der Klubobleute betont. Es handle
sich um einen guten Kompromiss, um eine Balance zwischen Minderheits- und Mehrheitsrechten.
Geplant ist, bis zum September einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, um diesen möglichst noch heuer
beschließen zu können. Damit stünde einem Hypo-Untersuchungsausschuss noch in diesem Jahr nichts
mehr im Wege.
Die Eckpunkte der Regelung für künftige U-Ausschüsse
Künftig wird ein Viertel der Abgeordneten einen Untersuchungsausschuss einsetzen können. Weitere U-Ausschüsse
können parallel mit Mehrheitsbeschluss eingesetzt werden. Die Beweisaufnahme im U-Ausschuss soll nicht länger
als 12 Monate dauern, der Abschlussbericht ist innerhalb von 14 Monaten nach Einsetzung im Plenum des Nationalrats
zu behandeln. Es besteht jedoch Übereinkunft, den U-Ausschuss zwei Mal um jeweils drei Monate verlängern
zu können.
Die U-Ausschüsse sollen permanent tagen, in der Regel sind mindestens vier Sitzungen pro Monat vorgesehen.
Um zu verhindern, dass Verhandlungen in U-Ausschüssen in den Wahlkampf hineingezogen werden, wurde vereinbart,
den Bericht eines U-Ausschusses spätestens am 83. Tag vor dem letztmöglichen Wahltag im Plenum zu behandeln.
Sollte die Gesetzgebungsperiode vorzeitig beendet werden, hat die Berichterstattung im Plenum spätestens vier
Wochen nach dem Auflösungsbeschluss des Nationalrats zu erfolgen.
Den Vorsitz wird die Präsidentin bzw. der Präsident des Nationalrats führen, eine Vertretung durch
die beiden anderen PräsidentInnen ist möglich. Sollte das Präsidium verzichten, wird von diesem
ein/e VertreterIn bestimmt.
Es ist ferner dafür gesorgt, dass nicht nur die Einsetzung eines U-Ausschusses als Minderheitsrecht ausgestaltet
ist, sondern der Minderheit auch im Verfahren Rechte bei der Ladung von Auskunftspersonen sowie bei der Anforderung
von Beweismitteln gesichert werden. Auskunftspersonen können auch auf Verlangen eines Viertels der Ausschussmitglieder
geladen werden, mit der Einschränkung, dass ein und die selbe Person nicht mehr als zwei Mal zum Kommen aufgefordert
werden darf. Eine dritte Ladung soll nur mit Mehrheit zulässig sein.
Ähnliches gilt für die Anforderung von Beweismitteln, die ebenfalls einem Viertel der Ausschussmitglieder
zusteht. Sollte die Mehrheit die Auffassung vertreten, dass kein sachlicher Zusammenhang zwischen den angeforderten
Beweismitteln und dem Untersuchungsgegenstand besteht, so wird der Verfassungsgerichtshof als Streitschlichtungsstelle
herangezogen. Dieser soll rasch entscheiden.
Zudem wird für den U-Ausschuss ein/e VerfahrensrichterIn bestellt, der/die im Auftrag des bzw. der Vorsitzenden
die Erstbefragung der Auskunftspersonen durchführt und mit beratender Stimme im Ausschuss anwesend ist. Er/Sie
sorgt vor allem für Sachlichkeit und Rechtskonformität. Um die Grund- und Persönlichkeitsrechte
der Auskunftspersonen zu schützen, wird auch in Zukunft ein Verfahrensanwalt bzw. eine Verfahrensanwältin
dem Ausschuss zur Verfügung stehen. Bei den Auskunftspersonen wird zwischen "öffentlichen Personen"
und "nichtöffentlichen Personen" unterschieden, wobei letztere einen besonderen Schutz genießen.
Die U-Ausschüsse bleiben wie bisher medienöffentlich.
Die Immunität der Abgeordneten soll bei wissentlicher Verleumdung und Geheimnisverrat nicht mehr gelten. Dieser
Punkt war in den Verhandlungen ein besonders sensibler, da von Seiten der Opposition Befürchtungen bestanden,
Abgeordnete mundtot machen zu wollen.
Größte Reform im Kontrollbereich seit Jahrzehnten
Die anwesenden Klubobleute zeigten sich mit dem gefundenen Kompromiss höchst zufrieden. Man habe die Grundlage
für ein neues verbessertes Verfahren erarbeitet, das die parlamentarische Arbeit in diesem Bereich neu aufstellen
werde, ist Andreas Schieder (S) überzeugt. Im Zentrum der Untersuchungsausschüsse muss laut Reinhold
Lopatka (V) die Wahrheitsfindung und Aufklärung und nicht das Spektakel stehen. Die neuen Regeln werden dazu
ihren Beitrag leisten, meinte er.
Es sei wichtig, dass die Minderheit nun das Recht bekommt, die Mehrheit zu kontrollieren und dass der U-Ausschuss
auch nicht mehr abgedreht werden kann, begründete Heinz-Christian Strache (F) seine Zustimmung. Es habe zwar
sechs Jahre lang gedauert, bis man zu einem Ergebnis gekommen ist, der Druck der Opposition und der BürgerInnen
habe dazu geführt, dass Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist.
Als die größte Reform der Kontrollrechte seit Jahrzehnten bezeichnete Dieter Brosz (G) die Fünf-Parteien-Einigung.
Der Deutsche Bundestag beweise, dass man mit einem solchen Minderheitsrecht umgehen kann, sagte er. Er begrüßte
vor allem den Streitschlichtungsmechanismus. Das Recht gehe davon aus, was der Verfassungsgerichtshof entscheidet
und nicht, was die Mehrheit will. Von der künftigen Konstruktion erwartet er sich, dass man weg von einer
Streitkultur und hin zu einer Haltung kommt, in der Kontrolle Normalität ist.
Ein "goldenes Parlamentsfinale" nannte Matthias Strolz (N) den Kompromiss. Es sei ein guter Tag für
Österreich und ein Sieg der BürgerInnen. Wie Strache glaubt auch er, dass die Einigung ohne die 250.000
Unterschriften für die Petitionen und Bürgerinitiative nicht möglich gewesen wäre.
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