Österreich soll bis 2020 um 50 Petajoule
 weniger Energie verbrauchen

 

erstellt am
10. 07. 14
10.00 MEZ

Mehr Energieeffizienz hilft Umwelt, Betrieben und armen Menschen
Wien (pk) - Von einem "Meilenstein der österreichischen Energiepolitik" sprachen Abgeordnete der Regierungsparteien, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Sprecherinnen der Grünen, als der Nationalrat am 09.07. das Energieeffizienzpaket des Bundes debattierte und beschloss. Während die FPÖ das Gesetz als ein "bürokratisches Monster" ablehnte, fanden Abgeordnete von FPÖ, NEOS und Team Stronach auch Positives und anerkennende Worte für das Ergebnis "harter Verhandlungen in einer komplexen Materie". Der Beschluss erfolgte in namentlicher Abstimmung bei 172 abgegebenen Stimmen mit 117 Ja-Stimmen gegen 55 Nein-Stimmen unter Berücksichtigung eines SPÖ-ÖVP-Grünen- Abänderungsantrages. Dieser fixierte insbesondere Energieeinsparziele: Bis 2020 soll der Energieverbrauch Österreichs von derzeit 1100 Petajoule auf 1050 Petajoule gesenkt werden. Die Einsparung entspricht der Jahresproduktion von 14 Donaukraftwerken. Große Energielieferanten werden zu Maßnahmen verpflichtet, die die Energieeffizienz jährlich um 0,6% des durchschnittlichen Energieverbrauchs des Vorjahres senken und sie müssen überdies Energieeffizienz-Ombudsstellen für ihre KundInnen einrichten und sich zu Energie-Dienstleistern weiterentwickeln, verlangen die Abgeordneten.

Eine komplexe Materie mit ökonomisch-ökologischen und sozialen Zielen
Einsparungsziele im Ausmaß von 125 Gigawattstunden werden auch der Bundesimmobiliengesellschaft vorgeschrieben. Bei Sanierung und Neubau öffentlicher Gebäude dürfen künftig nur erneuerbare Energieträger verwendet werden. Bei Effizienzmaßnahmen im Wohnungssektor gilt der Einbau von Öl-Heizungen ab 2018 nicht mehr als Effizienzmaßnahme. Mit dem Energieeffizienzpaket verfolgt der Nationalrat aber nicht nur ökologisch-ökonomische, sondern auch soziale Ziele. Im Hinblick auf das Phänomen der "Energiearmut" sollen 40% der Energieeffizienzmaßnahmen privaten Haushalten zugute kommen; Verbesserungen für einkommensschwache Haushalte werden bei der Bewertung der Maßnahmen stärker gewichtet.

Energieerzeugung mittels hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungen soll im europäisch zulässigen Rahmen unterstützt und die Fernwärmeversorgung in Österreich abgesichert werden. Die Förderung von Kraft-Wärme-Kopplungen für den Ausbau von Wärme- und Kälteleitungen wird von jährlich 60 Mio. € aus nicht verbrauchtem Sondervermögen einmalig um 13 Mio. € erhöht und das Programm mit zusätzlichen Mittel aus der Ökostrompauschale bis 2020 verlängert. Außerdem werden 20 Mio. € an Energieeffizienz-Fördermitteln aus dem von der Energie-Control verwalteten Sondervermögen freigemacht. - Der Beschluss erfolgte unter Berücksichtigung des genannten ÖVP-SPÖ-Grünen-Abänderungsantrages mit der laut Verfassung gebotenen Zweidrittel-Mehrheit. Ein Entschließungsantrag von SPÖ, ÖVP und Grünen zielte auf eine Novelle zum Umweltförderungsgesetz und ein Energieeffizienzförderungsprogramm, das über das Energieeffizienzpaket hinaus allen LieferantInnen und VerbraucherInnen Anreize für eine effizientere Nutzung von Energie geben soll. Als Ziel gilt die Entkoppelung von Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum.

FPÖ kritisiert zu viel Bürokratie
Mit heftiger Kritik an dem vorliegenden Gesetzespaket eröffnete Abgeordneter Bernhard Themessl (F) die Debatte. Grundsätzliche politische Widersprüche ortete der FPÖ-Abgeordnete bereits beim Urheber, der EU. Europa wolle sich zwar wieder industrialisieren, belaste aber zugleich die Wirtschaft und treibe - zur Freude der USA und Chinas - Betriebe in die Abwanderung. Die FPÖ lehne bürokratische Belastungen der Wirtschaft unter dem Titel Energieeffizienz ab. Betriebe sparten ohnedies Energie, weil diese einen Kostenfaktor darstelle. Die Wirtschaft braucht keine Strafandrohungen und auch keine teuren Monitoringstellen. Was Österreich brauche, sei ein Energiemasterplan - dieser fehle aber nach wie vor, klagte Themesssl.

ÖVP: Energieeffizienz braucht Standards
Das vorliegende Paket fördere den Einsatz erneuerbarer Energieträger, reduziere den CO2-Ausstoß und erhöhe die Energieeffizienz. Es sei auch notwendig, um eine EU-Richtlinie umzusetzen, fügte Abgeordneter Josef Lettenbichler (V) hinzu und stellte gegenüber der FPÖ fest, nirgendwo in Europa komme man bei der Durchsetzung von Energieeffizienz-Standards ohne Verpflichtungssysteme aus. Der langwierige Verhandlungsprozess habe zu deutlichen Verbesserungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs geführt, sagte der Abgeordnete und wies auf die Herausnahme von KMU und auf die Möglichkeit hin, Verpflichtungen durch Ausgleichszahlungen zu erfüllen, wobei das eingezahlte Geld für Umweltförderungen zweckgewidmet sei. Lettenbichler brachte den genannten ÖVP-SPÖ-Grünen-Abänderungsantrag mit verpflichtenden Energieeinsparungszielen, einem jährliche Monitoringbericht, Übergangslösungen und Ausgleichszahlungen sowie den Entschließungsantrag zur Novellierung des Umweltförderungsgesetzes in die Debatte ein.

Team Stronach zum Energieeffizienzpaket: Ein Monster mit Milchzähnen
Sehr differenziert betrachtete Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (T) das Energieeffizienzpaket. Die Vorgangsweise bei den Verhandlungen zum Abänderungsantrag kritisierte sie als unprofessionell, weil die knappe Zeit eine genaues Studium der umfangreichem Abänderungen nicht zuließ. Immerhin sei es den Grünen gelungen, dass "Monster" wenigstens mit "ein Paar Milchzähnen" auszustatten: Erneuerbare Energieträger werden bevorzugt, die Förderungen von Ölheizungen laufe, wenn auch erst 2018, aus und die Bundesimmobiliengesellschaft werde in die Energieeffizienzmaßnahmen einbezogen. Die Abgeordnete kritisierte aber die Kosten, die dieses Gesetzesmonster Unternehmen, Haushalten und Konsumenten bringen werde. Der Weg sei richtig, es müssten aber noch viele weitere Schritte folgen, resümierte Weigerstorfer.

Freude der SPÖ über Maßnahmen gegen Energiearmut
Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) gab seiner Freude über das Ergebnis zweieinhalbjähriger schwieriger Verhandlungen zwischen Parteien und Gruppen mit unterschiedlichen Interessen in einer komplexen Materie zum Ausdruck. Fortschritte bei der Energieeffizienz seien wichtig und unverzichtbar, betonte der Redner und erinnerte an eine einstimmige Entschließung des Nationalrates, eine EU-Richtlinie, zwei Regierungsvorlagen und ein ausführliches Begutachtungsverfahren. Das Ergebnis sei ein Kompromiss zwischen Anliegen des Klimaschutzes und Interessen der Wirtschaft sowie der KonsumentInnen. Stolz zeigte sich der Abgeordnete darauf, dass es gelungen sei, ambitionierte Maßnahmen gegen das Phänomen der Energiearmut gesetzlich zu verankern. "Wir haben ein gutes und zielführendes Ergebnis erzielt", freute sich Katzian.

NEOS sehen wenig Licht und viel Schatten
Demgegenüber sprach Abgeordneter Michael Pock (N) von einer wenig ambitionierten Umsetzung einer EU-Richtlinie. Langfristige Investitionen würden diskriminiert, weil das Energieeffizienzgesetz nur bis 2020 laufe. Energielieferanten müssten mit Kosten von bis 400 Mio. € rechnen, was befürchten lasse, dass diese auf die Konsumenten abgewälzt würden. Das Ziel eines Energieverbrauchs von 1050 Petajoule sei falsch, weil zwar das BIP-Wachstum, nicht aber das Bevölkerungswachstum vom Energieverbrauch abgekoppelt sei. Dringend benötigte neue Berufsbilder fehlten ebenso wie ein Fonds, der -gespeist aus der Mineralölsteuer und der Energieabgabe - die Kosten des Gesetzes finanziere. Lob spendete Michael Pock den Grünen für deren Engagement zugunsten von Ausgleichszahlungen und für die Einbeziehung der BIG in Energieeffizienzmaßnahmen.

Grüne: Ein Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende
Als einen Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende sah Abgeordnete Christiane Brunner (G) das Energieeffizienzgesetz. Dieses Gesetz bringe klare Zielsetzungen bei der Reduktion des Energieverbrauchs, weise Energielieferanten den Weg in eine Zukunft als Energiedienstleister und entlaste Menschen und Wirtschaft von den hohen Kosten teurer Energieimporte und vermindere die Importabhängigkeit. Das Paket umfasse Ökostandards bei der verpflichtenden Sanierung öffentlicher Gebäude, fördere die Verwendung erneuerbarer Energieträger und nehme Ölheizungen ab 2018 von Energieeffizienzmaßnahmen aus. Die Obfrau des Umweltausschusses begrüßte ausdrücklich auch die neuen energiepolitische Zuständigkeit des Umweltministers und drängte einmal mehr auf weitere Maßnahmen etwas auf eine CO2-Steuer.

Mitterlehner: Energieeffizienz verbessert die Wettbewerbsfähigkeit
Dieses Energieeffizienzpaket stelle tatsächlich einen Meilenstein in der österreichischen Energiepolitik dar, sagte auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Bei der Steigerung der Energieeffizienz kommen man nicht nur mit Anreizen aus, sondern brauche verpflichtende Standards, hielt der Minister fest und betonte, dies gelte auch für Deutschland. Es sei vernünftig den Energielieferanten eine neue Rolle zuzuweisen und sie zu beauftragen, bei ihren Kunden auf eine effiziente Nutzung der Energie zu achten. Das Energieeffizienzpaket sei vernünftig, richtungsweisend und setze ambitionierte Ziele bei der Senkung des Energieverbrauchs. Die jährlichen Berichte über die Umsetzung seien wichtig und werden die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, zeigte sich der Wirtschaftsminister überzeugt.

Den Vorwurf einer Überbürokratisierung wies der Minister zurück. Ein Überwälzen von Kosten auf die KonsumentInnen sei auszuschließen. Ölheizungen würden nicht verboten und niemand diskriminiert, aber doch deutlich gemacht, dass wir langsam und in einem vernünftigen Übergangszeitraum aus den fossilen Energieträgern herauskommen wollen. Die Monitoringstelle hielt der Minister für ebenso notwendig wie den Ausgleichsmechanismus für Lieferanten. Es handle sich um ein komplexes Gesetz, hielt der Minister fest und sprach allen, die daran mitgearbeitet haben, insbesondere auch Abgeordneter Christiane Brunner, Dank und Anerkennung aus.

In einer weiteren Verhandlungsrunde kritisierte Abgeordneter Axel Kassegger (F) die Rolle Österreichs als EU-Musterschüler und lehnte die Entwicklung eines teuren Strafsystems für Betriebe ab, die aus Eigeninteresse ohnehin an einem effizienten Umgang mit Energie interessiert seien. Von einem vernünftigen einfachen Gesetz, das BürgerInnen und kleine Betriebe aus Formalismen heraushalte, sprach hingegen Abgeordneter Hermann Schultes (V). Abgeordneter Christoph Matznetter (S) nannte die strenge, aber erfolgreiche Vorarlberger Bauordnung mit Energieeffizienzvorgaben für "Passivhäuser", der viele VorarlbergerInnen geringere Energiekosten verdankten, als Beweis für den Sinn von Energieeffizienzvorschriften. Abgeordneter Bernhard Themessl (F) widersprach: Die Auflagenflut rund um das Passivhaus habe dazu geführt, dass sich Normalbürger im Ländle keine Passivhäuser mehr leisten könnten. Wer Leitbetriebe belaste, belaste auch KMU, die von der Zulieferung an die Leitbetriebe leben. Europa könne das Weltklima nicht retten, auch wenn es alle seine Betriebe in die USA oder nach China vertreibe. Dieser Darstellung Themessls widersprach der Wirtschaftsminister entschieden.

Gemeinsame Ziele von Ökologie und Ökonomie
Abgeordneter Wolfgang Pirklgruber (G) stimmte mit dem Wirtschaftsminister darin überein, dass es wichtig sei, die Ressourceneffizienz zu verbessern und ökonomische und ökologische Ziele gemeinsam zu verfolgen. Jährliche Berichte werden es erlauben, in den Ausschüssen die Fortschritte in der Energieeffizienz zu beobachten. Auch Abgeordnete Angelika Winzig (V) unterstrich die Notwendigkeit, Energie effizient zu nutzen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts zu wahren und zu steigern. Die Betriebe würden in kein unnötiges Korsett gezwungen, es habe Augenmaß, nehme viele Betriebe aus und sehe eine schuldbefreiende Ausgleichszahlung bei Nichterreichen von Effizienzzielen vor. Schließlich meinte auch Abgeordneter Peter Haubner (V), es sei in guten Gesprächen gelungen, einen vernünftigen Ausgleich zu finden und eine Belastung der Betriebe zu vermeiden. "Dieses Gesetz hat Maß und Ziel", schloss Haubner.

 

 

 

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