Mehr Energieeffizienz hilft Umwelt, Betrieben und armen Menschen
Wien (pk) - Von einem "Meilenstein der österreichischen Energiepolitik" sprachen Abgeordnete
der Regierungsparteien, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Sprecherinnen der Grünen, als der Nationalrat
am 09.07. das Energieeffizienzpaket des Bundes debattierte und beschloss. Während die FPÖ das Gesetz
als ein "bürokratisches Monster" ablehnte, fanden Abgeordnete von FPÖ, NEOS und Team Stronach
auch Positives und anerkennende Worte für das Ergebnis "harter Verhandlungen in einer komplexen Materie".
Der Beschluss erfolgte in namentlicher Abstimmung bei 172 abgegebenen Stimmen mit 117 Ja-Stimmen gegen 55 Nein-Stimmen
unter Berücksichtigung eines SPÖ-ÖVP-Grünen- Abänderungsantrages. Dieser fixierte insbesondere
Energieeinsparziele: Bis 2020 soll der Energieverbrauch Österreichs von derzeit 1100 Petajoule auf 1050 Petajoule
gesenkt werden. Die Einsparung entspricht der Jahresproduktion von 14 Donaukraftwerken. Große Energielieferanten
werden zu Maßnahmen verpflichtet, die die Energieeffizienz jährlich um 0,6% des durchschnittlichen Energieverbrauchs
des Vorjahres senken und sie müssen überdies Energieeffizienz-Ombudsstellen für ihre KundInnen einrichten
und sich zu Energie-Dienstleistern weiterentwickeln, verlangen die Abgeordneten.
Eine komplexe Materie mit ökonomisch-ökologischen und sozialen Zielen
Einsparungsziele im Ausmaß von 125 Gigawattstunden werden auch der Bundesimmobiliengesellschaft vorgeschrieben.
Bei Sanierung und Neubau öffentlicher Gebäude dürfen künftig nur erneuerbare Energieträger
verwendet werden. Bei Effizienzmaßnahmen im Wohnungssektor gilt der Einbau von Öl-Heizungen ab 2018
nicht mehr als Effizienzmaßnahme. Mit dem Energieeffizienzpaket verfolgt der Nationalrat aber nicht nur ökologisch-ökonomische,
sondern auch soziale Ziele. Im Hinblick auf das Phänomen der "Energiearmut" sollen 40% der Energieeffizienzmaßnahmen
privaten Haushalten zugute kommen; Verbesserungen für einkommensschwache Haushalte werden bei der Bewertung
der Maßnahmen stärker gewichtet.
Energieerzeugung mittels hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungen soll im europäisch zulässigen Rahmen
unterstützt und die Fernwärmeversorgung in Österreich abgesichert werden. Die Förderung von
Kraft-Wärme-Kopplungen für den Ausbau von Wärme- und Kälteleitungen wird von jährlich
60 Mio. € aus nicht verbrauchtem Sondervermögen einmalig um 13 Mio. € erhöht und das Programm mit zusätzlichen
Mittel aus der Ökostrompauschale bis 2020 verlängert. Außerdem werden 20 Mio. € an Energieeffizienz-Fördermitteln
aus dem von der Energie-Control verwalteten Sondervermögen freigemacht. - Der Beschluss erfolgte unter Berücksichtigung
des genannten ÖVP-SPÖ-Grünen-Abänderungsantrages mit der laut Verfassung gebotenen Zweidrittel-Mehrheit.
Ein Entschließungsantrag von SPÖ, ÖVP und Grünen zielte auf eine Novelle zum Umweltförderungsgesetz
und ein Energieeffizienzförderungsprogramm, das über das Energieeffizienzpaket hinaus allen LieferantInnen
und VerbraucherInnen Anreize für eine effizientere Nutzung von Energie geben soll. Als Ziel gilt die Entkoppelung
von Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum.
FPÖ kritisiert zu viel Bürokratie
Mit heftiger Kritik an dem vorliegenden Gesetzespaket eröffnete Abgeordneter Bernhard Themessl (F) die Debatte.
Grundsätzliche politische Widersprüche ortete der FPÖ-Abgeordnete bereits beim Urheber, der EU.
Europa wolle sich zwar wieder industrialisieren, belaste aber zugleich die Wirtschaft und treibe - zur Freude der
USA und Chinas - Betriebe in die Abwanderung. Die FPÖ lehne bürokratische Belastungen der Wirtschaft
unter dem Titel Energieeffizienz ab. Betriebe sparten ohnedies Energie, weil diese einen Kostenfaktor darstelle.
Die Wirtschaft braucht keine Strafandrohungen und auch keine teuren Monitoringstellen. Was Österreich brauche,
sei ein Energiemasterplan - dieser fehle aber nach wie vor, klagte Themesssl.
ÖVP: Energieeffizienz braucht Standards
Das vorliegende Paket fördere den Einsatz erneuerbarer Energieträger, reduziere den CO2-Ausstoß
und erhöhe die Energieeffizienz. Es sei auch notwendig, um eine EU-Richtlinie umzusetzen, fügte Abgeordneter
Josef Lettenbichler (V) hinzu und stellte gegenüber der FPÖ fest, nirgendwo in Europa komme man bei der
Durchsetzung von Energieeffizienz-Standards ohne Verpflichtungssysteme aus. Der langwierige Verhandlungsprozess
habe zu deutlichen Verbesserungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs geführt, sagte der Abgeordnete und
wies auf die Herausnahme von KMU und auf die Möglichkeit hin, Verpflichtungen durch Ausgleichszahlungen zu
erfüllen, wobei das eingezahlte Geld für Umweltförderungen zweckgewidmet sei. Lettenbichler brachte
den genannten ÖVP-SPÖ-Grünen-Abänderungsantrag mit verpflichtenden Energieeinsparungszielen,
einem jährliche Monitoringbericht, Übergangslösungen und Ausgleichszahlungen sowie den Entschließungsantrag
zur Novellierung des Umweltförderungsgesetzes in die Debatte ein.
Team Stronach zum Energieeffizienzpaket: Ein Monster mit Milchzähnen
Sehr differenziert betrachtete Abgeordnete Ulrike Weigerstorfer (T) das Energieeffizienzpaket. Die Vorgangsweise
bei den Verhandlungen zum Abänderungsantrag kritisierte sie als unprofessionell, weil die knappe Zeit eine
genaues Studium der umfangreichem Abänderungen nicht zuließ. Immerhin sei es den Grünen gelungen,
dass "Monster" wenigstens mit "ein Paar Milchzähnen" auszustatten: Erneuerbare Energieträger
werden bevorzugt, die Förderungen von Ölheizungen laufe, wenn auch erst 2018, aus und die Bundesimmobiliengesellschaft
werde in die Energieeffizienzmaßnahmen einbezogen. Die Abgeordnete kritisierte aber die Kosten, die dieses
Gesetzesmonster Unternehmen, Haushalten und Konsumenten bringen werde. Der Weg sei richtig, es müssten aber
noch viele weitere Schritte folgen, resümierte Weigerstorfer.
Freude der SPÖ über Maßnahmen gegen Energiearmut
Abgeordneter Wolfgang Katzian (S) gab seiner Freude über das Ergebnis zweieinhalbjähriger schwieriger
Verhandlungen zwischen Parteien und Gruppen mit unterschiedlichen Interessen in einer komplexen Materie zum Ausdruck.
Fortschritte bei der Energieeffizienz seien wichtig und unverzichtbar, betonte der Redner und erinnerte an eine
einstimmige Entschließung des Nationalrates, eine EU-Richtlinie, zwei Regierungsvorlagen und ein ausführliches
Begutachtungsverfahren. Das Ergebnis sei ein Kompromiss zwischen Anliegen des Klimaschutzes und Interessen der
Wirtschaft sowie der KonsumentInnen. Stolz zeigte sich der Abgeordnete darauf, dass es gelungen sei, ambitionierte
Maßnahmen gegen das Phänomen der Energiearmut gesetzlich zu verankern. "Wir haben ein gutes und
zielführendes Ergebnis erzielt", freute sich Katzian.
NEOS sehen wenig Licht und viel Schatten
Demgegenüber sprach Abgeordneter Michael Pock (N) von einer wenig ambitionierten Umsetzung einer EU-Richtlinie.
Langfristige Investitionen würden diskriminiert, weil das Energieeffizienzgesetz nur bis 2020 laufe. Energielieferanten
müssten mit Kosten von bis 400 Mio. € rechnen, was befürchten lasse, dass diese auf die Konsumenten abgewälzt
würden. Das Ziel eines Energieverbrauchs von 1050 Petajoule sei falsch, weil zwar das BIP-Wachstum, nicht
aber das Bevölkerungswachstum vom Energieverbrauch abgekoppelt sei. Dringend benötigte neue Berufsbilder
fehlten ebenso wie ein Fonds, der -gespeist aus der Mineralölsteuer und der Energieabgabe - die Kosten des
Gesetzes finanziere. Lob spendete Michael Pock den Grünen für deren Engagement zugunsten von Ausgleichszahlungen
und für die Einbeziehung der BIG in Energieeffizienzmaßnahmen.
Grüne: Ein Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende
Als einen Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende sah Abgeordnete Christiane Brunner (G) das Energieeffizienzgesetz.
Dieses Gesetz bringe klare Zielsetzungen bei der Reduktion des Energieverbrauchs, weise Energielieferanten den
Weg in eine Zukunft als Energiedienstleister und entlaste Menschen und Wirtschaft von den hohen Kosten teurer Energieimporte
und vermindere die Importabhängigkeit. Das Paket umfasse Ökostandards bei der verpflichtenden Sanierung
öffentlicher Gebäude, fördere die Verwendung erneuerbarer Energieträger und nehme Ölheizungen
ab 2018 von Energieeffizienzmaßnahmen aus. Die Obfrau des Umweltausschusses begrüßte ausdrücklich
auch die neuen energiepolitische Zuständigkeit des Umweltministers und drängte einmal mehr auf weitere
Maßnahmen etwas auf eine CO2-Steuer.
Mitterlehner: Energieeffizienz verbessert die Wettbewerbsfähigkeit
Dieses Energieeffizienzpaket stelle tatsächlich einen Meilenstein in der österreichischen Energiepolitik
dar, sagte auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Bei der Steigerung der Energieeffizienz kommen man nicht
nur mit Anreizen aus, sondern brauche verpflichtende Standards, hielt der Minister fest und betonte, dies gelte
auch für Deutschland. Es sei vernünftig den Energielieferanten eine neue Rolle zuzuweisen und sie zu
beauftragen, bei ihren Kunden auf eine effiziente Nutzung der Energie zu achten. Das Energieeffizienzpaket sei
vernünftig, richtungsweisend und setze ambitionierte Ziele bei der Senkung des Energieverbrauchs. Die jährlichen
Berichte über die Umsetzung seien wichtig und werden die Wettbewerbsfähigkeit verbessern, zeigte sich
der Wirtschaftsminister überzeugt.
Den Vorwurf einer Überbürokratisierung wies der Minister zurück. Ein Überwälzen von Kosten
auf die KonsumentInnen sei auszuschließen. Ölheizungen würden nicht verboten und niemand diskriminiert,
aber doch deutlich gemacht, dass wir langsam und in einem vernünftigen Übergangszeitraum aus den fossilen
Energieträgern herauskommen wollen. Die Monitoringstelle hielt der Minister für ebenso notwendig wie
den Ausgleichsmechanismus für Lieferanten. Es handle sich um ein komplexes Gesetz, hielt der Minister fest
und sprach allen, die daran mitgearbeitet haben, insbesondere auch Abgeordneter Christiane Brunner, Dank und Anerkennung
aus.
In einer weiteren Verhandlungsrunde kritisierte Abgeordneter Axel Kassegger (F) die Rolle Österreichs als
EU-Musterschüler und lehnte die Entwicklung eines teuren Strafsystems für Betriebe ab, die aus Eigeninteresse
ohnehin an einem effizienten Umgang mit Energie interessiert seien. Von einem vernünftigen einfachen Gesetz,
das BürgerInnen und kleine Betriebe aus Formalismen heraushalte, sprach hingegen Abgeordneter Hermann Schultes
(V). Abgeordneter Christoph Matznetter (S) nannte die strenge, aber erfolgreiche Vorarlberger Bauordnung mit Energieeffizienzvorgaben
für "Passivhäuser", der viele VorarlbergerInnen geringere Energiekosten verdankten, als Beweis
für den Sinn von Energieeffizienzvorschriften. Abgeordneter Bernhard Themessl (F) widersprach: Die Auflagenflut
rund um das Passivhaus habe dazu geführt, dass sich Normalbürger im Ländle keine Passivhäuser
mehr leisten könnten. Wer Leitbetriebe belaste, belaste auch KMU, die von der Zulieferung an die Leitbetriebe
leben. Europa könne das Weltklima nicht retten, auch wenn es alle seine Betriebe in die USA oder nach China
vertreibe. Dieser Darstellung Themessls widersprach der Wirtschaftsminister entschieden.
Gemeinsame Ziele von Ökologie und Ökonomie
Abgeordneter Wolfgang Pirklgruber (G) stimmte mit dem Wirtschaftsminister darin überein, dass es wichtig sei,
die Ressourceneffizienz zu verbessern und ökonomische und ökologische Ziele gemeinsam zu verfolgen. Jährliche
Berichte werden es erlauben, in den Ausschüssen die Fortschritte in der Energieeffizienz zu beobachten. Auch
Abgeordnete Angelika Winzig (V) unterstrich die Notwendigkeit, Energie effizient zu nutzen, um die Wettbewerbsfähigkeit
des Wirtschaftsstandorts zu wahren und zu steigern. Die Betriebe würden in kein unnötiges Korsett gezwungen,
es habe Augenmaß, nehme viele Betriebe aus und sehe eine schuldbefreiende Ausgleichszahlung bei Nichterreichen
von Effizienzzielen vor. Schließlich meinte auch Abgeordneter Peter Haubner (V), es sei in guten Gesprächen
gelungen, einen vernünftigen Ausgleich zu finden und eine Belastung der Betriebe zu vermeiden. "Dieses
Gesetz hat Maß und Ziel", schloss Haubner.
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