Clathrate sind Materialien, die aus winzigen Atom-Käfigen bestehen. Sie haben bemerkenswerte
thermoelektrische Eigenschaften, die maßgeblich vom Schwingungsverhalten der Atome beeinflusst werden.
Wien (tu) - Materialien, die elektrischen Strom leiten, sind normalerweise auch gute Wärmeleiter. In
der Materialwissenschaft sucht man allerdings nach Festkörpern, die zwar gute elektrische Leiter sind, Wärme
hingegen nur sehr schlecht transportieren. Damit könnte man effizientere thermoelektrische Zellen bauen, die
Wärme in elektrischen Strom umwandeln. Vielversprechende Kandidaten dafür sind die sogenannten „Clathrat“–Kristalle,
die aus winzigen Käfigen bestehen, in denen jeweils ein Atom eingeschlossen ist. Ein Forschungsprojekt der
TU Wien, gemeinsam mit den Universitäten Lyon, Stuttgart und dem europäischen Synchrotron in Grenoble
liefert nun Erklärungen für die niedrige thermische Leitfähigkeit in Clathraten - eine der erstaunlichsten
Eigenschaften dieser Materialien. Schuld ist das ungewöhnliche Schwingungsverhalten der in den Käfigen
eingeschlossenen Atome. Ihre Schwingungen breiten sich nicht über den ganzen Kristall aus, sondern sind an
einem Ort lokalisiert.
Rückgewinnung von Strom aus Wärme
Verbindet man ein heißes und ein kaltes Objekt mit zwei verschiedenen Materialien, dann kann elektrische
Spannung entstehen. Damit kann man beispielsweise aus der Abwärme von Maschinen wertvolle elektrische Energie
zurückgewinnen. Voraussetzung dafür sind aber Materialien, die den elektrischen Strom gut leiten und
gleichzeitig schlechte Wärmeleiter sind, denn bei guter Wärmeleitung würden sich die beiden Temperaturen
rasch angleichen und der Effekt käme zum Erliegen.
Aus diesem Grund untersucht man in der Materialwissenschaft seit einiger Zeit mit großem Interesse schwach
wärmeleitende Einschlussverbindungen, zum Beispiel Siliziumstrukturen, in denen einzelne Barium-Atome eingesperrt
sind.
„Wärme kann sich in solchen Materialien über kollektive Schwingungen der Atome fortbewegen – ähnlich
wie Schallwellen“, erklärt Holger Euchner vom Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie
der TU Wien. Diese Atom-Schwingungen nennt man Phononen. Sie können unterschiedliche Wellenlängen haben
und unterschiedlichste Schwingungscharakteristika aufweisen. So können in einem Kristall etwa benachbarte
Atome gemeinsam miteinander oder jeweils entegegengesetzt schwingen.
Lokalisierung von Schwingungen
Lange dachte man, die geringe Wärmeleitfähigkeit von Clathraten ließe sich dadurch erklären,
dass die Phononen-Schwingungen gestreut werden - ähnlich wie ein Lichtstrahl, der sich an einer Verunreinigung
der Fensterscheibe bricht - und durch diese Streuung abklingen. Doch die Messergebnisse gaben ein anderes Bild:
„Die Phononen werden kaum gestreut, ihre Lebensdauer ist deutlich länger als man erwartet hätte“, sagt
Holger Euchner. „Wenn man allerdings Phononen mit immer größerer Frequenz betrachtet, stellt man fest,
dass sie ihren Charakter von kollektiven zu lokalisierten Schwingungen ändern.“
Nicht alle Atome sind nämlich im gleichen Maß an den Schwingungen beteiligt.Bei kollektiven Anregungen
sind beinahe alle Atome in Bewegung, bei lokalisierten Phononen hingegen schwingen die meisten Atome praktisch
gar nicht, andere jedoch sehr stark.
Wenn Atome ganz einsam schwingen, ohne dass die Nachbarn mitmachen, dann können lokalisierte Phononen entstehen,
die sich dann kaum über große Entfernungen ausbreiten können. Genau das passiert mit den Atomen
in den Clathrat-Käfigen und somit wird die Wärmeleitung des Materials gehemmt.
Internationale Zusammenarbeit
Die Forschungsarbeit war eine Kooperation mehrerer Forschungsgruppen. Die Röntgenstreuexperimente wurden
in Grenoble durchgeführt, Holger Euchner und Silke Bühler-Paschen (Institut für Festkörperphysik)
steuerten Computersimulationen, Datenanalyse und Interpretation bei.
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