Heidelberg (idw) - Die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg hat Dr. Larissa Pfisterer
mit dem Friedrich Reutner-Preis ausgezeichnet. Die Nachwuchswissenschaftlerin erforscht, wie chronisch erhöhter
Blutdruck die Blutgefäße verändert. Dabei entdeckte sie, dass ein Krebsmedikament die schädliche
Kettenreaktion verhindert.
Steigt der Blutdruck dauerhaft an, setzt er krankhafte Veränderungen in den Blutgefäßen in Gang.
Dr. Larissa Pfisterer, Institut für Physiologie und Pathophysiologie am Universitätsklinikum Heidelberg,
identifizierte während ihrer Doktorarbeit die molekularen Abläufe, die diesen Prozess steuern. Für
ihre hervorragende Forschung hat ihr die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg im Rahmen der
diesjährigen Promotionsfeier am 12. Juli 2014 den Friedrich Reutner-Preis verliehen. Die neuen Erkenntnisse
betreffen nicht nur Arterien, die sich erhöhtem Blutdruck anpassen müssen, sondern auch überlastete
Venen z.B. in den Beinen. Die junge Wissenschaftlerin zeigte, dass vergleichbare Mechanismen an der Bildung von
Krampfadern beteiligt sind. Derzeit untersucht sie mögliche Therapieansätze – mit ersten Erfolgen: Bei
Mäusen verhindert schon eine sehr geringe Dosis des Krebsmedikaments Bortezomib die schädliche Kettenreaktion
in den Gefäßwänden und damit die Veränderungen der Venen.
Mit dem jährlich vergebenen und mit 7.000 Euro dotierten Preis unterstützt Stifter Professor Dr. Friedrich
Reuter, Ehrensenator der Universität Heidelberg, Nachwuchswissenschaftler der Medizinischen Fakultät,
die noch keine etablierte Position innehaben.
Unter dauerhaft erhöhtem Druck versteifen und verengen sich die Blutgefäße
Unbehandelter chronischer Bluthochdruck ist einer der wichtigsten Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
wie Herzrhythmusstörungen, Schlaganfall und Herzinfarkt. Schon deutlich früher und ausnahmslos bei jedem
Betroffenen leiden die Blutgefäße. Um dem erhöhten Druck standhalten zu können, verdicken
sich die Gefäßwände der Arterien. Damit verlieren sie ihre Flexibilität und die Fähigkeit
spontane Steigerungen des Blutdrucks – z.B. wenn das Herz bei körperlicher Anstrengung oder Stress die Pumpleistung
erhöht – abzumildern.
Dr. Larissa Pfisterer entdeckte, dass sobald der Druck auf die Gefäßwände dauerhaft ansteigt, ein
bestimmter Regelmechanismus um das Protein Myokardin außer Kraft gesetzt wird. Myokardin versetzt Blutgefäße
in die Lage, Blutdruck¬schwankungen durch eine kurzfristige Anpassung ihres Durchmessers auszugleichen. Unter
chronisch hohem Druck wird das Protein verändert, verliert seine Funktion und wird abgebaut. In Folge wächst
die Muskelschicht in den Gefäßwänden überproportional an: Die Gefäße verengen sich
dauerhaft. „Diese Ergebnisse zeigen, dass es sehr sinnvoll ist, dem Bluthochdruck von Anfang an gegenzusteuern“,
sagt die Preisträgerin. „Wer erst abwartet, nimmt die Veränderung seiner Blutgefäße in Kauf
und erschwert die spätere Behandlung.“
Zentrale Schritte dieses Mechanismus fand Dr. Pfisterer auch in Venen. Beim Menschen sind häufig die Beinvenen
erhöhtem Druck ausgesetzt, wenn z.B. bei schwachem Bindegewebe oder defekten Venenklappen das Blut in den
Beinen zurückstaut. Wird das Protein Myokardin in den Venen abgebaut, führt der lokale Zuwachs der Gefäßwand
zu einem korkenzieherartigen Verlauf. Hilfe brachte im Tierversuch eine Salbe mit dem Krebsmedikament Bortezomib,
das seit einigen Jahren in der Behandlung des Multiplen Myeloms, einer Krebserkrankung des Knochenmarks, zum Einsatz
kommt. Der Wirkstoff verhinderte den Abbau von Proteinen wie Myokardin und vermindert den Umbau der Gefäßwände.
Nun will die Wissenschaftlerin die genaue Wirkweise des Medikaments untersuchen: „Erst wenn wir im Detail verstehen,
welche Signalwege Bortezomib beeinflusst, ist ein therapeutischer Einsatz denkbar.“
Wilma Moser-Preis: Biomarker für Therapieerfolg bei Multipler Sklerose
Ebenfalls bei der Promotionsfeier wurde Dr. Anne Hertenstein, Abteilung Neuroonkologie der Neurologischen Universitätsklinik,
mit dem Wilma Moser-Preis der Medizinischen Fakultät ausgezeichnet. Für ihre Doktorarbeit erforschte
die junge Ärztin in der Arbeitsgruppe „Experimentelle Neuroimmunologie“ um Professor Dr. Michael Platten,
wie sich der Therapieerfolg bei Multipler Sklerose und anderen Autoimmunerkrankungen frühzeitig mit einem
einfachen Bluttest zuverlässig überprüfen lässt. Ziel ist es, den Patienten in Zukunft unnötig
lange Behandlungen mit einem wenig wirksamen Medikament ersparen zu können.
Bei Multipler Sklerose (MS) greifen körpereigene Immunzellen gesundes Nervengewebe an und zerstören es.
Moderne Therapien zielen daher darauf ab, die fehlgeleitete Immunreaktion zu hemmen. Derzeit fehlen noch Tests
bzw. Marker, die früh anzeigen, ob ein Medikament beim jeweiligen Patienten überhaupt wirkt. Zwei solche
Biomarker entdeckte Dr. Hertenstein für das potentielle MS-Medikament Tranilast, das im Tierversuch Entzündungen
des Nervengewebes unterdrückt. Der Wirkstoff hemmt die Ausschüttung der Botenstoffe CXCL9 und CXCL10,
die Entzündungsreaktionen fördern sowie im Blut messbar sind. Die Botenstoffe könnten sich zudem
selbst als Ziel neuer Medikamente eignen.
Der mit 5.000 Euro dotierte Preis ist nach der Mannheimer Kinderärztin Dr. Wilma Moser benannt. Sie vermachte
ihren Nachlass der Universität Heidelberg mit der Auflage, junge Wissenschaftlerinnen der medizinischen und
naturwissenschaftlichen Fakultäten zu fördern. Der Wilma Moser-Preis wird jährlich an die jeweils
jüngsten Studentinnen vergeben, die ihre Promotion mit Bestnote abgeschlossen haben.
|