Es gibt nur wenige Persönlichkeiten, die so viele hochrangige, allerdings nur auf den
ersten Blick unterschiedliche Funktionen innehatten, wie Hans Tuppy
Wien (öaw) - Zum Anlass seines 90. Geburtstages übermittelt die ÖAW Hans Tuppy die besten
Wünsche und spricht ihm als einem ihrer profiliertesten und aktivsten Mitglieder ihren Dank aus. Hans Tuppys
Ehrentag gibt die Gelegenheit, Rückschau auf ein an Höhepunkten reiches Leben als Wissenschaftler, Wissenschaftsmanager
und -politiker zu halten.
Seit der Promotion zum Dr. phil. im Februar 1948 an der Universität Wien galt Hans Tuppys besonderes Interesse
der Polypeptid- und Proteinchemie. Seine Aufgeschlossenheit für neue Ideen und Methoden und seine Überzeugung
von der Universalität, Internationalität und Dynamik der Wissenschaft, nicht zuletzt stimuliert durch
die traumatisierenden Erlebnisse der dunklen Jahre 1938–1945, waren treibende Kräfte für seine internationale
Ausrichtung als Wissenschaftler. Ein Stipendium des British Council ermöglichte im Herbst 1949 einen einjährigen
Aufenthalt im Biochemischen Institut der Universität Cambridge bei Frederick Sanger und die Mitarbeit an der
Aufklärung der Aminosäuresequenz des Insulins, ein Meilenstein der Biochemie, für den Sanger 1958
mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Im Rahmen einer nachfolgenden halbjährigen Tätigkeit in der zytochemischen
Abteilung des Carlsberg-Laboratoriums in Kopenhagen konnte Hans Tuppy seinen methodischen Horizont in Mikrochemie,
Zytochemie und Enzymologie erweitern. 1951 als Universitätsassistent an das II. Chemische Institut nach Wien
zurückgekehrt, begann er seine Arbeiten über Struktur und Funktion von Oxytocin, Cytochrom c und anderen
Cytochromen. Die Cytochrom-Studien führten zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Medizinischen Nobel-Institut
in Stockholm. Die Arbeiten über Blutgruppensubstanzen haben seine internationale Anerkennung weiter gefestigt.
Zahlreiche Publikationen bezeugen Hans Tuppys wissenschaftliche Produktivität und Originalität. Vortragseinladungen
führten ihn an zahlreiche prominente Universitäten und Forschungsstätten in Europa, den USA und
Südamerika. Mit seinen Aktivitäten hat er somit bereits in jungen Jahren zum Wiedereintritt Österreichs
in die internationale Wissenschaftsgemeinschaft beigetragen
Mit seiner Berufung auf den Lehrstuhl für Biochemie der Medizinischen Fakultät der Universität Wien
(1958) und der Übernahme der Leitung des neu gegründeten Instituts für Biochemie brachte Hans Tuppy
als ein von den Studierenden besonders geschätzter akademischer Lehrer frischen Wind in die Grundausbildung
der angehenden Ärzte.
Pflichtbewusstsein, Hingabe und Dienst an Österreich
Es gibt nur wenige Persönlichkeiten, die so viele hochrangige, allerdings nur auf den ersten Blick unterschiedliche
Funktionen innehatten, wie Hans Tuppy. Das einigende Band waren Pflichtbewusstsein, Hingabe an die Anliegen der
Wissenschaft und der Dienst an Österreich. Als Institutsvorstand und Lehrer, Dekan, Rektor, Präsident
des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF), Präsident der ÖAW, als Bundesminister,
aber insbesondere auch als Wissenschaftler und Mensch hat er sich den mannigfachen Herausforderungen gestellt und
Wichtiges beigetragen.
Hans Tuppys Leistungen in und für Wissenschaft und Forschung wurden unter anderem mit Ehrendoktoraten, hochrangigen
Preisen, der Aufnahme in die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina und die Berufung in die Päpstliche
Akademie der Wissenschaften sowie durch die Verleihung des Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft
und Kunst gewürdigt. Unsere Akademie wählte ihn bereits 1961 zum korrespondierenden und 1967 zum wirklichen
Mitglied. Besondere Verdienste um die österreichische Wissenschaftslandschaft hat er sich durch seinen Einsatz
für die Molekularbiologie in Österreich erworben. Die Gründungen des Forschungsinstituts für
Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und des Vienna Biocenters tragen seine Handschrift. Unter seiner FWF-Präsidentschaft
wurde die Qualität der Forschungsförderung in Österreich auf internationales Niveau gehoben. Als
Wissenschaftsminister war ihm die Internationalisierung der österreichischen Universitäten ein ganz besonderes
Anliegen.
Auf den Schultern eines Riesen
Mit Stolz blickt Hans Tuppy auf zahlreiche prominente Wissenschaftler, die aus seiner Schule hervorgegangen sind
und sich (frei nach Isaac Newton) zu Recht darauf berufen können, „auf den Schultern eines Riesen“ gestanden
zu sein.
„In der Österreichischen Akademie der Wissenschaften waren und sind uns Hans Tuppys Worte in kritischen Phasen
der Diskussion stets eine entscheidende Hilfe und Orientierung auf das übergeordnete Ganze. Durch sein Leben
und Wirken ist er uns Vorbild, Herausforderung und Ansporn. Er regt immer zum Nachdenken an, auch dadurch, dass
er trotz bedingungsloser Hingabe für die Wissenschaft nie müde wurde zu betonen, dass erkenntnisorientierte
Wissenschaft in die Lebenswelt eingebunden ist und neben dem Gut der Erkenntnis auch andere Güter zu bewerten
sind und der Freiheit des Wissenschaftlers Grenzen setzen“, so ÖAW-Präsident Anton Zeilinger.
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