Salzburg (universität) = Wissenschaftler der Universität Salzburg haben neue wichtige Details der
Struktur von „Neutrophilen Extrazellulären Fallen“, kurz „NETs“ entdeckt. Dabei handelt es sich um ein spezielles,
von Abwehrzellen unseres Immunsystems gebildetes Netz aus DNA-Fäden, die bei chronisch entzündlichen
Erkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Die Zellbiologen haben in enger Zusammenarbeit mit der Salzburger Universitätsklinik
für Pneumologie/Lungenheilkunde das Auftreten von NETs bei Chronisch Obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
untersucht. Die Ergebnisse könnten die Basis für neue therapeutische Verfahren werden.
Bei COPD handelt es sich um eine chronische, fortschreitende Lungenerkrankung, die Atemnot verursacht und im schlimmsten
Fall zum Erstickungstod führt. Hauptursache ist das Rauchen. Die Krankheit ist durch Verengung der Atemwege
und dauerhafte Entzündung gekennzeichnet. Eine langfristige Folge der chronischen Entzündung ist die
Zerstörung des Lungengewebes. Schätzungen gehen davon aus, dass weltweit rund 600 Millionen Menschen
an COPD erkrankt sind. Experten sprechen von einem globalen Phänomen.
„Entzündungen sind eine Abwehrreaktion gegen Krankheitserreger“, erklären Professor Walter Stoiber und
Dr. Wolf-Dietrich Krautgartner vom Fachbereich Zellbiologie der Universität Salzburg. „Dadurch wird unser
Immunsystem mobilisiert und es entstehen NETs. Dies ist ein natürlicher Vorgang, der im Menschen automatisch
abläuft. Problematisch werde die Sache jedoch dann, wenn das Immunsystem nach erfolgreicher Bekämpfung
der Krankheitserreger weiter arbeitet, quasi in eine Endlosschleife gerät. Dies kann zur Schädigung gesunder
Organe führen und schwere Folgeerkrankungen nach sich ziehen“.
Forschungsgegenstand der Salzburger Wissenschaftler sind Vorgänge des angeborenen Immunsystems. „Dieses folgt
anderen Mechanismen als das adaptive Immunsystem, welches sich durch Anpassungsfähigkeit gegenüber neuen
Krankheitserregern auszeichnet und dessen Zellen Antikörper bilden können. Das angeborene Immunsystem
dagegen setzt zur Abwehr von Bakterien, Pilze und Viren Substanzen mit Breitbandwirkung ein. Dadurch sind auch
Kollateralschäden am körpereigenen Gewebe wahrscheinlicher. Das Auswerfen von Netzen durch bestimmte
Zellen im Blut ist eine Spezialfunktion des angeborenen Immunsystems, welche erst seit 10 Jahren bekannt ist“,
erläutert das Team.
Weiße Blutkörperchen fangen Bakterien
Die Forschungsgruppe hat weiße Blutkörperchen, als neutrophile Granulozyten bezeichnet, untersucht.
Wenn diese weißen Blutkörperchen entsprechende Signale erhalten, haben sie die Eigenschaft, sich in
ihrem Inneren umzubauen. „Das führt dazu, dass die Zellen aufplatzen und dabei absterben.“ Ihre DNA, im Zellkern
noch ein festes Knäuel, löst sich zuerst in einzelne Fäden auf und gelangt beim Platzen der Zelle
nach außen. „Es war faszinierend zu beobachten, dass sich die DNA völlig abgespult hat“, sagt Dr. Astrid
Obermayer. Sie hat den Vorgang im Elektronenmikroskop untersucht. Es bilden sich dabei unzählige DNA-Fäden,
die sich netzartig verflechten. Dieses Fädengeflecht bezeichnen die Wissenschaftler als Neutrophil Extracellular
Traps, kurz NETs. „Die NETs sind mit giftigen Proteinen bestückt und bilden so molekulare Fallen für
Bakterien, die sich in ihnen verfangen und zugrunde gehen“, erläutert Obermayer. Der ganze Vorgang ist nicht
krankhaft, sondern ein normaler Teil der Immunabwehr. Problematisch dabei ist, dass NETs auch zu Fallen für
den eigenen Körper werden können, wenn die toxischen Proteine gesunde Zellen angreifen. Bei einer normalen
Lungenentzündung vollzieht sich die Bildung von NETs milliardenfach, so lange, bis alle Bakterien bekämpft
und alles wieder ausgeheilt ist. Bei einer chronischen Entzündung läuft der Vorgang aber weiter und das
Gewebe wird nachhaltig geschädigt. „Wir haben nachgewiesen, dass die Chronisch Obstruktive Lungenerkrankung
mit einer massiven NETs Bildung einhergeht, die mit dem Schweregrad der Krankheit korreliert“, erklärt Stoiber.
Der Vergleich von NETs im abgehusteten Schleim der COPD Patienten mit solchen, die künstlich im Reagenzglas
hergestellt wurden, enthüllte bislang unbekannte Details zur Struktur der NETs. „Zweifelsohne spielen NETs
bei COPD eine entscheidende Rolle. Die neu gefundenen Strukturdetails tragen dazu bei, dass deren Wirkung und schädigende
Effekte noch besser verstanden werden können“, so Stoiber.
Diese Erkenntnisse eröffnen ein weiteres Kapitel für künftige Forschungen. Weitere Untersuchungen
sollen zeigen, wie zerstörerische Vorgänge blockiert werden können. „Wir können die natürliche
Immunabwehr nicht stoppen, eine überbordende NETs-Bildung soll aber lokal beeinflusst werden können“,
sagen die Forscher.
Das Team der Biologen arbeitet mit Professor Michael Studnicka und Dr. Fikreta Grabcanovic-Musija von der Salzburger
Universitätsklinik für Pneumologie/Lungenheilkunde zusammen. Die Erkenntnisse der Grundlagenforschung
an der Universität Salzburg gehen Hand in Hand mit weiteren klinischen Forschungen. Die Ergebnisse wurden
in der Fachzeitschrift PLoS ONE publiziert.
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