Satellitendaten enttarnen Hangrutschungen
Wien (ait) - Im österreichischen Weltraumprogramm ASAP (Austrian Space Applications Programme) setzen
ForscherInnen die Daten des neuen Radarsatelliten Sentinel-1A zur Erkennung von Umweltgefahren ein. Das AIT Austrian
Institute of Technology beteiligt sich gemeinsam mit Joanneum Research und ENVEO an dem einzigartigen Satellitenprojekt,
um Hangrutschungen möglichst frühzeitig zu erkennen.
In dem von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG geförderten Projekt des Weltraumprogramms
ASAP wird das AIT die Daten des Satelliten Sentinel nutzen. Mit hochpräzisen Radarmessungen aus dem All werden
Erdbewegungen großflächig und über längere Zeiträume hinweg erfasst. Ziel ist es, politische
EntscheidungsträgerInnen in der Prävention von Naturgefahren und im Katastrophenmanagement noch besser
zu unterstützen. Neben dem Projektkoordinator ENVEO, einem Spin-off der Universität Innsbruck, verwenden
AIT und Joanneum Research die Satellitendaten für die Forschung. "Sentinel liefert Radardaten in noch
nie dagewesener Genauigkeit und Qualität und ist damit ein echter Quantensprung in der Erdbeobachtung",
so Dr. Philip Leopold, Forscher am AIT Health & Environment Department und Experte für Naturgefahren.
"Wir sind österreichweit unter den ersten Forschungsinstitutionen, die mit diesen brandneuen Daten arbeiten.
Unsere ExpertInnen nutzen die hochauflösenden Radardaten des Satelliten, um die drohende Gefahr zu erkennen
und das am besten bevor der Hang rutscht. Wir leisten damit einen entscheidenden Beitrag zur Prävention von
Naturgefahren und zum Katastrophenmanagement", sagt Dr. Felix Steyskal, Head of Business Unit Environmental
Resources & Technologies am AIT.
Nationales Weltraumprogramm
Das Österreichische Weltraumprogramm ASAP wurde 2002 vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation
und Technologie (bmvit) initiiert. Es soll die Entwicklung kommerziell verwertbarer Produkte und Dienstleistungen
beschleunigen und wissenschaftlichen Institutionen und Unternehmen den Zugang zum internationalen Markt erleichtern
sowie deren Wettbewerbsfähigkeit erhöhen.
"Einmal mehr zeigt sich hier, welchen Nutzen wir aus der Weltraumforschung und aus Weltraumtechnologien 'Made
in Austria' ziehen können. Als Technologie- und Infrastrukturministerin freut es mich ganz besonders, dass
hier neue Technologien einen wesentlichen Beitrag zum Schutz unserer modernen Infrastruktur leisten können",
sagt Infrastrukturministerin Doris Bures.
Schäden an Infrastruktur verhindern
ExptertInnen gehen davon aus, dass der Klimawandel durch längere Trockenperioden und häufigere Starkregen
zu einem vermehrten Auftreten von Hangrutschungen führt. "Das bringt eine verstärkte Instabilität
von Hanglagen mit sich und damit ein vermehrtes Auftreten von Erdrutschen", zeigt sich Leopold überzeugt.
Diese zerstörerischen Massenbewegungen stellen nicht nur eine Gefahr für Menschenleben dar, sondern führen
auch zu enormen wirtschaftlichen Schäden an Infrastrukturen wie Bahngleisen oder Straßen.
Die AIT-ExpertInnen haben sich in den vergangenen Jahren auf die Früherkennung dieser gefährlichen Massenbewegungen
spezialisiert. Ihr Know-how wird von Landesregierungen, Industrie und Ministerien mittlerweile ebenso genützt
wie bald auch von den chinesischen Behörden.
Monitoring von Umweltgefahren
ENVEO beschäftigt sich mit der Entwicklung der Algorithmen und der Software, die benötigt werden,
um die neuen Aufnahmen von Sentinel zu verarbeiten. Auf der Anwendungsseite nimmt Joanneum Research Gletscherbewegungen
und Bodensetzungen ins Visier, während sich das AIT vor allem auf seine Kernkompetenz konzentriert - die Vermessung
von Hangrutschungen. "Unser Hauptaugenmerk liegt auf sogenannten Kriechbewegungen, das sind Erdbewegungen
in der Größenordnung von wenigen Zentimetern oder Millimetern pro Jahr. Große Hangrutschungen
kommen nicht aus dem Nichts, ihnen gehen immer derartige Bewegungen voraus", betont der Naturgefahrenexperte
Leopold. Trotz ihrer Zeitlupengeschwindigkeit darf die von Kriechbewegungen ausgehende Gefahr nicht unterschätzt
werden, denn sie können jederzeit schlagartig beschleunigen.
Anders als herkömmliche Messsysteme stellt der Satellit im Wochentakt ein neues Bild zur Verfügung und
bietet großflächige dynamische Informationen anstelle von statischen und punktuellen Daten. Dieses kontinuierliche
Monitoring erlaubt es den ForscherInnen, gefährliche Tendenzen bereits im Ansatz zu erkennen und frühzeitig
Maßnahmen vorzuschlagen.
Effektiver Methodenmix für den Umweltschutz
Die satellitenbasierte Fernerkundung ergänzt das bestehende Serviceportfolio, das von der flugzeuggestützten
Lasermessung und Modellierung über die Erstellung von Gefahrenkarten bis hin zur Sanierung von Hangrutschungen
reicht. Da in Zukunft aktuelle Daten und Zeitreihen für sämtliche Gebiete des Globus auf Knopfdruck abrufbar
sein werden, eröffnet das Projekt eine Vielzahl von Kooperationsmöglichkeiten auf internationaler Ebene.
"Die Teilnahme an diesem europäischen Prestigeprojekt festigt unser bestehendes Know-how und ergänzt
es mit innovativen Methoden", so Steyskal.
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