Schwarzach ist kleinste Gemeinde Salzburgs und die einzige mit nur zwei Nachbarn
Salzburg (lk) - Warum die Schwarzacher von den St. Veitern geradezu umzingelt sind, weshalb Mutige die Gemeindegrenze
fliegend überqueren, dass die kleinste Gemeinde das zweitgrößte Krankenhaus des Landes beherbergt
und warum das Salzschlecken früher einen Landesverweis nach sich ziehen konnte, beleuchtet ein aktueller Grenzfall,
der am 08.11. auf http://www.salzburg.at/, der Plattform
für die Europaregion, erschienen ist.
Will man per Bahn in die Pongauer Marktgemeinde Schwarzach gelangen, so führt der Weg unweigerlich über
das Gebiet der Nachbargemeinde St. Veit, egal aus welcher Richtung. Sowohl das Einfahrtsignal für die Tauernbahn
aus dem Gasteinertal als auch jenes der aus St. Johann kommenden Giselabahn liegen auf St. Veiter Gemeindegebiet.
Die Bahnhofsbezeichnung Schwarzach-St.Veit hat aber nicht nur eisenbahntechnische Gründe, sondern historische.
Erst 1906 wurde Schwarzach als eigenständige Gemeinde von St. Veit abgetrennt. "In Schwarzach hatten
sich damals durch den Bahnbau zahlreiche Arbeiter angesiedelt, während das auf den umgebenden Hängen
liegende St. Veit weiterhin ländlich geprägt war", führt der Schwarzacher Gemeindeamtsleiter
Ing. Manfred Eder als Grund für die Teilung an. Trennungsschmerz blieb keiner. Selbstredend ist heute St.
Veit als erster Link auf der Schwarzacher Gemeindewebsite angeführt.
Von Faschingskrapfen und Überfliegern
Dadurch ergab sich eine Umklammerung der neuen Gemeinde durch die "Muttergemeinde" von drei Seiten. Nur
im Westen gibt es mit Goldegg einen zweiten Nachbarn, womit Schwarzach mit 3,2 Quadratkilometern nicht nur die
kleinste, sondern auch die "nachbarloseste" Gemeinde Salzburgs ist. "Man kann es auch mit einem
Faschingskrapfen erklären: Schwarzach bildet den süßen Marmeladekern, umhüllt vom flaumigen
St. Veiter Krapfenteig und das Einspritzloch bildet Goldegg", zieht Bürgermeister Andreas Haitzer einen
schmackhaften Vergleich. Und die Gemeindegrenze zu St. Veit dürfte wohl jene mit den meisten menschlichen
Flugbewegungen sein: Der Anlauf zweier Schanzen der Skispringerhochburg liegt in der Nachbargemeinde, gelandet
wird in Schwarzach, wobei es leicht passieren kann, dass allzu flotte Skiadler im Auslauf wieder nach St. Veit
gelangen.
Rasanter Aufstieg
Wenn Schwarzach also erst auf etwas mehr als 100 Jahre Eigenständigkeit stolz sein kann, so ging es dafür
nach der Gemeindegründung Schlag auf Schlag: Schon 1908 wurde der inzwischen bedeutende Eisenbahnknoten zum
Markt erhoben. Gleichzeitig zur Gemeindegründung wurde der erste Anstaltsarzt am Kardinal Schwarzenberg'schen
Spital angestellt, das sich in Folge mit heute 500 Betten und jährlich 30.000 Patienten zum zweitgrößten
Krankenhaus Salzburgs entwickelte.
Verlorene und gewonnene Heimat
Als Fürsterzbischof Friedrich von Schwarzenberg 1839 das ehemalige Benediktiner Missionshaus kaufte, um für
die Bevölkerung innergebirg eine karitative Einrichtung zu schaffen, lag ein schmerzvolles Kapitel der Landesgeschichte
bereits mehr als ein Jahrhundert zurück. In Schwarzach trafen 1731 einander rund 150 Pongauer und Pinzgauer
Protestanten, tauchten ihre rechten Finger in ein Salzfass und schworen, sich offen zum evangelischen Glauben zu
bekennen, was ihre Ausweisung zur Folge hatte. Diese Versammlung ist in späteren Jahren als Salzbund in die
Geschichte eingegangen. Ein "Salzbund" ist noch heute als Verein zur Pflege evangelischen Lebens im Land
Salzburg aktiv. Den originalen Salzleckertisch kann man im Gemeindeamt besichtigen und sich sanktionslos ganz ohne
salzige Finger zu welchem Glauben auch immer bekennen.
Zur neuen Heimat wurde Schwarzach wiederum 200 Jahre später für Südtiroler Optanten, die sich entschieden
hatten, der bis 1919 österreichischen und nun italienischen Heimat den Rücken und in die Pongauer Bergwelt
"heim ins Reich" zu kehren. Aus der von ihnen bewohnten Südtiroler Siedlung wurde heute der Ortsteil
"Neue Heimat". Vom einstigen Südtiroler Leben finden sich in Schwarzach keine Spuren mehr.
Schwarzach mal sechs
Volkskulturell wird heute grenzüberschreitende Diplomatie betrieben. Dazu verpflichtet allein schon der Ortsname,
den es im deutschsprachigen Raum immerhin sechsmal gibt. Am stärksten ausgeprägt ist die Gemeindepartnerschaft
mit Schwarzach in Vorarlberg, bei großen Festivitäten sind Vereinsabordnungen beim jeweiligen Namensvetter
zu Gast. Auch zum niederbayerischen Schwarzach bestehen Verbindungen.
Etwas mehr als einhundert Jahre nach der Fertigstellung der Tauernbahn bot Schwarzach Anfang 2010 eine weitere
Eisenbahn-Innovation: Die ÖBB eröffneten im Bahnhof österreichweit den ersten BahnStore, einen Ticketschalter,
an dem neben Fahrscheinen auch Getränke, Snacks, Zeitschriften und andere Produkte des täglichen Bedarfs
angeboten werden. Und die Traditionsbiermarke "Tauerngold", deren Produktion 2008 in Schwarzach stillgelegt
wurde, feiert nun ihre Wiederauferstehung als "Tauerngold Gipfelstürmer" des neuen Besitzers Stiegl,
wenn auch mit geänderter Rezeptur.
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