Ein Quantenphysik-Team der TU Wien entwickelte gemeinsam mit einer Forschungsgruppe aus Japan
eine neue Architektur für einen Quantencomputer.
Wien (tu) - Der Quantencomputer ist so etwas wie der Heilige Gral der Quantentechnologie. Er wäre unvergleichlich
viel leistungsfähiger als die klassischen Computer, mit denen wir heute arbeiten. Ein Forschungsteam der TU
Wien schlägt nun gemeinsam mit einer Forschungsgruppe vom National Institute for Informatics in Tokyo eine
neue Quantencomputer-Architektur aus winzigen Diamanten vor. Für einen verlässlich arbeitenden Quantencomputer
müssten Milliarden einzelne Quantensysteme verwendet werden, der Weg dorthin ist noch weit. Das Team ist allerdings
überzeugt, dass die Elemente der nun vorgestellten Architektur besser als bisherige Quantencomputer-Ideen
geeignet sind, miniaturisiert und in großer Anzahl auf einem Chip untergebracht zu werden. Experimente dazu
sind an der TU Wien bereits geplant.
Zerbrechliche Quantenüberlagerungen
Seit Jahrzehnten wird an Konzepten gearbeitet, quantenmechanische Systeme für logische Berechnungen zu verwenden.
„Ein Bit in einem gewöhnlichen Computer kann immer nur entweder den Wert null oder eins annehmen. In der Quantenphysik
sind allerdings Überlagerungen verschiedener Zustände erlaubt – ein Quanten-Bit („QBit“) kann sich daher
im Zustand null und gleichzeitig im Zustand eins befinden, wodurch sich fantastische Rechenkapazitäten ergeben
würden“, erklärt Prof. Jörg Schmiedmayer vom Atominstitut der TU Wien.
Realisieren kann man solche Überlagerungszustände mit unterschiedlichen Systemen – etwa mit Ionen, die
man in elektromagnetischen Fallen festhält oder mit supraleitenden Quanten-Bits. Die Architektur, die nun
im Journal „Physical Review X “ vorgestellt wurde, ist eine andere: In einem hauchdünnen Diamantplättchen
wird an mehreren Stellen jeweils ein einzelnes Stickstoff-Atom eingebaut, dessen Spin verschiedene Zustände
annehmen kann. Jedes Stickstoffatom wird in einem optischen Resonator, bestehend aus zwei Spiegeln, eingesperrt.
Über Glasfaserleitungen kann man Photonen in Kontakt mit dem Quantensystem aus Spiegeln und Diamant bringen.
So lässt sich der Quantenzustand des Systems manipulieren und auslesen, ohne dass die Quanteneigenschaften
durch Dekohärenzeffekte im Diamant zerstört werden.
Realistische Quantencomputer-Konzepte brauchen Fehlerkorrektur
Jedes einzelne dieser Systeme aus Spiegeln, Diamant und eingebautem Stickstoff-Atom kann ein Quanten-Bit an Information
tragen – also null, eins, oder eine beliebige Überlagerung davon. Doch ein solches Quanten-Bit ist extrem
instabil. Damit die Information zuverlässig verarbeitet kann, braucht man spezielle Quantenfehlerkorrektur-Verfahren.
„Verwendet man Fehlerkorrekturen, kommt man beim Speichern eines Quanten-Bits nicht mehr in einem einzelnen Quantenteilchen
aus, man braucht eine komplizierte Architektur aus vielen miteinander verbundenen Systemen“, sagt Michael Trupke
(TU Wien).
Das Forschungsteam berechnete, wie man die einzelnen Elemente aus Spiegeln und Diamanten mit Stickstoffatomen zu
einem fehlerresistenten zweidimensionalen Quantensystem zusammenfügen könnte, einem sogenannten „topologisch
geschützten Quantencomputer“. Nach den Berechnungen wären etwa 4,5 Milliarden dieser Quantensysteme nötig,
um zum Beispiel den Algorithmus „Shor-2048“ auf dem Quantencomputer laufen zu lassen, mit dem Primfaktoren von
2048-Bit-Zahlen berechnet werden können.
Diese gewaltige Zahl an Quanten-Elementen ist bei allen Quantencomputer-Architekturen notwendig, egal ob man mit
Ionenfallen, supraleitenden QBits oder mit Stickstoff-Spins in Diamanten arbeitet. „Bei unserer Architektur weiß
man allerdings im Prinzip, wie man sie verkleinern kann. Sie hat ein großes Potenzial zur Miniaturisierung
und Massenproduktion“, meint Michael Trupke. „Es gibt heute ganze Industriezweige, die mit Diamanten arbeiten,
die Forschung schreitet hier rasch voran. Es gibt noch viele Probleme zu lösen, aber die Verschaltung von
Stickstoff-Spins in Festkörpern zeigt zumindest einen Weg auf, der aus heutiger Sicht zum Quantencomputer
führen könnte.“
Auch der Transistor war nur der Anfang
Trupke vergleicht die Situation der Quantencomputer-Forschung mit der frühen Computertechnik: „Als man die
ersten Transistoren herstellte, konnte man sich auch noch nicht vorstellen, wie es je gelingen kann, Milliarden
von ihnen auf einem Chip unterzubringen, und heute tragen wir solche Chips in der Hosentasche mit uns herum. Unsere
Stickstoff-Spins in Diamant könnten eine ähnliche Rolle spielen wie die Transistoren in der klassischen
Computertechnik.“
An der TU Wien arbeitet man nun daran, kleine Versionen dieser Architektur experimentell herzustellen. „Ein riesengroßer
Vorteil für uns ist, dass es an der TU Wien eine ganze Reihe international angesehener Forschungsgruppen aus
dem Materialtechnologie- und Quantenbereich gibt, mit denen wir zusammenarbeiten“, sagt Jörg Schmiedmayer.
Am Institut für Angewandte Physik der TU Wien arbeitet Prof. Friedrich Aumayr daran, Stickstoffatome auf die
gewünschte Weise in Diamanten einzubauen, Prof. Peter Mohn liefert mit Hilfe von Computersimulationen wichtige
numerische Daten dazu. In Zusammenarbeit mit Prof. Ulrich Schmid werden am Zentrum für Mikro- und Nanostrukturen
(ZMNS) der TU Wien die Resonatoren hergestellt, im Röntgenzentrum werden Materialuntersuchungen durchgeführt.
Auch wenn die Implementierung eines Algorithmus wie Shor-2048 noch in ferner Zukunft liegen dürfte – die Verschränkung
von Bauelementen zu größeren Cluster-Zellen sollte in den nächsten Jahren bereits gelingen. „Letztlich
kommt es darauf an, ob wir es schaffen, die Quantentechnologie in ein Zeitalter der Massenproduktion und Miniaturisierung
zu führen“, sagt Jörg Schmiedmayer. „Ich sehe keine physikalischen Gesetze, die uns prinzipiell davon
abhalten sollten.“
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