Wien (imba/öaw) - Wissenschaftler am IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften konnten in Mäusen das Krankheitsbild einer angeborenen Immunschwäche nachstellen
und eine Möglichkeit zur deren Behandlung aufzeigen. Ihre Erkenntnisse publizieren die Forscher jetzt im renommierten
Fachmagazin Nature Genetics.
Postdoktorand Gerald Wirnsberger aus der Gruppe von Josef Penninger am IMBA züchtete eine Mauslinie mit einer
angeborenen Immunschwäche, bei der die Funktion der neutrophilen Granulozyten im Blut stark beeinträchtigt
ist. Neutrophile Granulozyten sind die häufigsten weißen Blutkörperchen im Blut und notwendig für
ein funktionierendes Immunsystem. Menschen, die von dieser sogenannten "schweren kongenitalen Neutropenie"
betroffen sind, leiden häufig unter gravierenden Infektionen, weil sich ihr Körper nicht ausreichend
gegen Bakterien- und Pilzinfektionen wehren kann. Ursache dieser Immunschwäche ist offenbar ein Defekt im
Gen JAGN1. Zu dieser Erkenntnis kamen Ärzte und Wissenschaftler am Dr. von Haunerschen Kinderspital in München
und dem CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin in Wien, die diesen Gendefekt bei 14 Kindern fanden.
"Dieses Forschungsprojekt ist ein großartiges Beispiel für eine gelungene internationale Zusammenarbeit",
freut sich Josef Penninger, wissenschaftlicher Direktor am IMBA und Letztautor einer der beiden Studien. Den Partnern
Christoph Klein und Kaan Boztug war es gelungen, betroffene Familien zu finden und den Gendefekt zu identifizieren.
"Erst mit unserem Mausmodell war es aber möglich, die Krankheit tiefgründig und systematisch zu
studieren und einen Vorschlag für eine mögliche neue Therapie zu machen", erläutert Penninger
die Relevanz der genetischen Grundlagenforschung.
Die IMBA Forscher konnten zeigen, dass das Immunsystem der Mäuse, die einen Defekt des Gens JAGN1 tragen,
genauso wie beim Menschen hilflos vor allem gegen die Abwehr von Pilzinfektionen ist. Nach einer Infektion mit
dem auch für den Mensch relevanten Pilz Candida albicans starben die Mäuse mit dem Gendefekt signifikant
rascher als gesunde Mäuse.
"In einem nächsten Schritt haben wir vorhandene und potenzielle Medikamente getestet und eine vielversprechende
Entdeckung gemacht", freut sich Gerald Wirnsberger, Erstautor der IMBA Studie. Das derzeit eingesetzte Medikament
G-CSF hilft nämlich bei Kindern mit einem JAGN1 Defekt nicht. Diese Kinder haben dann nur noch die Möglichkeit
einer Knochenmarkstransplantation. Auch bei den gezüchteten Mäusen zeigte G-CSF keine Wirkung. Dafür
brachte aber ein anderes Medikament, GM-CSF, durchschlagenden Erfolg. Mäuse, die damit behandelt wurden, kamen
mit der Pilzinfektion besser zurecht und waren deutlich resistenter. Die Wissenschaftler testeten in einem weiteren
Schritt das Medikament auch bei Knochenmarkszellen von Patienten und erzielten vielversprechende Erfolge. Nach
der Behandlung zeigten sich die Zellen Pilzen gegenüber wieder abwehrfähig. Für die Patienten mit
einem JAGN1 Gendefekt bedeutet dies, dass GM-CSF auch bei ihnen wirken könnte. Ob dem tatsächlich so
ist, wird nun in klinischen Studien untersucht.
Die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts werden im Rahmen zweier Publikationen im angesehen Fachjournal Nature
Genetics präsentiert:
Wirnsberger, G. et al. Jagunal-homolog 1 is a critical regulator of neutrophil function in fungal host defense.
Nat Genet. (2014).
*Dr. Gerald Wirnsberger ist Postdoktorand in der Forschungsgruppe von Josef Penninger am IMBA und Erstautor der
oben genannten Publikation. Letztautor dieser Publikation ist Prof. Dr. Josef Penninger, Wissenschaftlicher Direktor
am IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW).
Boztug, K. et al. JAGN1 deficiency causes aberrant myeloid cell homeostasis and congenital neutropenia. Nat Genet.
(2014).
Prof. Dr. Kaan Boztug, Gruppenleiter am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW und zugleich
Assistenzprofessor in der Abteilung für Kinderheilkunde und Jugendmedizin an der Medizinischen Universität
Wien ist Erstautor der oben genannten Publikation. Letztautor dieser Publikation ist Prof. Dr. Christoph Klein,
Ärztlicher Direktor der Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital des Klinikums
der Universität München.
IMBA
Das IMBA - Institut für Molekulare Biotechnologie der ÖAW ist ein international anerkanntes Forschungsinstitut
mit rund 200 Mitarbeitern aus 25 Ländern. Die Wissenschaftler erforschen molekulare Prozesse in Zellen und
Organismen und versuchen, Ursachen für die Entstehung humaner Erkrankungen aufzuklären. Zwölf Forschungsgruppen
arbeiten an biologischen und medizinischen Fragestellungen aus Gebieten wie RNA-Biologie, Zellbiologie, Onkologie,
Stammzellforschung oder Immunologie.
http://www.imba.oeaw.ac.at
ÖAW
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist die führende Trägerin außeruniversitärer
akademischer Forschung in Österreich. Ihre Forschungseinrichtungen beschäftigen insgesamt etwa 1.300
Personen und betreiben anwendungsoffene Grundlagenforschung in gesellschaftlich relevanten Gebieten der Natur-,
Lebens- und Technikwissenschaften sowie der Geistes-, Sozial- und Kulturwissenschaften. http://www.oeaw.ac.at
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