Mars und Justitia – Völkerrecht und Erster Weltkrieg

 

erstellt am
14. 08. 14
10.00 MEZ

Linz (jku) - Der Erste Weltkrieg hat nicht nur die Landkarte Europas geprägt, sondern auch viele andere Bereiche – wie etwa das Völkerrecht. Nicht nur operativ war man auf einen Konflikt mit moderner Technologie schlecht vorbereitet, auch das Kriegsrecht war für die neue Art Krieg nicht gerüstet – ein Problem, mit dem sich das Völkerrecht grundsätzlich abplagt, weiß Prof. Sigmar Stadlmeier, Vorstand des Instituts für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz.

In einem relativ stabilen Jahrhundert, das dem Wiener Kongress von 1815 gefolgt war, hatte das Völkerrecht große Fortschritte gemacht. Viele Standardwerke entstanden in dieser Zeit. Mit dem Beginn des „Großen Krieges“ war alles anders. „Das Völkerrecht ist immer ‚one war behind‘, hinkt also immer hinterher“, so Stadlmeier. Nach großen Konflikten werden die Bestimmungen neu geregelt – im nächsten Krieg sind sie aufgrund der technischen und politischen Entwicklung wieder veraltet.

Ein Problem, das sich 1914 beim Seekrieg zeigte. Für den Kampf auf dem Wasser gab es genaue Regeln, nicht aber für den Kampf unter Wasser. Feindliche Schiffe mussten laut Kriegsrecht gewarnt, angehalten und überprüft werden. Für U-Boote wäre dieses Vorgehen der sichere Tod gewesen; entsprechend hielten sie sich nicht an diese Regeln.

Auch die rasche Entwicklung des Luftkriegs war in den Dokumenten der Haager Konferenzen von 1899 und 1907 nicht vorausgesehen worden. Das internationale Luftfahrtrecht entwickelte sich erst nach dem Krieg – und unter Einfluss der Erfahrung, die im Krieg gemacht worden war. „Man hat nach dem Krieg sofort versucht, die Luftfahrt an die Leine zu nehmen, da man das militärische Potential natürlich erkannt hat“, so Stadlmeier.

Der gerechte Krieg
Der größte Unterschied aber war die Legitimität des Krieges an sich. „Ein militärischer Schlagabtausch galt im ‚alten Europa‘ als erlaubter Weg zur Durchsetzung der politischen Ziele, war also legal, sofern dem formalen Recht Genüge getan war. Also wenn der Krieg auf die richtige Weise erklärt wurde etc. Der nach dem 1. Weltkrieg gegründete Völkerbund schränkte diese Legitimität erstmals ein“, erklärt Stadlmeier.

Ganz geächtet wurde der Krieg allerdings erst nach Zweiten Weltkrieg. Wobei der Völkerbund ohnehin einen „Geburtsfehler“ aufwies: Seine Satzung wurde den Verliererstaaten bei den Friedensverträgen „aufs Auge gedrückt“, war nicht verhandelbar. „Der Völkerbund hatte damit von Anfang an den Beigeschmack eines Siegerdiktats“, so Stadlmeier.

Und noch eine Hypothek erlegte der 1. Weltkrieg der Nachkriegsordnung auf. Die „14 Punkte“ von US-Präsident Woodrow Wilson postulierten das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Gedacht war es zur Zerschlagung des „Völkerkerkers“ Österreich-Ungarn. Im Endeffekt förderte dieser Punkt aber den Nationalismus weltweit und musste sich ebenfalls den Vorwurf der „Siegerwillkür“ gefallen lassen. Denn für die riesigen Kolonialreiche der Siegermächte Frankreich und Großbritannien wurde das Selbstbestimmungsrecht der Völker natürlich nicht angewendet.

Aber das wussten schon die Römer: „Unter Waffen schweigen die Gesetze“ (inter arma silent leges), sagte Cicero. Und das war im Ersten Weltkrieg nicht anders als zu Zeiten des Römischen Weltreichs.

 

 

 

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