Wien (freiraum-europa) - Die Frist des Gesetzgebers zur Umsetzung von Barrierefreiheit läuft in 500 Tagen
ab. Bundesbehindertenanwalt Erwin Buchinger betonte am 19.08. bei einem Treffen mit Medienvertretern die Dringlichkeit
der Maßnahmen. Nach wie vor gebe es zu viele bauliche Barrieren, die es Menschen mit Behinderungen, aber
auch Älteren und Eltern mit Kinderwagen unnötig schwer machen, ein Gebäude zu nutzen. Dietmar Janoschek,
erster blinder beeideter Sachverständige für barrierefreies Bauen, zeigte im Kundencenter des Wirtschaftsministeriums,
wie sich ein Blinder mithilfe eines Bodenleitsystems und seines Langstocks schnell und sicher orientieren kann.
Ab 1.1.2016 soll allen Menschen der Zugang und die Nutzung öffentlicher Gebäude und Flächen ungehindert
möglich sein. Ein hehres Ziel. Nach wie vor stehen sich in der Frage der Umsetzung von Barrierefreiheit verschiedene
Interessenvertreter gegenüber:
Gesetzgeber, Behindertenanwalt und Behindertenverbände fordern den raschen Abbau von baulichen Barrieren,
damit Menschen mit Behinderungen am öffentlichen Leben teilnehmen können. Gebäudeverantwortliche,
Unternehmer und Planer sehen in erster Linie den finanziellen und technischen Aufwand.
Buchinger und Janoschek machten deutlich, dass sich die Frage des "Ob" nicht mehr stellt, sondern es
jetzt um das "Wann" gehe. Im Sinne von Inklusion sei es längst gesellschaftlicher Konsens, dass
niemand mehr durch Stufen, fehlende Rampen, Behindertentoiletten, Bodenleitsysteme oder Hilfsmittel für Hörbehinderte
behindert werde. Es gebe viel zu tun, und am besten sollte man nicht erst kurz vor Fristende mit den Baumaßnahmen
beginnen.
"Barrierefreie Arztpraxen, Geschäfte, Rathäuser, Freizeiteinrichtungen bedeuten nicht nur mehr Komfort
für alle, sondern bringen auch mehr Kundenfrequenz. Es ist insbesondere wichtig, schon bei der Planung von
Gebäuden barrierefrei zu denken, damit sich aufwändige Umbauten später erübrigen. Was im öffentlichen
Bewusstsein noch nicht angekommen ist, ist die Tatsache, dass es nicht nur um die klassische Toilette für
Rollstuhlfahrer geht. Die Gruppe der Betroffenen ist viel größer: Sehbehinderte, Hörbehinderte,
Gehbehinderte und auch Personen, die sich nicht so schnell orientieren und zurechtfinden können. ", so
Dietmar Janoschek.
In Österreich leben rund 1,7 Millionen Menschen, also 20 % der Bevölkerung mit irgendeiner Art von Behinderung
(1 Mio. mit Mobilitätseinschränkungen, darunter 50.000 Rollstuhlfahrer; 0,3 Mio. mit starker Sehbeeinträchtigung;
0,2 Mio. mit psychischen/neurologischen Beeinträchtigungen; weitere 0,2 Mio. mit starker Hörbeeinträchtigung;
und 0,1 Mio. mit Lernschwierigkeiten).
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