Wien (meduni wien) - Das menschliche Protein EGFR kontrolliert das Zellwachstum. Es ist bei vielen Krebszellen
mutiert oder in übergroßer Zahl vorhanden. Deshalb dient es als Angriffspunkt zielgerichteter Therapien.
Eine Studiengruppe am Comprehensive Cancer Center von MedUni Wien und AKH Wien unter der Leitung von Maria Sibilia
vom Institut für Krebsforschung hat nun herausgefunden, dass die Gefahr von diesem Protein nicht - wie bisher
angenommen - von der Anwesenheit des Proteins innerhalb der Tumorzelle ausgeht, sondern vielmehr von seiner Aktivität
in den Nachbarzellen der Tumorzelle abhängt. In den Makrophagen (Immunzellen) der Leber kann EGFR eine starke
tumorfördernde Rolle in der Entstehung des gefährlichen Leberzellkarzinoms haben.
Beim EGF-Rezeptor (Epidermal Growth Factor Receptor, EGFR) handelt es sich um ein Protein, das als Transmembranrezeptor
viele lebenswichtige Prozesse in der Zelle kontrolliert. Der EGF-Rezeptor kommt beim Menschen in vielen Zellarten
vor und spielt eine bedeutende Rolle in vielen Krebsarten. Er wird in verschiedenen Tumorarten in Übermengen
und/oder in mutierter Form vorgefunden, was dazu führt, dass die Tumorzellen wachsen und sich vermehren. Darum
dient der EGFR bei vielen Behandlungsstrategien als Angriffspunkt. Dabei wird seine Funktion inhibiert (gehemmt)
mit dem Ziel, das Wachstum der Tumorzelle zu bremsen.
Das Leberzellkarzinom (Hepatozelluläres Karzinom, abgekürzt HCC) ist weltweit einer der häufigsten
bösartigen Tumore. Etwa sechs Prozent aller Krebserkrankungen beim Mann und rund drei Prozent bei der Frau
sind Leberzellkarzinome. Es ist die zweithäufigste Todesursache bei Krebserkrankungen. Risikofaktoren für
HCC sind Lebererkrankungen durch Hepatitis-B und -C-Infektionen sowie durch Alkoholmissbrauch oder auch die klassische
"Fettleber".
Bis jetzt war die tumorfördernde Rolle des EGFR nur mit seiner Expression direkt in den Tumorzellen in Verbindung
gebracht worden. Doch die Studiengruppe von Maria Sibilia, Leiterin des Instituts für Krebsforschung an der
MedUni Wien und stellvertretende Leiterin des Comprehensive Cancer Centers, in Kooperation mit den Forschungsgruppen
von Michael Trauner und Markus Peck-Radosavljevic an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie
(Leiter: Michael Trauner) sowie dem Eastern Hepatobiliary Surgery Institute/Hospital in Shanghai fand heraus, dass
der EGFR in den Makrophagen der Leber (das sind wichtige Zellen des Immunsystems, die in der Leber Kupffer-Zellen
heißen) für das Wachstum des Leberzellkarzinoms eine bedeutendere Rolle spielt, als bisher angenommen.
"In dieser Studie konnten wir nachweisen, dass die Hemmung des EGFR auf den Makrophagen eine tumorhemmende
Wirkung hat und nicht dessen Hemmung auf der Tumorzelle selbst", erklärt Maria Sibilia. Sollte der EGFR
aber im Gegenzug auf diesen Makrophagen in einer übergroßen Anzahl vorhanden sein, kann dies das Tumorwachstum
fördern. Sein Vorhandensein auf den Makrophagen gibt HCC-PatientInnen eine geringere Überlebenschance.
Das könnte erklären, warum zur Krebsbehandlung eingesetzte und direkt auf die Tumorzellen zielende EGFR-Hemmer
bisher enttäuschende klinische Ergebnisse in der Bekämpfung des Leberzellkarzinoms gezeigt haben. Diese
Studie weist erstmals den tumorfördernden Mechanismus für EGFR in Nicht-Tumorzellen nach, was in Zukunft
zu wirkungsvolleren und präziseren Behandlungsstrategien mit den Makrophagen als Ansatzpunkt führen könnte.
Die im Spitzen-Journal "Nature Cell Biology" publizierte Studie wurde unter anderem mit Mitteln eines
Sonderforschungsprojekts des FWF (SFB-35, Leitung: Harald Sitte) und des Doktoratskollegs "Inflammation and
Immunity" (W-1212, Leitung: M. Sibilia) finanziert.
Service: Nature Cell Biology
EGFR has a tumour-promoting role in liver macrophages during hepatocellular carcinoma formation - Hanane Lanaya,
Anuradha Natarajan, Karin Komposch, Liang Li, Nicole Amberg, Lei Chen, Stefanie K.Wculek, Martina Hammer, Rainer
Zenz, Markus Peck-Radosavljevic, Wolfgang Sieghart, Michael Trauner, Hongyang Wang and Maria Sibilia.
Fünf Forschungscluster an der MedUni Wien
Insgesamt sind fünf Forschungscluster der MedUni Wien etabliert, in welchen in der Grundlagen- wie klinischen
Forschung vermehrt Schwerpunkte an der MedUni Wien gesetzt werden. Die Forschungscluster umfassen medizinische
Bildgebung, Krebsforschung/Onkologie, kardiovaskuläre Medizin, medizinische Neurowissenschaften und Immunologie.
Die vorliegenden Arbeit am Institut für Krebsforschung der MedUni Wien fällt inhaltlich in das Comprehensive
Cancer Center, welches den Cluster Krebsforschung/Onkologie repräsentiert.
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