Sommerakademie des Österreichischen Volksliedwerks – Brückenschlag zwischen Theorie
und Praxis
Linz (lk) - Die jährlich stattfindende Sommerakademie "Volkskultur als Dialog" des Österreichischen
Volksliedwerks findet seit 1992 an verschiedenen Standorten in Oberösterreich statt. Es ist die einzige österreichweite
Fortbildungsveranstaltung, die sowohl den praktischen als auch den theoretischen Zugang zur Volkskultur zu hinterfragen
und zu überprüfen versucht. Ziel dieser jährlichen Veranstaltungsreihe ist es, das breite Betätigungsfeld
der Volkskultur anhand unterschiedlicher Perspektiven zu beleuchten, um Brücken zu schlagen zwischen jenen,
die Volkskultur leben, und jenen, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen.
Dialog zwischen Kulturen
Die Sommerakademie 2014, die noch bis Samstag, 30. August 2014 dauert, versucht den vielfältigen Ausdrucksformen
des "Wir und die Anderen" in Liedern, Musik und Tanz und Bräuchen nachzuspüren. Dabei werden
geographische, kulturelle, religiöse und auf das Geschlecht bezogene Konfliktlinien thematisiert, sowie Formen
der Begegnungen und das Potenzial für kreative Schaffensprozesse im gemeinsamen Dialog und Austausch zwischen
Menschen und Kulturen aufgezeigt. Die Tagung bietet Raum, um gemeinsam über einen vernünftigen Umgang
mit Grenzziehungen und ihren Markierungen in der Volkskultur nachzudenken.
Volkskultur als Vermittlerin
Damit setzt der Verband Österreichisches Volksliedwerk den Schwerpunkt aus dem Vorjahr zu den vermittelnden
Möglichkeiten von Volkskulturen im interkulturellen Kontext fort und erweitert diesen um zusätzliche
Aspekte. Als Dialogplattform bietet die Sommerakademie eine theoretische und praktische Auseinandersetzung mit
einem aktuellen Thema. Nachhaltig soll damit die Entwicklung und Fortführung von Initiativen und Projekten
unterstützt werden, die zur Stärkung der Vielfalt beitragen. Vor allem in ländlich dominierten
Gebieten soll damit der gemeinsame Dialog von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund und darüber hinaus
die Begegnungen von Menschen mit und ohne Beeinträchtigung, verschiedener Generationen, religiöser und
kultureller Gruppierungen sowie zwischen Frauen und Männern mittels Volkskultur begünstigt werden.
Festabend mit Liedern aus Österreich und südlichem Afrika
Seit dem Vorjahr wird die Tagung im Hotel Magerl in Gmunden am Traunsee durchgeführt. An der Sommerakademie
nehmen jährlich über 70 Vertreterinnen und Vertreter von volkskulturellen Einrichtungen, Musiker/innen,
Pädagog/innen, Studierende und Kulturwissenschaftler/innen teil. Speziell die interkulturelle Ausrichtung
der Tagung zieht vermehrt Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Migrationsvereinen sowie Sozialeinrichtungen an. Beim
musikalischen Festabend heute, Donnerstag, 28. August 2014, stehen Lieder aus Österreich und dem südlichen
Afrika am Programm.
Der Verband Österreichisches Volksliedwerk
Das Österreichische Volksliedwerk ist der Verband der Volksliedwerke der Bundesländer. Seit seiner Gründung
1904 zählen Sammlung, Archivierung, Dokumentation und Vermittlung der musikalischen Volkskultur in überlieferten
und gegenwärtigen Erscheinungsformen zu den Hauptaufgaben der Institution.
Basis der Arbeit stellen die seit über 100 Jahren gesammelten Materialien der Archive der Volksliedwerke dar.
Im Verbund werden jährlich etwa 80 Publikationen (CDs, Notenhefte, Bücher) veröffentlicht, etwa
100 Projekte und 1300 Veranstaltungen (Stammtische, offene Singen, Seminare, Symposien, Workshops Konzerte etc.)
durchgeführt, 10.000 Archivanfragen nach Liedern, Noten oder Fachpublikationen beantwortet.
Anliegen ist es, die regionale musikalisch-kulturelle Vielfältigkeit festzuhalten, weiterzugeben, das Selbertun
und die Kreativität zu fördern, um damit nachhaltig zur Verlebendigung und Erhaltung des kulturellen
Erbes des Landes beizutragen.
Auswahl an Vorträgen und Workshops der Sommerakademie 2014:
Mit gespaltener Zunge. Zweisprachige Lieder als Forschungsfeld.
Eckhard John, Deutsches Volksliedarchiv
Überall wo es Sprachgrenzen und multikulturelle Regionen gibt, finden sich zweisprachige Lieder. Von der traditionellen
"Volkslied"-Forschung wurden sie bislang als eine vernachlässigbare Form populärer und traditioneller
Lieder beiseite geschoben: als ein Randphänomen, das weder qualitativ noch quantitativ relevant schien. Die
historische Realität war jedoch eine andere. Der Vortrag veranschaulicht zum einen, dass es zweisprachige
Lieder in einem weit größeren Ausmaß gegeben hat als bislang angenommen wurde, und macht in diesem
Zusammenhang auf bislang gänzlich unbeachtete Besonderheiten des südosteuropäischen Raums aufmerksam.
Diese unterstreichen den weitreichenden transnationalen Charakter, den solche Lieder entwickeln können, und
machen den kulturgeschichtliche Stellenwert zweisprachiger Lieder deutlich.
Der Dialekt des Heimatliedes.
Ingeborg Geyer, Österreichische Akademie der Wissenschaften
In diesem Beitrag soll der Frage nachgegangen werden, wie bzw. welcher Dialekt in Landeshymnen und Heimatliedern
zur Vermittlung von Heimatgefühl und Identität eingesetzt wird, ob authentisch oder artifiziell, z.B.:
Hoamatlånd, Mei Muatterl wår a Weanerin oder lieber Hoch vom Dachstein her, Das schönste auf der
Welt.
Die Lieder der Anderen. Musik von Minderheiten in Österreich.
Marko Kölbl, Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie, Universität für Musik und
darstellende Kunst Wien
Für das Leben in einer Mehrheitsgesellschaft ist neben der Sprache die Musik ein wichtiger Identitätsmarker
von Minderheiten. Lieder und Hymnen - Identitätslieder - von Minderheiten in Österreich erzählen
von ihren Lebenssituationen und geben Einblicke in Machtrelationen, transkulturelle Prozesse und Fragen der Identität
und Ethnizität.
"Ethno" - internationale Folkmusik-Workshopwochen für junge MusikerInnen. Projektpräsentation
und Workshop.
Stephan Steiner, Musiker und Musikpädagoge (Mitwirkung u.a. bei Ethno Histria / Slowenien) und Friederike
Lilien Abitz, Musikerin (Organisatorische Leitung Ethno Germany, ein Projekt der Jeunesses Musicales Deutschland)
Vor fast 25 Jahren fand in Falun / Schweden das erste Ethno statt: ein riesiger Erfolg und damit Anstoß einer
Entwicklung hin zu einem großen Netzwerk von internationalen Musikcamps in Europa und darüber hinaus,
unter der Schirmherrschaft von Jeunesses Musicales International. In Vortrag und Workshop wird dieses facettenreiche
Projekt, wie auch musikalisches Peer-to-Peer-Learning als sein zentrales Konzept, vorgestellt.
Ich und die anderen - Sinn(en)volles Tanzen. Workshop zum Schulprojekt "Mit allen Sinnen" an Sonderpädagogischen
Zentren.
Else Schmidt, Lehrerin am Haydn-Gymnasium Wien, Musik- und Tanzvermittlerin
Auf unsere sieben Sinne verlassen wir uns so selbstverständlich...
Wie aber kann Tanz gelingen, wenn diese nicht so einwandfrei zu Verfügung stehen?
Ausgehend von den Erfahrungen im Schulprojekt "Mit allen Sinnen" an Sonderpädagogischen Zentren
werden Grenzziehungen und Überschreiten dieser Grenzen im Hinblick auf ein Gruppenerlebnis thematisiert, sowie
Möglichkeiten des kreativen Umgangs mit tradiertem Material im Workshop vorgestellt und ausprobiert.
"WIMOWEAN - The Lion Sleeps Tonight"
Festabend am 28. August 2014, 19.30 Uhr in Gmunden, Hois'n Wirt (Eintritt frei)
Am Festabend treffen Musiker/innen und Sänger/innen aus Simbabwe und aus Österreich zusammen. Die in
Wien lebenden Musikgruppe Insingizi mit drei Sängern aus Bulawayo, Simbabwe präsentiert die musikalischen
Traditionen ihres Ursprunglandes mit harmonischem a cappella-Gesang, traditionellen Liedern, Hand-Perkussion und
hervorragender Choreographie. Dazu interpretieren sie einige Wiener-Lieder. Im Anschluss lädt Herbert Bäuml
zusammen mit Teilnehmer/innen der Sommerakademie das Publikum zu einer musikalischen Reise durch Österreich
ein. Dazwischen werden einige Stücke aus dem Repertoire der Musikant/innen ausprobiert. Vertreter/innen lokaler
volkskultureller Vereine sind ebenso eingeladen, wie alle an Musik und Liedern Interessierten.
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