Was gesund hält und was krank macht
Wien (meduni wien) - Zuwanderung hat einen beträchtlichen Einfluss auf den Gesundheitsbereich, auch
in Österreich. Insbesondere aufgrund von unterschiedlichem sozialen Status, Herkunft und Geschlecht steht
die Gesundheitsversorgung vor Herausforderungen, wie Christine Binder-Fritz und Anita Rieder vom Institut für
Sozialmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien in der aktuellen Ausgabe des deutschen "Bundesgesundheitsblatts"
zeigen.
Die Begegnung mit Menschen, die einen Migrationshintergrund oder eine Fluchterfahrung haben, ist im Gesundheitsbereich
heute alltäglich. Die damit verbundene große soziale, ethnische, kulturelle und religiöse Diversität
macht sich in den Einrichtungen zur allgemeinen Gesundheitsversorgung bemerkbar - Spitalspersonal, praktische ÄrztInnen
und FachärztInnen, ApothekerInnen und TherapeutInnen sehen sich mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert.
Denn der Zusammenhang zwischen Migration und Gesundheit ist komplex. Besonders Geschlecht, Herkunft und sozioökonomischer
Status sind wichtige Ansatzpunkte, um gesundheitlichen Ungleichheiten wirksam entgegenzutreten.
Migrantinnen stärker betroffen
Insbesondere Frauen haben es schwer. Der häufig niedrigere soziale Status innerhalb der Familie, verbunden
mit schlechteren Arbeitsbedingungen und geringeren finanziellen Mitteln, sowie eine schlechtere Wohnsituation,
wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. "Migrantinnen erfahren oft zusätzliche Diskriminierung aufgrund
ihres Geschlechts und ihrer Herkunft und zählen deshalb sicher zu den am wenigsten privilegierten sozialen
Gruppen innerhalb unserer Gesellschaft", erklärt Christine Binder-Fritz. Die psychischen Belastungen
durch die Migration sind jedoch für Männer und Frauen gleichermaßen erheblich.
Nachteile durch Sprach-, Geschlechter- und Zugangsbarrieren
"Das am häufigsten genannte Problem im medizinischen Alltag ist das Verständigungs- und Versorgungsproblem
auf Grund von sprachlichen Barrieren", so Anita Rieder, Leiterin des Zentrums für Public Health der MedUni
Wien. Darüber hinaus gibt es verschiedene soziokulturelle Prägungen, wie etwa das von Männern und
Frauen erlernte geschlechtsspezifische Rollenverhalten, das z.B. bei ärztlichen Routineuntersuchungen zum
Tragen kommt.
Aber selbst der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen kann für Zuwanderer aus unterschiedlichen Gründen
erschwert sein. Das gilt insbesondere für neu ankommende MigrantInnen und AsylwerberInnen. Dazu Christine
Binder-Fritz: "Zu diesen Barrieren zählen Sprachschwierigkeiten, Informationsdefizite über das Gesundheitssystem,
ein niedriger sozioökonomischer Status, die eigene Einschätzung von Gesundheitsproblemen oder kulturspezifische
Vorstellungen über Krankheitsursachen."
Lebensstil und genetische Risikofaktoren
Mit Blick auf sogenannte "non-communicable diseases" (nichtübertragbare Krankheiten) verweisen zahlreiche
Studien auf Unterschiede in den jeweiligen Migrantengruppen. Einige haben ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
oder Diabetes, was sowohl an lebensstilbezogenen Risikofaktoren (wie ungesunde Ernährung, Rauchen, Übergewicht
und Bewegungsmangel) als auch an genetischer Prädisposition (z.B. Diabetes mellitus bei MigrantInnen aus Pakistan)
liegt.
Europa-Premiere: Neuer Universitätslehrgang "Transkulturelle Medizin und Diversity Care" startet
im Oktober 2014 an der MedUni Wien
Um den migrationsbedingten Herausforderungen im Gesundheitsbereich zu begegnen, startet im Oktober 2014 der neue
Universitätslehrgang "Transkulturelle Medizin und Diversity Care" an der MedUni Wien. Der bislang
im europäischen Raum einzigartige Master-Lehrgang vermittelt berufsbegleitend in fünf Semestern ein fundiertes
Fachwissen aus Medical Anthropology, Transkultureller Psychiatrie, Gender-Studies und Migrationsforschung. Die
vielfältigen Themen werden von international renommierten ReferentInnen vermittelt. Geleitet wird der neue
Lehrgang von Christine Binder-Fritz und Türkan Akkaya-Kalayci.
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