Glücks-Studien in Österreich geben unvollständiges Bild
Wien (pr&d) - Erhebungen zu Glück und Zufriedenheit fallen grundsätzlich eher positiv aus,
da individuelle Probleme nur sehr schlecht erfasst werden. Das ist das Ergebnis einer umfassenden Untersuchung
an der MODUL University Vienna. Mit der Studie wurden in Hunderten von Interviews, Gruppendiskussionen, Tagebuchauswertungen
und speziellen Fragebögen jene persönlichen Lebensaspekte identifiziert, die sich positiv oder negativ
auf die Zufriedenheit von ÖsterreicherInnen auswirken. Aspekte, die in offiziellen Analysen aus Gründen
der Vereinfachung nicht berücksichtigt werden (können). Die große Differenziertheit der Studie
an der MODUL University ließ dabei einige Überraschungen zu Tage treten: So sind "Hausmänner"
deutlich glücklicher als "Hausfrauen" und RaucherInnen nicht nur ungesünder, sondern auch unglücklicher.
Diese und weitere Ergebnisse der Studie werden nun auch im Herbst auf einer öffentlichen Veranstaltung der
MODUL University präsentiert.
80 Prozent der ÖsterreicherInnen geben an, zufrieden bis sehr zufrieden zu sein. Das ist erfreulich – und
Statistik. Tatsächlich ist das Lebensgefühl vieler BürgerInnen aber weniger ungetrübt als diese
Zahl vermuten lässt, was jedoch in bisherigen Umfragen normalerweise nicht berücksichtigt wird. Das ist
nicht unbedingt böse Absicht oder politisch motiviert, sondern liegt in den logistischen Anforderungen an
solche Umfragen, wie Prof. Ivo Ponocny, Leiter des Department of Applied Statistics and Economics der MODUL University
Vienna, ausführt: "Umfragen zum Wohlbefinden der BürgerInnen verwenden geschlossene Fragen. Diese
sind mit vorgegebenen Alternativen zu beantworten. Anders wäre die Auswertung extrem zeitaufwendig. Unter
solchen Bedingungen neigt man aber dazu, kritische Gesamtbewertungen des eigenen Lebens zu vermeiden. Dies lässt
sich anhand zahlreicher Beispiele belegen. Positive Zahlen dürfen daher nicht als ungetrübtes Glück
fehlgedeutet werden.“
Andere Umstände
Dies nahmen Prof. Ponocny und sein Team zum Anlass eine Studie durchzuführen, die dem Empfinden von Lebenszufriedenheit
der ÖsterreicherInnen wirklich auf die Spur kommt. Wesentlich war es dabei, die Häufigkeit und Art von
Umständen zu identifizieren, die in der österreichischen Bevölkerung als belastend empfunden werden.
Zwar läuft die Aufarbeitung des Datenmaterials dieses vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank
geförderten Projekts noch, doch zeichnen sich erste Ergebnisse bereits ab. So stellten sich im ausführlichen
Gespräch nur ca. 20 Prozent der befragten Personen in Österreich als frei von andauernden Problemen dar,
welche die Lebensfreude beeinträchtigen. Eine Zahl, die ein viel kritischeres Bild als die "80 Prozent
zufriedenen BürgerInnen" liefert, die gemeinhin kolportiert werden. Neben anhaltenden Geldsorgen, Schmerzen,
Einsamkeit und Stress zählen dabei auch Frust über die Arbeit und über sich selber zu den häufigsten
Ursachen.
Trotz der derzeit noch laufenden detaillierten Auswertung gibt es aber schon weitere interessante Ergebnisse. So
konnten in der Beurteilung von Einflüssen auf die Lebenssituation eindeutige regionale Unterschiede identifiziert
werden, die durchaus überraschten. Beispielsweise wurden in größeren Städten – im Vergleich
zu kleineren Orten – neben so offensichtlichen Aspekten wie dem urbaneren Ortsbild und der verbauten Landschaft
auch die Altenpflege und Kinderbetreuung als signifikant nachteilig für die eigene Zufriedenheit eingestuft.
Überraschend war aber auch, dass die medizinische Versorgung in beiden Ortstypen wiederum als gleich wichtig
für die Stimmung beurteilt wurde. Die Zufriedenheit mit der medizinischen Versorgung ergibt also keine regionalen
Unterschiede, so die Befragung in insgesamt 10 Ortschaften.
Umfangreiche Erkenntnisse sammelte das Team um Prof. Ponocny und Dr. Christian Weismayer auch bei den ganz persönlichen
Lebensumständen: "Generell gesagt, kennen im Allgemeinen NichtraucherInnen, Verheiratete und Menschen
mit höherer Bildung am wenigsten Unzufriedenheit, wobei allerdings das “Glück“ mit Ausbildung und Einkommen
nicht so stark ansteigt wie die “Zufriedenheit“. Deklarierte Hausmänner gab es unter den Befragten kaum, doch
erreichten diese von allen untersuchten Gruppen die besten Zufriedenheitswerte. Das ist zumindest die pointierte
Zusammenfassung vieler unserer Einzelergebnisse, die das Rauchverhalten, den Familienstatus, die Arbeitssituation
und den Bildungsgrad betreffen", erläutert Dr. Weismayer, stellvertretender Projektleiter und Assistant
Professor am Department for Applied Statistics and Economics. Und bei den geschlechtsspezifischen Unterschieden
ragten zwischen vielen Faktoren zwei besonders heraus: Das Gefühl unattraktiv zu sein, beeinflusst Frauen
deutlich häufiger als Männer – dafür leiden insbesondere ältere Männer eher unter einem
unerfüllten Sexualleben.
Grlücksbeschränkung
Insgesamt wurden während der zweijährigen Studie 550 Interviews an 10 Standorten geführt, 335
speziell ausgefüllte Tagebücher ausgewertet sowie 1.432 ausgeklügelte Fragebögen verteilt.
"Ein wichtiges erstes Fazit unserer laufenden Auswertung ist: Bei mindestens der Hälfte der Befragten
ist die Lebenszufriedenheit durch Situationen in zentralen Lebensbereichen spürbar eingeschränkt – und
dennoch fielen deren eigene Einschätzungen über Glück und Zufriedenheit mit herkömmlichen Befragungsmethoden
sehr positiv aus", fasst Prof. Ponocny zusammen.
Damit bietet die aktuelle Studie der MODUL University Vienna Grundlagen für eine kritische Diskussion über
die Gestaltung von Studien zur Lebenszufriedenheit einer Bevölkerung. Solche Erhebungen sind im Fahrwasser
des sogenannten Stiglitz-Reports der OECD im Jahr 2009 zunehmend beliebter geworden. Grundtenor des Reports war,
dass wirtschaftliches Wachstum kein befriedigendes Maß für die Zufriedenheit einer Bevölkerung
ist und es deshalb andere Maßstäbe brauche. Die Studie von Prof. Ponocny und seinem Team, die in Zusammenarbeit
mit der Universität Wien erfolgte, bietet nun genügend Anlass, die bisherigen Versuche, solche Maßstäbe
zu finden, kritisch zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Ein Prozess, den man auch mit einer Publikumsveranstaltung
im Herbst an der MODUL University Vienna dynamisieren möchte, bei der die Studienergebnisse im Detail vorgestellt
und breit diskutiert werden.
Über die MODUL University Vienna (Stand Juli 2014)
Die MODUL University Vienna, die internationale Privatuniversität der Wirtschaftskammer Wien, bietet Studienprogramme
(BBA, BSc, MSc, MBA und PhD Programme) aus den Bereichen Internationale Wirtschaft und Management, Neue Medientechnologie,
öffentliche Verwaltung und nachhaltige Entwicklung sowie Tourismus und Hospitality Management an. Die Studienprogramme
erfüllen strenge Akkreditierungsrichtlinien und werden aufgrund der internationalen Ausrichtung in Englisch
abgehalten. Der Campus der Universität befindet sich am Kahlenberg im 19. Wiener Gemeindebezirk. Das Forschungsprogramm
des Departments of Applied Statistics and Economics umfasst statistische Methoden und ihre Eigenschaften, die Erfassung
von Lebensbedingungen und deren Auswirkungen auf das Wohlbefinden sowie die Analyse von Bildungsstudien wie PISA,
PIRLS und PIAAC.
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