Möglichkeit auf temporäre Grenzkontrollen weiterhin offen
Wien (pk) - Die Asylpolitik in Österreich und innerhalb der Europäischen Union sowie die Vorkommnisse
rund um die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) waren am 18.09. die beiden dominierenden Themen im Menschenrechtsausschuss
des Nationalrats. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will nächste Woche ein Konzept zur Neustrukturierung
der Grundversorgung für Flüchtlinge im Sinne einer fairen Verantwortungsverteilung zwischen den Bundesländern
vorlegen. Außerdem ließ die Ministerin auch weiterhin die Möglichkeit von temporären Grenzkontrollen
offen. Was die geplante Deradikalisierungshotline im Zusammenhang mit der IS-Terrormiliz betrifft, soll diese Ende
November beziehungswiese Anfang Dezember starten. Wo die Hotline angesiedelt wird, werde derzeit aber noch überlegt,
sagte Mikl-Leitner. Einstimmig ausgesprochen hat sich der Menschenrechtsausschuss zudem dafür, den Kampf gegen
Gewalt an Frauen zu intensivieren.
IS: Deradikalisierungshotline soll Ende des Jahres starten
In der aktuellen Aussprache verwies Mikl-Leitner gegenüber den Abgeordneten darauf, dass im Zusammenhang mit
der IS-Terrormiliz bereits ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt wurde. Seitens der Gesetzgebung sei man
überdies bei der Bekämpfung des Terrorismus im Vergleich zu anderen Ländern sehr gut aufgestellt,
sagte die Ministerin, räumte aber auch die Notwendigkeit von Nachjustierungen, etwa bei Änderungen des
Grenzkontrollgesetzes im Hinblick auf junge Menschen, die in den Dschihad ziehen wollen, ein. Was den Präventionsbereich
betrifft, bedürfe es nicht nur der Polizei oder pädagogischer Einrichtungen, sondern auch der Zusammenarbeit
mit islamischen Organisationen und der gesamten Gesellschaft, betonte sie etwa gegenüber Christoph Hagen (T).
An einer Deradikalisierungshotline werde seit zirka einem halben Jahr gearbeitet, geplant sei, diese mit Ende November
beziehungsweise Anfang Dezember zu starten. In Richtung Ausschussvorsitzender Alev Korun (G) versicherte die Ministerin,
die Hotline dort anzusiedeln, wo es eine geringe Hemmschwelle für Betroffene gebe.
In Sachen Asylpolitik plädierte die Ministerin einmal mehr für eine faire Verteilung der Verantwortung
zwischen den Bundesländern und der diesbezüglichen Einhaltung von Asyl-Quoten. "Ich kann nur von
einer Bankrotterklärung der Gemeinden und Länder sprechen", sagte sie. Die Bemühungen der Länder
würden angesichts der steigenden Asylanträge, in den letzten Wochen täglich bis zu 170, bei Weitem
nicht ausreichen. Es sei deswegen alternativlos, für Asylunterkünfte und Quartiere auch gegen den Willen
von Gemeinden zu sorgen, entgegnete die Ministerin der Kritik von Josef Riemer (F) bezüglich des Asyl-Quartiers
am Semmering. Um dem sogenannten "Floriani-Prinzip" entgegenzuwirken, brauche es deshalb einen neuen
Automatismus der Grundversorgung. Ein entsprechendes Konzept werde nächste Woche im Zuge der Flüchtlingskonferenz
eingebracht. Geplant ist, die Erstaufnahmestellen Traiskirchen und Thalham zu entlasten, diese würden nur
mehr für Fälle im Sinne des Dublin-Abkommens zuständig sein. Die Erstabklärung soll demnach
künftig in den Bundesländern erfolgen. Kritik äußerte hier vor allem Ausschussobfrau Alev
Korun (G). Es wäre angesichts der mittlerweile drei Jahre langen Krise in Syrien schon viel früher notwendig
gewesen, die nötigen Voraussetzungen für Unterkünfte bei einem Flüchtlings-Anstieg zu schaffen,
so die Grünen-Mandatarin.
Was die Asylpolitik innerhalb der Europäischen Union betrifft, sprach sich die Ministerin für eine Quotenregelung
und eine gemeinsame Anstrengung aus, nach Möglichkeiten zu suchen, weitere Flüchtlingsopfer zu vermeiden.
Österreich habe dafür im EU-Innenministerrat das Projekt "Save Lives" eingebracht. Das Projekt
sieht vor, die UNHCR vor Ort in Drittstaaten zu bringen und Schutzbedürftigkeit zu prüfen, um die Flüchtlinge
schließlich im Sinne einer Quote auf die EU-Mitgliedsstaaten zu verteilen. Das Resultat wären faire
Quoten, aber auch Schleppern könnte damit der Nährboden entzogen werden, wie die Ministerin meinte.
Zudem hielt Mikl-Leitner entgegen der Bedenken von Alev Korun (G) fest, dass das Dublin-Abkommen auch weiterhin
bestehen bleibe. Positiv äußerte sich demgegenüber Georg Darmann (G), der im Namen seiner Fraktion
forderte, das Abkommen auch tatsächlich zu leben.
Auf den Nationalen Aktionsplan zum Schutz der Frauen vor Gewalt von Nikolaus Berlakovich und Friedrich Ofenauer
(beide V) angesprochen, unterstrich die Ministerin die Priorität der Maßnahmen in diesem Bereich. Zudem
sei der Kampf gegen Gewalt an Frauen eines der wichtigsten Wirkungsziele in ihrem Ressort, das nun auch dabei sei,
den Aktionsplan umzusetzen.
Mikl-Leitner: Nachfolgeregelung in Sachen Vorratsdatenspeicherung wünschenswert
Angesprochen von Harry Buchmayr (S) auf den Vorschlag des Justizministers Wolfgang Brandstetter bezüglich
einer Nachfolgeregelung bei der Vorratsdatenspeicherung, machte die Ministerin geltend, dass sie das Urteil auf
europäischer und nationaler Ebene respektiere, einer Nachfolgeregelung etwa im terroristischen Bereich aber
durchaus positiv gegenüber stehe.
Laut Mikl-Leitner sei man zudem bestrebt, die Vielfalt der Gesellschaft innerhalb der Polizei abzubilden, wie sie
gegenüber Franz Kirchgatterer und Andrea Gessl-Ranftl (beide S) geltend machte. Aus datenschutzrechtlichen
Gründen könne der Migrationsanteil jedoch nicht erhoben werden, in Wien liege er nach Schätzungen
aber bei rund 7 %. Der Frauenanteil, der permanent zu erhöhen sei, wie Mikl-Leitner meinte, liegt österreichweit
derzeit bei 15 %. Außerdem sollen alle Pensionsabgänge ersetzt werden.
Es wünsche sich zwar keiner, die Option von temporären Grenzkontrollen müsse man sich aber auch
in Zukunft offen halten, sagte die Innenministerin gegenüber Nikolaus Scherak (N). Gegenüber Georg Darmann
(F), der vom "Luxusbau Vordernberg" sprach, hielt sie zudem fest, dass alle von G4S beschäftigten
Mitarbeiter im Schubhaftzentrum aus der dort umliegenden Region kommen.
Opposition gegen Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an Private
Zum Schubhaftzentrum Vordernberg lagen dem Ausschuss auch zwei Anträge vor. Sowohl die NEOS als auch die Grünen
orten im Zusammenhang mit der Auslagerung von Sicherheitsaufgaben an die private Sicherheitsfirma G4S gewisse Graubereiche
und kritisieren vor allem Lücken im Rechtsschutz für dort angehaltene Menschen, etwa im Falle von rechtswidrigem
Handeln privater Wachebediensteter. Die schriftliche Festlegung von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, dass
der Staat die Haftung für ein etwaiges Fehlverhalten des privaten Sicherheitsdienstes übernimmt, ist
für NEOS-Abgeordneten Nikolaus Scherak nicht ausreichend, er fordert gleiche Rechtsmittel, unabhängig
davon, ob Sicherheitsaufgaben an Private ausgelagert sind oder nicht.
In eine ähnliche aber weitreichendere Stoßrichtung geht auch die Forderung der Grünen ( 335/A(E).
Sie treten dafür ein, aus den mit der privaten Sicherheitsfirma abgeschlossenenen Verträgen zur Vergabe
von Dienstleistungen im Schubhaftzentrum Vordernberg umgehend auszusteigen und bis dahin durch eine Novelle der
Anhalteordnung einen öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz für Schubhäftlinge zu verankern. Die Argumentation
von Innenministerin Mikl-Leitner hält Abgeordnete Alev Korun für inkonsistent, zum einen sage die Ministerin,
dass keine hoheitlichen Aufgaben ausgelagert worden seien, zum anderen halte sie fest, dass die Amtshaftung im
Falle von Grundrechtsverletzungen greifen würde.
Beide Initiativen wurden mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt. Er verstehe die Sorge der Opposition und
sehe die Auslagerung hoheitlicher Aufgaben selbst sehr kritisch, meinte SPÖ-Abgeordneter Franz Kirchgatterer,
er will die Sachlage zunächst allerdings einmal beobachten. Seine Fraktionskollegin Andrea Gessl-Ranftl machte
geltend, dass die Gemeinde Vordernberg, die die Verträge mit G4S abgeschlossen hat, Bedenken der Volksanwaltschaft
bereits Rechnung getragen habe. Kein Rechtsschutzdefizit kann Abgeordnete Maria Fekter (V) erkennen, sie hält,
anders als Abgeordneter Scherak, etwa auch Maßnahmenbeschwerden nach dem Sicherheitspolizeigesetz für
zulässig. Zudem bestehe die Möglichkeit strafrechtlicher Anzeigen.
Neben den Grünen und den NEOS sprachen sich auch Team-Stronach-Abgeordneter Christoph Hagen und FPÖ-Abgeordneter
Gernot Darmann generell dagegen aus, hoheitliche Sicherheitsaufgaben an Private auszulagern. Darmann fürchtet,
dass das Beispiel Vordernberg Schule macht und dadurch enorme Probleme entstehen könnten.
Ebenfalls mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt wurde ein Antrag der Grünen ( 90/A[E]), der sich
für eine proaktive Erkennung und angemessene Behandlung von traumatisierten Folteropfern ausspricht. Abgeordnete
Alev Korun pocht in Anlehnung an das UN-Istanbul-Protokoll über Untersuchung und Dokumentation von Folter
auf entsprechende Trainings der Asylbehörden und einen gesetzlichen Schutz Traumatisierter in Asylverfahren
vor Abschiebungen im Rahmen des Dublin-Abkommens.
Unterstützt wurde die Initiative von NEOS-Abgeordnetem Nikolaus Scherak. Er verstehe nicht, dass Österreich
wieder einmal internationale Verpflichtungen negiere, sagte er. ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller wies
dem gegenüber auf die umfassende Schulung und Ausbildung der MitarbeiterInnen des Bundesamts für Fremdenwesen
und Asyl hin und sprach sich dafür aus, zunächst die Wirksamkeit der schon gesetzten Maßnahmen
zu überprüfen.
Abgeordnete wollen Kampf gegen Gewalt an Frauen vorantreiben
Einstimmig nahm der Ausschuss schließlich eine Initiative der Regierungsfraktionen an, der darauf abzielt,
den Kampf gegen Gewalt an Frauen auf nationaler sowie internationaler Ebene zu intensivieren. Man wolle mit dem
Antrag ein prioritäres Projekt der italienischen EU-Ratspräsidentschaft unterstützen und auf österreichische
Expertise auf diesem Gebiet verweisen, hielt ÖVP-Abgeordnete Elisabeth Pfurtscheller fest. Wie eine Studie
der EU-Grundrechteagentur festgestellt hat, ist Gewalt gegen Frauen trotz aller bislang gesetzten Maßnahmen
nach wie vor ein Problem auch in den Mitgliedstaaten der EU.
In der Debatte drängte Grün-Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill darauf, den Opferschutz auch
in Österreich weiter zu verbessern und sich speziell auch um "High-Risk-Opfer" zu kümmern.
Zudem hoben sie und SPÖ-Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig die Bedeutung von Täterarbeit hervor.
FPÖ-Abgeordneter Gernot Darmann gab zu bedenken, dass auch Kinder und gelegentlich auch Männer von häuslicher
Gewalt betroffen sind.
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