Bundesrat: Rote Karte für EU-Vorschlag zur Abfallpolitik

 

erstellt am
19. 09. 14
10.00 MEZ

EU-Ausschuss sieht noch großen Änderungsbedarf beim Entwurf zum Tierzuchtrecht
Wien (pk) - Die Bemühungen der EU um eine verbesserte unionsweite Abfallpolitik werden zwar grundsätzlich begrüßt, dennoch sehen die Mitglieder des EU-Ausschusses des Bundesrats den vorliegenden diesbezüglichen Richtlinienvorschlag sehr kritisch. Aus diesem Grund wurde am 18.09. eine Subsidiaritätsrüge beschlossen, in der die Bundesrätinnen und Bundesräte feststellen, das Vorhaben sei mit dem Subsidiaritätsprinzip und mit dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar. Auch die Landtage von Wien und Niederösterreich haben massive Bedenken gegen die EU-Intentionen geäußert und ebenfalls ablehnende Stellungnahmen ihrer EU-Ausschüsse übermittelt.

Höhere Ziele im EU-Abfallrecht derzeit nicht sinnvoll
Vor allem halten es die Bundesrätinnen und Bundesräte nicht für sinnvoll, die derzeit festgelegten Ziele weiter hinauf zu setzen, wenn zwei Drittel der Mitgliedstaaten diese noch immer verfehlen. Der unterschiedliche Stand in der Abfallwirtschaft behindere einen fairen Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten, hält die Stellungnahme fest, vorrangiges Ziel müsse es daher sein, eine vollständige Umsetzung und Erfüllung der bisherigen Regelungen sicherzustellen. Im Ausschuss wurde auch die optimistische volkswirtschaftliche Darstellung in Zweifel gezogen, zumal in Österreich durch die derzeitige Recyclingquote im Bereich des Haushaltsabfalls zwar Arbeitsplätze entstanden sind, die Kosten für die Abfallwirtschaft sich seit 1995 jedoch mehr verdreifacht haben.

Kritisch sehen die LändervertreterInnen ferner die gleichzeitige Änderung von vier zusammenhängenden Parametern, nämlich die Definitionen, die Recyclingziele, die Deponieverbote und Deponiequote sowie die Berechnungsmethoden. Die Auswirkungen seien nicht nachvollziehbar, da sowohl die Bezugsbasis wie auch die Berechnungsmethode geändert werden sollen. Es gebe keine Abschätzung, wie sich die neuen Definitionen und die neue Berechnung auf die jetzigen Recyclingziele und die derzeitige Erfüllung in den Mitgliedsstaaten auswirkt, wird argumentiert.

Die Ausschussmitglieder sprechen sich daher dafür aus, die Recyclingziele realistisch zu setzen und die Basis für die Berechnung dieser Ziele klar zu definieren und zu vereinheitlichen. Die Ziele müssten für alle Mitgliedsstaaten in der vorgegebenen Zeit umsetzbar sein, so die begründete Stellungnahme (Subsidiaritätsrüge), die Reduktion der Deponiemenge sei mit realistischen Zielen festzulegen und zu einer aussagekräftigen Basis in Bezug zu stellen.

Die Beschlussfassung der begründeten Stellungnahme erfolgte mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ. Die Ablehnung der Grünen sei nicht auf inhaltliche Gründe zurückzuführen, wie Marco Schreuder (G/W) seine Haltung erläuterte, sondern, weil er keine ausreichende Gelegenheit hatte, den kurz vorher vorgelegten Antrag genau zu prüfen. Dass es in diesem Bereich einen hohen Handlungsbedarf gibt, stehe außer Zweifel, betonte Schreuder.

Umweltressort und Wirtschaftskammer lehnen Vorschlag ebenfalls ab
Der Ausschuss teilt damit auch die Bedenken des Umweltressorts. Dessen Vertreterin unterstrich insbesondere die Notwendigkeit, alle Mitgliedstaaten auf ein einheitliches realistisches Niveau heranzuführen, wobei der Schwerpunkt auf ein qualitativ hochwertiges Recycling gelegt werden sollte. Die erweiterte Herstellerverantwortung geht für sie zu weit, auch die große Zahl der delegierten Rechtsakte hält sie für ein Problem.

Die Wirtschaftskammer machte geltend, dass das Abfallrecht für die Betriebe viel Bürokratie und Kosten verursache und dass der von der EU vorgelegte Vorschlag an zu vielen Schrauben auf einmal drehe. Der Interessensvertretung geht die Herstellerverantwortung ebenfalls zu weit. Man könne auch nicht alles recyceln was recycelbar ist, meinte der Vertreter der Kammer und forderte allgemein ein ausbalanciertes Maß im Abfallrecht ein.

Die Ziele der EU-Kommission
Der Grund für die Initiative der Kommission, die Ressourceneffizienz zu erhöhen und damit auch Impulse zu einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft zu setzen, liegt in der Tatsache, dass zurzeit beträchtliche Mengen potentieller Sekundärrohstoffe verlorengehen, die sich in Abfallströmen befinden. So fielen im Jahr 2011 in der EU insgesamt rund 2,5 Milliarden Tonnen Abfälle an. Von den in der Union angefallenen Siedlungsabfällen wurde beispielsweise nur ein begrenzter Anteil (40 %) recycelt, der Rest wurde in Deponien verbracht (37 %) oder verbrannt (23 %), während etwa 500 Millionen Tonnen davon auf andere Weise hätten recycelt oder wiederverwendet werden können, heißt es in der Begründung des Richtlinienentwurfs. Die Weiterentwicklung der Abfallpolitik könne beträchtliche Vorteile durch nachhaltiges Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu verhältnismäßig geringen Kosten mit sich bringen und gleichzeitig zur Verbesserung der Umwelt beitragen. Außerdem gibt es große Unterschiede bei der Abfallbewirtschaftung innerhalb der EU-Mitgliedsländer.

Der Kommission geht es daher darum, Abfälle weitaus mehr als bisher zu vermeiden und eine umfassende Strategie zur Bekämpfung unnötiger Lebensmittelabfälle zu gewährleisten. Das Aufkommen von Lebensmittelabfällen soll bis 2025 um 30 % verringert werden. Für Verpackungsabfälle wird eine Wiederverwertung bis 2030 von 80% angestrebt. Zusätzlich sieht der Vorschlag sukzessive Deponierungsverbote für recyclingfähige Materialien vor, die energetische Verwertung soll auf nicht recycelbare Materialien und die Deponierung auf nicht verwertbare Abfälle begrenzt werden. Die Experten des Umweltministeriums machen jedoch darauf aufmerksam, dass derzeit noch völlig unklar ist, welche Abfälle vom Verbot umfasst sind, außerdem sei die vorgesehene Mengenbegrenzung nicht nachvollziehbar.

Ferner sollen die Begriffsdefinitionen angeglichen und die Berichtspflichten vereinfacht werden. Österreich nimmt insbesondere Anstoß an so manchen Begriffsdefinitionen, da sie als ungeeignet empfunden werden. Das Ministerium nennt beispielsweise die Definitionen für "Siedlungsabfälle", "Verfüllung" oder "kleine Betriebe".

Abfallvermeidung sollte im Vordergrund stehen
In der Diskussion bekräftigten die Ausschussmitglieder, die in der begründeten Stellungnahme festgehaltenen Kritikpunkte. So meinten etwa Sonja Zwazl (V/N), Franz Perhab (V/St) und Stefan Schennach (S/W) hinsichtlich der bestehenden Kluft unter den Mitgliedsstaaten was die Erreichung der bereits jetzt geltenden Anforderungen betrifft, die Schere würde weiter aufgehen, sollten die Ziele zum jetzigen Zeitpunkt angehoben werden. Erste Voraussetzung für die Erhöhung wäre, dass alle Mitgliedstaaten die Durchschnittswerte erfüllen, sagte Perhab. Für Zwazl besteht die Notwendigkeit, anderen Staaten etwa durch einen verbesserten Technologietransfer unter die Arme zu greifen. Hier werde von Österreich bereits viel unternommen, erfuhr sie aus dem Ministerium.

Zwazl gab auch zu bedenken, dass man die Verantwortung nicht nur auf die Wirtschaft, abwälzen könne, sondern hier auch die Bürgerinnen und Bürger ihren Teil dazu beitragen müssten. Dem stimmten Monika Mühlwerth (F/W), Stefan Schennach (S/W) und Marco Schreuder (G/W) durchaus zu, sie meinten jedoch, dass man vor allem bei der Müllvermeidung ansetzen müsse und dass hier die Wirtschaft aufgefordert sei, über die Verpackungspraktiken nachzudenken. Die MandatarInnen hinterfragten auch die Regelungen zum Ablaufdatum von Lebensmitteln und riefen zu mehr Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung auf. Lebensmittel seien kostbar und die heutzutage weggeworfene Menge an nicht verdorbenen Lebensmitteln sei äußerst bedenklich. Die Expertin des Umweltressorts informierte in diesem Zusammenhang die Ausschussmitglieder, dass gemeinsam mit dem in dieser Frage federführenden Gesundheitsressort Änderungen bei der Regelung des Ablaufdatums geplant seien.

Schennach thematisierte zudem das Pfandsystem und führte Deutschland als positives Beispiel an. "Deponieren heißt, die Wertschöpfung aus dem Müll nicht zu erkennen", fasste er zusammen. Er sei daher grundsätzlich froh, dass sich die EU über die Abfallproblematik Gedanken macht, die genaue Ausgestaltung sei jedoch national und regional zu betrachten.

Skepsis gegenüber Neuerungen im EU-Tierzuchtrecht – Mitteilung an Kommission geplant
Auf ebenfalls kritische Resonanz fiel der Vorschlag zum EU-Tierzuchtrecht. Die geplante Zusammenführung der derzeit etwas zersplitterten Rechtsgrundlagen in einer Verordnung, die dann in den Mitgliedstaaten direkt gilt, wurde zwar positiv bewertet, die inhaltliche Ausgestaltung des Entwurfs stieß jedoch auf Ablehnung. Einmal mehr wandten sich die Bundesrätinnen und Bundesräte gegen die vorgesehen Fülle an delegierten Rechtsakten, wodurch Änderungen ohne die Mitwirkung der Mitgliedsstaaten möglich wären. Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) nahm in diesem Zusammenhang sogar das Wort "unerträglich" in den Mund, Stefan Schennach (S/W) sprach von einem "Exzess". Man kam daher im Ausschuss überein, für die nächste Sitzung eine Mitteilung an die Kommission vorzubereiten, die auf der Stellungnahme der Bundesländer aufbaut und sich auf die wesentlichen Kritikpunkte konzentriert. Man war sich einig, dass auch in diesem Fall das Prinzip der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit verletzt wird.

Geht es nach der Kommission, sollen alle tierzuchtrechtlichen Bestimmungen für Rinder, Schweine, Pferde, Schafe und Ziegen zusammengefasst werden. Der Entwurf bündelt daher auf weite Strecken schon bisher geltende Rechtsbestimmungen, Neuregelungen gibt es hinsichtlich der Rechte und Pflichten von Zuchtorganisationen und Züchtern und der grenzüberschreitenden Tätigkeiten von Zuchtorganisationen. Diese Vorschläge werden ebenso kritisiert wie die Kontrollbestimmungen, die sowohl vom Landwirtschaftsressort als auch von den Ausschussmitgliedern als zu detailliert und damit überschießend empfunden werden.

Auch das Fehlen einer juristischen Definition des Begriffs "Rasse" und das Ungleichgewicht zwischen Rechten und Pflichten der Züchter und jenen der Zuchtorganisationen sieht man innerstaatlich noch als ein großes Manko. Das wurde auch von Martin Preineder (V/N) unterstrichen. Er machte auch darauf aufmerksam, dass die Leistungsmerkmale für manche österreichische Rinderrassen nicht anwendbar sind. Seitens des Landwirtschaftsressorts wurde darauf hingewiesen, dass es für gefährdete Rassen erleichterte Bedingungen geben soll. In Österreich würden diese seit 1995 sehr erfolgreich gefördert.

Sowohl Preineder als auch der Vertreter der Landwirtschaftskammer warfen ein, dass die Initiative der EU auch deshalb problematisch sei, da sie zu sehr in die Zuständigkeiten der Länder greife und sich darin die föderale österreichische Rechtsstruktur nicht wieder finde.

Die von Monika Mühlwerth (F/W) und Stefan Schennach (S/W) aufgeworfene Frage, inwieweit der Handel mit Zuchttieren durch die Handelsabkommen mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) berührt werden, konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden.

 

 

 

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