Internationale Nachfrage für exportgetriebenen Aufschwung zu gering
Wien (wifo) - Die neuerliche Dämpfung des Welthandels in den letzten Monaten verhindert einen exportgetriebenen
Aufschwung im Euro-Raum und in Österreich. Da viele Länder die Folgen der Finanzmarktkrise noch nicht
überwunden haben, bleibt auch - im Gegensatz zu den USA - die Binnennachfrage schwach. In Österreich
wird das reale BIP heuer daher um nur 0,8% wachsen, 2015 um 1,2%.
2013 gewann der Welthandel etwas an Dynamik und mit ihm der heimische Außenhandel. Der Aufschwung, der durch
die positiven Stimmungsindikatoren angezeigt wurde, festigte sich aber nicht, u. a. da die internationale Exportnachfrage
aufgrund des Kapitalabzuges aus vielen Schwellenländern wieder jäh abnahm. Darüber hinaus entwickelt
sich die Binnennachfrage im Euro-Raum seit der Rezession 2012/13 sehr gedämpft. Die Privatverschuldung ist
seit der Finanzmarktkrise kaum gesunken und schränkt in vielen Ländern die Konsum- und Investitionsmöglichkeiten
ein. Die weitere Lockerung der Geldpolitik durch die EZB erleichtert zwar das Kreditangebot, behebt aber nicht
die Nachfrageschwäche. Für den Euro-Raum wird daher ein geringeres BIP-Wachstum prognostiziert als Ende
Juni 2014 (2014 +0,8%, 2015 +1,1%), die Prognose für die USA wird beibehalten (2014 +2,2%, 2015 +3,1%).
Vor diesem Hintergrund wird der heimische Außenhandel weniger expandieren als im Sommer erwartet. Investitionen
werden wegen der getrübten Absatzperspektiven zurückgehalten. Betroffen sind insbesondere die Ausrüstungsinvestitionen,
die heuer noch stagnieren. In der Herstellung von Waren nimmt neben der Arbeitszeit pro Kopf auch die Beschäftigung
ab. In den Dienstleistungsbranchen steigt sie vor allem aufgrund der Ausweitung von Teilzeitstellen. Für die
Gesamtwirtschaft ergibt sich eine Stagnation des Arbeitsvolumens, sodass das reale Wirtschaftswachstum von 0,8%
2014 und 1,2% 2015 gänzlich auf Produktivitätssteigerungen beruht. Der Rückgang der Beschäftigung
inländischer Arbeitskräfte setzt sich fort, zumal auch deren Arbeitskräfteangebot aus demographischen
Gründen abnimmt. Die Arbeitslosenquote erhöht sich im Prognosezeitraum auf knapp unter 9%. Die Inflationsrate
bleibt mit 1,8% angesichts der Konjunkturschwäche relativ hoch und schmälert neben der zunehmenden Abgabenbelastung
die reale Kaufkraft. Der private Konsum steigt daher weiter nur mäßig. Die Konjunktureintrübung
belastet zwar die öffentlichen Haushalte, gleichzeitig dämpft aber der weitere Rückgang der Zinssätze
die Ausgaben. Ein Risiko für die Konjunktur liegt insbesondere in einer möglichen Verschärfung der
Russland-Krise. Eine Belebung der Konjunktur könnte in Gang kommen, wenn die neue Europäische Kommission
deutliche Stimulierungsmaßnahmen setzt.
Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte
bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der
Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen"
Bezug genommen.
Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung
gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.
Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über
den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen
Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.
Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten
Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als
die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres
t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.
Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche
Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.
Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte
nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.
Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden,
Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.
Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex
(VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist
die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität
innerhalb der Euro-Zone ( siehe auch http://www.statistik.at/
).
Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen
Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel
und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex
(VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.
WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung
ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche
Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren
sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten
Unternehmen.
Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot
der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig
Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei
AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind
und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde
selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge
zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist
der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).
Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die
Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.
Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen
auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenzdiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis.
Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".
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