Studienautor Schneider: „Wenn energieintensive Industrie abwandert, hätte das verheerende
volkswirtschaftliche Folgen“
Wien (pwk) - Welche wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen auf Österreich hätte das neue
EU-Treibhausgasziel, das eine CO2-Reduktion von 40 Prozent bis 2030 anpeilt?
Das analysiert eine gestern im Wirtschaftsministerium vorgestellte Studie von Friedrich Schneider, Professor am
Institut für Volkswirtschaftslehre und Leiter der Abteilung für Energiewirtschaft an der Johannes Kepler
Universität Linz.
Die Studie, welche von Wirtschaftsministerium, WKÖ, IV, Landwirtschaftskammer und Österreichs Energie
gemeinsam beauftragt wurde, prüft und vergleicht die Betroffenheit der österreichischen Volkswirtschaft
durch ein CO2-Reduktionsziel von 35, 40 und 45 Prozent. Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit ein Reduktionsziel
von 40 Prozent – dieses könnte trotz Bedenken der europäischen Wirtschaft im Oktober von den Staats-
und Regierungschefs in Brüssel beschlossen werden.
Negativfolgen durch Absiedlung der Industrie verstärkt
„Die volkswirtschaftliche Bewertung zeigt, dass es durch die Erreichung der
Klimaziele für 2030 mittelfristig zu einem negativen Beitrag für das Bruttoinlandsprodukt kommt und
dabei ein niedrigeres Beschäftigungsniveau generiert wird“, analysiert Schneider. Die Modellrechnungen ergeben
bei einem Treibhausgas-Einsparziel von 40 Prozent einen Rückgang des BIP um durchschnittlich 1,6 Mrd. Euro
pro Jahr und der Beschäftigung um durchschnittlich 10.100 Personen pro Jahr. Die Ergebnisse zeigen, dass vor
allem die Höhe des EU-Einsparziels ausschlaggebend für die Dämpfung der Konjunktur ist.
Durch die Weiterführung der Gratiszuteilung von CO2-Zertifikaten entsteht eine geringere Belastung für
die vom EU-Emissionshandel erfassten Unternehmen (Energieversorger und Industrie), sodass aufgrund der höheren
Wertschöpfung dieser Sektoren ein höheres BIP und eine geringere Arbeitslosigkeit generiert werden. Schneider
warnt jedoch: „Im Falle der Absiedlung der energieintensiven Industrie als Folge der Kostenbelastungen werden die
negativen Auswirkungen drastisch verstärkt. Bis 2030 steigert sich der jährliche Rückgang des BIP
auf 11,0 Mrd. Euro, und die Arbeitslosigkeit nimmt um 61.600 Personen zu.“
Noch weniger Investitionen – Schwarzer: Gratiszuteilung garantieren
Die Berechnungen zeigen auch, dass bei einem 40-prozentigen-Reduktionsziel die jährlichen Investitionen der
Unternehmen im Zeitraum 2020 bis 2030 Jahr für Jahr um 300 Millionen Euro fallen. „Dieses Negativszenario
muss verhindert werden. Die Klima- und Energiepolitik sollte dringend notwendige Investitionen anreizen statt zu
hemmen“, fordert Stephan Schwarzer, Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik der WKÖ.
Schwarzer appelliert an die Politik, eine Entscheidung mit Augenmaß und Weitsicht zu treffen: „Bei der Ratssitzung
im Oktober geht es nicht nur um Tonnen CO2 oder Kilowattstunden Energie. Letztlich geht es um Wachstum, Beschäftigung
und Wohlstand. Und um Standortqualität, denn ein solches Reduktionsziel ist auch maßgeblich für
den europäischen Industriestandort im internationalen Wettbewerb“, so der WKÖ-Experte.
In diesem Sinne solle die Studie eine Entscheidungsgrundlage für die Politik sein. Schwarzer: „Dabei geht
es nicht um Schwarzmalerei oder Wort-Case-Szenarien, sondern realistische Einschätzungen der Konsequenzen
der Reduktionsziele auf lange Sicht“. Die Annahme in der Studie, dass bis zum Ende des Betrachtungszeitraumes 2030
etwa 25 Prozent der Industriebetriebe abgewandert sein würden, bezeichnet Schwarzer als „sogar eher konservativ
geschätzt“. Auch die Einschätzung, dass auf jeden wegfallenden Job in der Industrie nur ein Arbeitsplatz
in einem Zuliefererbetrieb verloren geht, sei sehr vorsichtig gewählt.
„Anstatt die Wirtschaft zu belasten, braucht es Wachstumsperspektiven, insbesondere für die energieintensive
Industrie. Dafür notwendig ist eine garantierte Gratiszuteilung von 100 % ihres Bedarfs an Zertifikaten an
effizient produzierende energieintensive Betriebe im EU-Emissionshandel“. Dies würde österreichische
Unternehmen vor einer Kostenlawine schützen und dazu beitragen, dass wieder vermehrt in Europa investiert
wird.
„In den letzten Jahren war das Wachstum der Wirtschaft auch deshalb so flau, weil die Anlageninvestitionen auf
niedrigem Niveau stagnierten – die von der Kommission vorgeschlagenen restriktiven Rahmenbedingungen haben Investoren
zusätzlich verunsichert“, kritisierte Schwarzer.
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