Franz Schausberger, Vorstand des Instituts der Regionen Europas: Strategie gegen die Landflucht
gefordert, sonst droht Zwei-Klassen-Gesellschaft!
Wien/Salzburg (ire) - „Politik und Wissenschaft erkennen das Problem – aber anstatt entgegenzuwirken, verschärft
man es. Niemand hat eine wirksame Strategie gegen die enorm wachsende Landflucht.“ Es stelle sich die Frage, ob
man überhaupt etwas dagegen tun will, erklärte Franz Schausberger, ehemaliger Landeshauptmann von Salzburg
und Vorstand des Instituts der Regionen Salzburgs anlässlich der Eröffnung der 10. Konferenz Europäischer
Regionen und Städte in Wien am 28.09.
Aus rein ökonomischen und finanziellen Gründen habe man die Infrastruktur in den ländlichen Räumen,
in den Gemeinden und kleineren Städten in den letzten Jahren zerstört. Schulen, Bezirksgerichte, Polizeiämter,
Postämter, Banken, Krankenhäuser, wurden und werden geschlossen, Kirchen geben ihre Gotteshäuser
auf. Gasthäuser, Nahversorger, Betriebe und damit Arbeitsplätze verschwinden. Abwanderungen gab es früher
auch, aber es kamen gerade auf dem Land ausreichend Kinder nach. Das fehle heute, eine dramatische Überalterung
sei die Folge. Der demografische Wandel, die alternde Gesellschaft verstärken das Gefälle zwischen den
städtischen Großzentren und den ländlichen Gebieten.
Junge Leute ziehe es zur Ausbildung an verschiedene Bildungseinrichtungen, vor allem Universitäten, in die
Städte, wo die meisten blieben, weil das Jobangebot am besten sei.
Es gäbe auf lokaler und regionaler Ebene bereits einzelne erfolgreiche und erfolgversprechende Initiativen,
seien es mobile Nahversorger, mobile ärztliche Versorgung, private Bürgerbus-Linien, Arbeitskräfte-Sharing-Modelle
etc., betonte Schausberger.
Wird der Staat steuernd eingreifen?
Eine der entscheidenden Fragen werde auch sein, ob die Gesellschaft bereit sei, Infrastruktur in den ländlichen
Regionen auch dann aufrecht zu erhalten, wenn es sich rein wirtschaftlich gesehen nicht mehr rechne. „Wird der
Staat bereit sein, Steuermittel einzusetzen, um der Landflucht entgegenzuwirken und der Bevölkerung, die gerne
auf dem Land lebt, dort ihre Zukunft zu ermöglichen?“, fragte Schausberger. Seines Erachtens sei die Politik
gefordert, steuernd über Steuererleichterungen und Subventionierung der Infrastruktur einzugreifen, auch wenn
es oftmals marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten widerspräche.
Schöne Landschaft, gute Luft, billigeres Bauland, mehr Ruhe, weniger Stress, weniger Bürokratie, das
sind einige Vorteile, die am Land zu geniessen sind. Es gibt durchaus junge und kreative Menschen, Ein-Personen-Unternehmen,
die gerne am Land leben und dort auch ihre Arbeit machen können. Sofern sie die notwendige Infrastruktur vorfinden:
gute Verkehrsanbindung und gleich gute Kommunikationsinfrastruktur, sprich Breitbandversorgung. Werden dazu nicht
die gleichen Voraussetzungen geschaffen wie in den Städten, wird es zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft kommen,
die zu sozialen Spannungen führt.
Enorme Herausforderungen für die wachsenden Städte!
In den großen, wachsenden, urbanen Zentren wiederum haben wir die Herausforderungen der Zunahme des Verkehrs
und der damit verbundenen Umweltprobleme, des Wohnungsbedarfs und der steigenden Immobilienpreise, Verknappung
von Bau- und Gewerbegründen, der Suburbanisierung, der Entsolidarisierung, der Kriminalität, der Entstehung
von Satelliten- und Trabantenstädten mit negativen Auswirkungen auf die Kernstadt.
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