Wien (universität) - Einem interdisziplinären ForscherInnenteam der Universität Wien (Institut
für Anorganische Chemie) und der Medizinischen Universität Wien (Institut für Krebsforschung) ist
es gelungen, eine neue Strategie zur Reduktion der oft schweren Nebenwirkungen für eine wichtige Klasse moderner
Krebstherapeutika (Tyrosinkinase-Inhibitoren) zu entwickeln. Der Wirkstoff soll sich möglichst selektiv auf
den bösartigen Tumor beschränken.
Das Auftreten von schweren Nebenwirkungen sowie Resistenzentwicklung gehören zu den größten Problemen
der modernen Krebstherapie. Auch neueste zielgerichtete Krebsmedikamente, wie z.B. die Tyrosinkinase-Inhibitoren
Tarceva oder Sutent sind von diesen Problemen betroffen, was sogar zum Therapieabbruch führen kann. Die Wirkung
dieser Klasse von Inhibitoren beruht auf einer gezielten Hemmung von Proteinen, die in Krebszellen überaktiviert
sind und das krankhafte Zellwachstum antreiben. Jedoch stellte sich in der klinischen Praxis heraus, dass, bedingt
durch die physiologischen Funktionen dieser Proteine im gesunden Gewebe, die Hemmung zu schweren Nebenwirkungen
führen kann. Daher besteht für diese vielversprechenden neuen Therapeutika akuter Bedarf nach Strategien,
ihre Wirkung selektiver auf den bösartigen Tumor zu beschränken.
Ziel der Forschungen war die Entwicklung eines verbesserten Tyrosinkinase-Inhibitors, der eigentlich inaktiv ist
und nur selektiv im krankhaften Gewebe aktiviert wird. Dadurch soll die Schädigung von gesundem Gewebe verhindert
und somit die Nebenwirkungen in den PatientInnen minimiert werden. Im Rahmen der Arbeit, die im renommierten Journal
"Angewandte Chemie, International Edition" publiziert wurde, konnte erfolgreich ein neuer Inhibitor synthetisiert
und an Cobalt(III) koordiniert werden. Dies führt dazu, dass das Medikament vorerst seine Wirkung verliert
und unter normalen physiologischen Bedingungen keine Aktivität aufweist. Nur im Tumorgewebe, wo aufgrund des
schnellen Wachstums ungewöhnlich sauerstoffarme Bedingungen vorherrschen, wird die inaktive Cobalt(III)-Verbindung
zu Cobalt(II) reduziert und als Folge der aktive Wirkstoff freigesetzt. Diese tumorselektive Wirksamkeit konnte
sowohl in der lebenden Zelle als auch im tumortragenden Organismus nachgewiesen werden.
Ermöglicht wurde die Entwicklung der komplexen Idee und Strategie durch die hervorragende interdisziplinäre
Zusammenarbeit, im Rahmen der Forschungsplattform "Translational Cancer Therapy Research" unter der Leitung
von Bernhard Keppler, Dekan der Fakultät für Chemie der Universität Wien, und Walter Berger, Professor
an der Medizinischen Universität Wien. Diese Forschungsplattform fördert den ständigen wissenschaftlichen
Austausch zwischen synthetischen ChemikerInnen der Universität Wien und KrebsforscherInnen der Medizinischen
Universität Wien. Nur durch diese Möglichkeiten ist es dem Team der UniversitätsassistentInnen Christian
Kowol (Universität Wien) und Petra Heffeter (Medizinische Universität Wien) gelungen, auf der Basis zweier
Diplomarbeiten (von Claudia Karnthaler-Benbakka, Msc. und Diana Groza, Msc.) die vorliegenden Ergebnisse zu erarbeiten.
Die Studie wurde vom Fonds der Stadt Wien für "innovative interdisziplinäre Krebsforschung",
dem österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und von COST CM1105 finanziell unterstützt. Aufgrund der
vielversprechenden Ergebnisse wurde die neue Verbindungsklasse von den beiden Universitäten patentrechtlich
geschützt, und es wird derzeit intensiv nach einem Partner für die weitere (klinische) Entwicklung gesucht.
Bisher gab es keine vergleichbare Strategie zur Reduktion der (schweren) Nebenwirkungen von Tyrosinkinase-Inhibitoren.
So besteht die Hoffnung, dass in Zukunft durch den hier präsentierten Ansatz die Verträglichkeit der
Therapie verbessert werden kann und auch PatientInnen von der Behandlung profitieren können, welche diese
bisher abbrechen mussten.
Publikation in "Angewandte Chemie, International Edition":
Tumor-Targeting of EGFR Inhibitors by Hypoxia-Mediated Activation: C.
Karnthaler-Benbakka, D. Groza, K. Kryeziu, V. Pichler, A. Roller, W. Berger, P. Heffeter und C. R. Kowol. 2014.
DOI: 10.1002/anie.201403936
|