Aktuelle Asyldebatte und RH-Vorschläge zum Thema Flüchtlinge
Wien (pk) - "Der Aufwand zwischen Bund und Ländern und die Erfüllung der Aufnahmequote bei
der Unterbringung von Flüchtlingen ist unausgewogen." Diese Feststellung des Rechnungshofs stammt aus
dem Prüfbericht zur Grundversorgung von AsylwerberInnen in den Bundesländern Salzburg, Steiermark und
Wien. Rechnungshofpräsident Josef Moser empfahl dem Nationalrat klarere Kriterien für den Kostenersatz
sowie bundesweite Standards der Grundversorgung. Generell sah er das System der Flüchtlingsbetreuung für
reformbedürftig an und erinnerte daran, dass strittige Fragen wie die Anpassung der Kostensätze und der
Umfang des Begünstigtenkreises ungelöst geblieben seien, weswegen Länder ihre Aufnahmequoten unzureichend
erfüllt hätten. Salzburg und Steiermark bringen im Unterschied zu Wien Flüchtlinge überwiegend
in organisierten Quartieren unter, ohne auf kostengünstigere individuelle Unterbringungsmöglichkeiten
zurückzugreifen, lautete eine weitere Beobachtung des Rechnungshofs. Die im Koordinierungsrat beschlossene
Erhöhung des Kostenersatzes für Individualunterbringung soll endlich umgesetzt werden. Auch sollte der
Koordinierungsrat für die Bundesländer die Kostenersätze für Grundversorgungsleistungen einvernehmlich
festlegen und zeitnah abwickeln. Eine Schiedsinstanz könnte den schwelenden Kostenstreit zwischen Bund und
Ländern beilegen. – Nach einer lebhaften Debatte wurde der Bericht des Rechnungshofs einstimmig zur Kenntnis
genommen. Anträge der FPÖ auf Wiedereröffnung des Polizeipostens in Spital am Semmering und auf
temporäre Grenzkontrollen sowie der NEOS auf eine ökologische Steuerreform unter sozialen Aspekten blieben
in der Minderheit und wurden abgelehnt.
Eingangs der Debatte hatte Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) die Anwesenheit der Innenministerin beantragt, weil
das Thema "Flüchtlinge" wegen des aktuellen Ansturms von Asylwerbern nach Österreich aktuell
große Bedeutung habe. Demgegenüber hielten es die Klubobmänner Reinhold Lopatka (VB) und Andreas
Schieder (S) übereinstimmend für richtig, dass sich die Innenministerin auf einer Konferenz mit den Ländern
in Kärnten um eine Lösung offener Fragen beim Thema Flüchtlingsunterbringung im Interesse der ÖsterreicherInnen
bemühe.
Österreich muss Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen
Mit dem Hinweis auf Tausende Schutzsuchende aus Syrien und eine drohende Flüchtlingswelle aus der Ukraine,
wenn es dort zu einer Eskalation des Konflikts mit Russland komme, eröffnete Abgeordnete Karin Greiner (S)
die Debatte über Vorschläge des Rechnungshofs zur Verbesserung der Flüchtlingsunterbringung: Leistungsvereinbarungen
mit Flüchtlingsorganisationen und die vermehrte individuelle Unterbringung von Asylwerbern. Greiner plädierte
ihrerseits dafür, Flüchtlinge in kleineren Gruppen auf ganz Österreich aufzuteilen und unterstrich
grundsätzlich die Verpflichtung Österreichs, Flüchtlingsfamilien menschenwürdig unterzubringen.
Diesem Bekenntnis schloss sich auch ÖVP-Abgeordnete Claudia Durchschlag an. Sie führte Probleme bei der
Betreuung von Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, auf Vorurteile zurück, dazu komme die unterschiedliche
Kompetenzlage zwischen Gebietskörperschaften. Durchschlag wandte sich gegen ein "Dichtmachen der Grenzen",
wobei sie darauf hinwies, dass 50 % der Flüchtlinge Kinder seien. Auch Durchschlag sprach sich für die
verstärkte Unterbringung in individuellen Quartieren aus und hofft auf eine gemeinsame Lösung von Bund,
Ländern und Gemeinden für diese schwer traumatisierten Menschen.
FPÖ: Kritik an Schleppern und "Asylindustrie"
Eine "Asylindustrie" ortete Abgeordneter Mario Kunasek (F) in der Steiermark und problematisierte die
Absicht, in Spital am Semmering 250 Flüchtlinge in einem Ortsteil unterzubringen, der deutlich weniger Einwohner
habe. Kunasek beantragte die Wiedereröffnung der Polizeidienststelle in Spital am Semmering. Abgeordneter
Philip Kucher (S) wies die Aussage, in der Steiermark bestehe eine "Asylindustrie", vehement zurück.
Auch Kucher brach eine Lanze für die individuelle Unterbringung von Flüchtlingen in kleinen Strukturen,
weil dies, wie der Rechnungshof nachweise, sowohl humaner als auch kostengünstiger sei.
Mangelnde Kommunikation mit den BürgerInnen und BürgermeisterInnen bei der Unterbringung von Flüchtlingen
und bei der Schließung von Polizeiposten warf Abgeordnete Martina Schenk (T) der Innenministerin vor. Auch
Schenk verlangte eine bessere Aufteilung der nach Europa kommenden Flüchtlinge zwischen den EU-Mitgliedsländern.
In Italien kommen 0,2 Flüchtlinge auf 1000 Einwohner, in Österreich sind es zehn Mal so viele, klagte
Schenk.
Die aktuellen Probleme bei der Unterbringung von Flüchtlingen führte Abgeordneter Walter Rosenkranz
(F) auf Versäumnisse der letzten Jahrzehnte zurück, weil ÖVP und SPÖ unter dem Titel Asyl unbegrenzte
Zuwanderung nach Österreich zugelassen hätten. Jetzt fehlten die Plätze für Menschen, die aus
Kriegsgebieten flüchten müssen. Rosenkranz kritisierte, dass Italien Flüchtlinge aus Afrika unter
Bruch von EU-Recht "nach Österreich durchwinke" und hielt es für unverständlich, dass
moslemische Flüchtlinge aus Syrien nicht in moslemischen Ländern Aufnahme finden, sondern nach Europa
kommen. Der Vorschlag des Abgeordneten lautete, die Unterbringung von Flüchtlingen in der Region zu unterstützen.
Der Abgeordnete, der sich erstaunt darüber zeigte, dass den Grünen kein Wort zum Thema Flüchtlinge
einfalle, legte einen FPÖ-Entschließungsantrag auf Einführung temporärer Grenzkontrollen vor.
Der FPÖ-Fraktionskollege von Walter Rosenkranz, Abgeordneter Rupert Doppler, bekannte sich zur Hilfe für
Menschen, die Hilfe brauchen, warnte aber zugleich davor, die BürgerInnen beim Thema Asyl zu überrumpeln.
Die Unterbringung weiterer Asylwerber in Bad Gastein lehnte Doppler ab; auch seine Forderungen lauteten auf Grenzkontrollen
und Maßnahmen gegen Schlepper.
Kritik an Begünstigungen im Einkommensteuerrecht
Abseits vom Thema Flüchtlinge, das die Debatte beherrschte, brachten die Abgeordneten Bruno Rossmann (G) und
Rainer Hable (N) die Kritik des Rechnungshofs an insgesamt 558 Begünstigungen im Einkommensteuerrecht zur
Sprache. Diese Steuerausnahmen rufen Einnahmenausfälle von 9 Mrd. € und Vollzugskosten von 73 Mio. € hervor.
1.846 Vollzeitbedienstete seien nur mit der Administration dieser Begünstigungen beschäftigt, was weitere
Einnahmenausfälle nach sich ziehe, weil diese Beamten nicht bei Betriebsprüfungen eingesetzt werden können.
Rossmann kritisierte weiters auch Intransparenz bei den Begünstigungen und hielt die Aussagekraft des Förderungsberichts
über indirekte Förderungen für mangelhaft. Das Finanzministerium zeige kein Interesse an einer Evaluierung
der Begünstigungen, klagte Rossmann. Die ÖVP lasse mit ihren Vorschlägen zur Ausweitung der Absetzbarkeit
etwa von Kinderbetreuungskosten erkennen, dass sie an komplizierten Steuerausnahmen im Einkommensteuerrecht festhalten
wolle.
Im Einkommensteuerwesen fehlten klare Ziele, konkrete Kriterien sowie Evaluierung und Wirkungsanalyse, sagte Abgeordneter
Rainer Hable (N) unter Hinweis auf die Rechnungshofkritik. Der umfangreiche "Codex"-Band zum Einkommensteuerrecht,
den Hable zum Rednerpult mitgenommen hatte, umfasst nahezu 1.500 kleinbedruckte Seiten, was den Abgeordneten veranlasste,
von "bürokratischem Wahnsinn" und der Unmöglichkeit der SteuerzahlerInnen zu sprechen, sich
in diesem Rechtsbereich zurechtzufinden. Auch Hable trat für eine Vereinfachung und Ökologisierung des
Einkommensteuerrechts ein und machte auf das Beispiel Schwedens aufmerksam, wo es gelungen sei, durch Besteuerung
des Ressourcenverbrauchs Wachstum durch Umweltinvestitionen anzuregen und den CO2-Ausstoß zu reduzieren.
Auf Entlastung sowie auf Ökologisierung und Transparenz des Steuersystems zielte ein von Hable vorgelegter
NEOS-Entschließungsantrag.
Rechnungshofpräsident mahnt Strukturreformen ein
Rechnungshofpräsident Josef Moser dankte für das Lob der Abgeordneten für die Arbeit des Rechnungshofs,
deren Bedeutung Moser mit Zahlen zum starken Anstieg der Staatsverschuldung und mit den Risiken auf dem Weg zu
einem ausgeglichenen Haushalt untermauerte. Wenn Budgetkonsolidierung und Finanzierung von Offensivmaßnahmen
gelingen sollen, seien Strukturreformen unerlässlich, sagte der Rechnungshofpräsident. Dazu gehörten
konkret mehr Transparenz im Einkommensteuerrecht, bei den Körperschaftsteuern sowie bei den Förderungen.
Voraussetzung dafür sei auch ein besserer Förderungsbericht, zeigte sich Moser überzeugt.
Im Interesse der BürgerInnen sei auch die Qualitätssicherung in den Spitälern zu verbessern, wobei
der Rechnungshofpräsident zahlreiche Details nannte, unter anderem auch auf die Unterschreitung der Mindestanzahl
von Operationen, die in einem Spital pro Jahr durchgeführt werden sollten. Beim Thema Flüchtlingsgrundversorgung
wiederholte Moser seinen Vorschlag zur Einführung einer Schiedsinstanz sowie Maßnahmen gegen die Kompetenzzersplitterung.
Schließlich forderte er einmal mehr die Zusammenführung der Ausgaben- und Aufgabenverantwortung in den
Gebietskörperschaften.
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