Justizminister Brandstetter kündigt Verschärfung des Verhetzungsparagrafen an
Wien (pk) – Im Rahmen einer – von der ÖVP beantragten - Aktuellen Stunde zum Thema "Keine Chance
dem Dschihadismus – Maßnahmen Österreichs gegen die terroristische Bedrohung" präsentierte
Justizminister Wolfgang Brandstetter am 24.09. Vorschläge seines Ressorts in diesem Bereich. Generell war
er der Meinung, dass die Gesetzeslage bezüglich terroristischer Aktivitäten ausreichend sei, Nachschärfungen
in einzelnen Bereichen, wie etwa beim "Verhetzungsparagrafen" konnte er sich aber durchaus vorstellen.
Ebenso wie die VertreterInnen aller Parlamentsparteien hob er die Bedeutung von Prävention hervor, um die
Radikalisierung von jungen Menschen zu verhindern. Massive Kritik gab es von FPÖ-Seite, die der Regierung
vorwarf, zu spät zu reagieren und nicht scharf genug gegen Auftritte von Islamisten in Österreich vorzugehen.
Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zeichne sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht nur punktuell
Angst und Schrecken verbreiten will, sondern dass sie letztendlich auf eine Weltherrschaft abzielt, erklärte
einleitend ÖVP-Abgeordneter Werner Amon. Dies sei eine massive Bedrohung der westlichen Kultur, der mit allen
gebotenen Mitteln und ganz entschieden entgegen getreten werden müsse. Neben der breiten Länderallianz
im Kampf gegen den IS-Terror brauche es aus seiner Sicht auch einen nationalen Schulterschluss, um mit wohlüberlegten
und raschen Maßnahmen auf die Gefahren des Dschihadismus zu reagieren. Die ÖVP habe bereits ein Gesetzespaket
vorgelegt, das u.a. Ausreisekontrollen für Minderjährige oder die Aberkennung der Staatsbürgerschaft
bei Teilnahme an Kämpfen im Ausland enthält. Er lade alle Parlamentsparteien ausdrücklich dazu ein,
sich an der Diskussion darüber zu beteiligen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.
Justizminister Brandstetter setzt auf Prävention und Nachschärfung einzelner Bestimmungen
Justizminister Wolfgang Brandstetter appellierte an alle Abgeordnete, gemeinsame Lösungen im Kampf gegen den
Dschihadismus zu erarbeiten, um vor allen junge Menschen davon abzuhalten, in den Krieg zu ziehen. Er halte es
daher für richtig, dass die Innenministerin z.B. das Grenzkontrollgesetz nachschärfen möchte, weil
dadurch das Leben von irregeleiteten und durch Hassprediger radikalisierten Jugendlichen geschützt werden
könne. Ebenso müsse man sich die Rechtsgrundlagen in Bezug auf Doppelstaatsbürgerschaften näher
ansehen. All diese legistischen Maßnahmen werden sehr bald in Begutachtung gehen, kündigte er an.
Was das Justizressort angeht, so wies der Minister darauf hin, dass es seit einigen Jahren ein ausreichend strenges
Gesetz gegen terroristische Aktivitäten gibt, und zwar unabhängig davon, ob diese Taten im Inland oder
im Ausland begangen werden. In solchen Fällen können Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren verhängt
werden. Hier müsse auch nicht nachgeschärft werden, war Brandstetter überzeugt. Treffsicherer gestalten
sollte man seiner Meinung nach den Tatbestand der Verhetzung, um gegen radikale Tendenzen in jeder Richtung vorgehen
zu können. Konkreter Anlass für entsprechende Überlegungen war der sogenannte Platzsturm in Bischofshofen
vor einigen Monaten. Die Erfordernis für einen Straftatbestand sollte nämlich nicht davon abhängen,
ob es 30, 50 oder 200 Zuseher gibt. Auf dem am 14. Oktober geplanten "Gipfel gegen Hass und Hetze" soll
gemeinsam mit Experten über weitere Maßnahmen diskutiert werden, wobei natürlich alle Ressorts
gefordert sind.
ÖVP: Wehret den Anfängen - Terrorismus darf in Österreich keine Chance haben
Für Nulltoleranz gegenüber den Dschihadisten sprach sich Abgeordnete Michaela Steinacker (V) aus. Es
sei die Verantwortung aller, der Politik, der Gesellschaft und der Familien, zu verhindern, dass unsere Gesellschaft
von solchen Personen unterwandert wird. Verhetzung und Anwerbung von Sympathisanten erfolge heutzutage nicht mehr
auf den Straßen, sondern vor allem über die sozialen Medien oder im kleinen Bereich. Prävention
sei das Gebot der Stunde, betonte Steinacker. Sie sei den Ministern Brandstetter, Mikl-Leitner und Kurz deshalb
sehr dankbar für das umfassende Gesetzespaket, um diesen Gefahren besser zu begegnen. Dem ÖVP-Mandatar
Asdin El Habbassi ging es vor allem darum, Zeichen zu setzen gegen das Auseinanderdividieren von Kulturen und Religionen.
Es sei ihm daher wichtig, darauf hinzuweisen, dass die in Österreich lebenden Muslime derartige Gräueltaten
genauso ablehnen wie alle anderen Bürger. Wer in Österreich Hass und Gewalt sät, der soll Gefängnis
ernten; dies sei die richtige Antwort auf all jene Personen, die mit Terrororganisationen sympathisieren. Auf der
anderen Seite müsse man sich intensiv um die jungen Menschen kümmern, forderte El Habassi, denn wer eine
gute Ausbildung hat, einen Job und sich nicht ausgegrenzt fühlt, der ist nicht anfällig dafür, in
den Krieg zu ziehen.
SPÖ: Gemeinsame Anstrengungen im Sinne der Demokratie und zum Schutz der Bevölkerung
SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim (S) zeigte sich entsetzt über die Gräuelmorde und Wahnsinnstaten
der IS-Terroristen, die noch dazu als Videos ins Internet gestellt werden. Umso wichtiger sei eine effiziente Präventionsarbeit,
um die Jugendlichen rechtzeitig zu immunisieren, meinte der Redner. Gleichzeitig müsse mit aller Härte
gegen jene vorgegangen werden, die als Anwerber für den IS-Terror fungieren. Was die Gesetzeslage betrifft,
so hielt er - ebenso wie Brandstetter - die bestehenden Terrorismusbestimmungen für ausreichend. Dennoch sollte
in allen Ressorts überlegt werden, welche zusätzlichen Maßnahmen noch ergriffen werden können.
Daran anschließend hob sein Fraktionskollege Otto Pendl hervor, dass es nicht um mehr Rechte für die
Justiz oder die Exekutive gehe, sondern um den bestmöglichen Schutz für die österreichische Bevölkerung.
FPÖ wirft der Regierung jahrelange Untätigkeit gegenüber Dschihadismus vor
Die Abgeordneten Heinz-Christian Strache und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) warfen der Bundesregierung vor, Warnungen
nicht ernst genommen zu haben und viel zu spät zu reagieren. Zahlreiche Geheimdienste und der Verfassungsschutz
machen nämlich seit über einem Jahrzehnt darauf aufmerksam, dass Österreich Rekrutierungs- und Aufmarschzentrum
radikaler Islamisten ist. Die Freiheitlichen haben immer wieder auf Missstände hingewiesen, wie etwa die Tatsache,
dass bedenkliche Inhalte, die ans finstere Mittelalter erinnern, an den Schulen unterrichtet oder in Hinterhöfen
gepredigt werden. Strache hielt es zudem für bedenklich, dass es allein in Wien über 20 salafistische
Kindergärten gibt. Auch von Seiten der muslimischen Vereine und der Religionsgemeinschaft in Österreich
selbst hätte man sich einen lauteren Protest und eine vehemente Ablehnung des Heiligen Krieges erwartet, beklagte
Belakowitsch-Jenewein. Wenn man wirklich davon überzeugt ist, dass es keinen Millimeter Toleranz gegenüber
solchen Gruppen geben darf, dann müsse man sich fragen, warum nicht mit der vollen Härte eines Verbotsgesetzes
gegen islamistische Organisationen vorgegangen wird.
Grüne: Kampf gegen Terrorismus ohne Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) war der Auffassung, dass gegen die Hintermänner des Dschihadismus, die
junge Menschen gewissenlos ins Verderben hetzen, rigoros vorgegangen werden muss. Dafür brauche es aber kein
Verbotsgesetz, meinte er, denn es gebe bereits eine Reihe von effizienten Strafbestimmungen, die man nur anwenden
müsse. Es sei natürlich das erklärte Ziel der Terroristen, in Europa und weltweit ein Klima der
Angst und des Schreckens zu verbreiten. Dennoch dürfe man sich nicht dazu verleiten lassen, die Grund- und
Freiheitsrechte einzuschränken, warnten die G-Mandatare Albert Steinhauser und Alev Korun. Aus diesem Grund
standen sie entsprechenden Vorschlägen, die Vorratsdatenspeicherung wieder aufleben zu lassen, ablehnend gegenüber.
Steinhauser erinnerte daran, dass diese Maßnahme zwei Jahre in Kraft war, aber zu keiner Aufklärung
einer terroristischen Straftat beigetragen hat. Stattdessen sollte man verstärkt auf Chancengleichheit im
Bildungssystem sowie auf präventive Maßnahmen setzen, unterstrich Korun, wie etwa die Einrichtung einer
Anlauf- bzw. Beratungsstelle für Angehörige von gefährdeten Jugendlichen. Wichtig sei dabei, einen
niederschwelligen Zugang zu gewährleisten, weshalb sich Korun dagegen aussprach, eine solche Stelle bei der
Polizei anzusiedeln.
NEOS regen eine Diskussion über einen europäischen Islam an
Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger (N) begrüßte die Position von Justizminister Brandstetter ausdrücklich,
wonach Prävention vor Repression stehen müsse. Sie sei daher verwundert darüber, dass das gemeinsam
mit Innenministerin Mikl-Leitner vorgestellte Gesetzespaket zahlreiche Repressionsmaßnahmen enthalte. Kritisch
beurteilte sie vor allem, dass wieder die Vorratsdatenspeicherung, die massiv in die die Grund- und Freiheitsrechte
eingreift, ins Spiel gebracht wurde. Es sei natürlich eine sehr schwierige Frage, wie man am besten mit dem
Phänomen des Dschihadismus umgehen soll, räumte Meinl-Reisinger ein. Da der IS-Terror das europäische
Staaten- und Gesellschaftsmodell, das auf der Aufklärung basiere, bedrohe, sollte ihrer Meinung nach ein Dialog
über einem europäischen Islam in die Wege geleitet werden. NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak ging sodann
noch auf die Flüchtlingsproblematik ein, die nur mit Solidarität und Menschlichkeit gelöst werden
könne.
Team Stronach: Demokratie muss wehrhaft sein
Abgeordneter Georg Vetter vom Team Stronach hielt es für positiv, dass es angesichts des IS-Terrors zu keiner
Anlassgesetzgebung kommt, sondern dass nur über einzelne legistische Nachschärfungen nachgedacht wird.
So sei es aus seiner Sicht durchaus diskussionswürdig, eine Erhöhung des Strafrahmens in Bezug auf den
"Verhetzungsparagrafen" ins Auge zu fassen. Auch sollte die Verantwortung jedes einzelnen Bürgers,
auch wenn er erst 15 oder 16 Jahre alt ist, nicht klein geredet werden. Man könne sich nicht immer darauf
ausreden, dass die Gesellschaft zu wenig getan hat, es gebe eine Individualverantwortung im Strafrecht. Jessi Lintl
(T) unterstrich zudem, dass Muslime nun keinesfalls unter Generalverdacht gestellt werden dürfen. Die große
Mehrheit der Gläubigen sei schwer erschüttert, dass Terrorgruppen den Islam als Rechtfertigung für
ihre Gräueltaten missbrauchen. Dennoch sei die islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, die das
Insiderwissen hat, gefordert, Verantwortung zu übernehmen und alles daran zu setzten, die Radikalisierung
von Jugendlichen zu verhindern. Lintl vertrat die Ansicht, dass jedem, der unter Verdacht steht, sich einer Terrorgruppe
angeschlossen zu haben, die Staatsbürgerschaft entzogen und ein Verbot für die Wiedereinreise ausgesprochen
wird.
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