Nationalrat: Breite Front gegen den Dschihadismus

 

erstellt am
25. 09. 14
10.00 MEZ

Justizminister Brandstetter kündigt Verschärfung des Verhetzungsparagrafen an
Wien (pk) – Im Rahmen einer – von der ÖVP beantragten - Aktuellen Stunde zum Thema "Keine Chance dem Dschihadismus – Maßnahmen Österreichs gegen die terroristische Bedrohung" präsentierte Justizminister Wolfgang Brandstetter am 24.09. Vorschläge seines Ressorts in diesem Bereich. Generell war er der Meinung, dass die Gesetzeslage bezüglich terroristischer Aktivitäten ausreichend sei, Nachschärfungen in einzelnen Bereichen, wie etwa beim "Verhetzungsparagrafen" konnte er sich aber durchaus vorstellen. Ebenso wie die VertreterInnen aller Parlamentsparteien hob er die Bedeutung von Prävention hervor, um die Radikalisierung von jungen Menschen zu verhindern. Massive Kritik gab es von FPÖ-Seite, die der Regierung vorwarf, zu spät zu reagieren und nicht scharf genug gegen Auftritte von Islamisten in Österreich vorzugehen.

Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zeichne sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht nur punktuell Angst und Schrecken verbreiten will, sondern dass sie letztendlich auf eine Weltherrschaft abzielt, erklärte einleitend ÖVP-Abgeordneter Werner Amon. Dies sei eine massive Bedrohung der westlichen Kultur, der mit allen gebotenen Mitteln und ganz entschieden entgegen getreten werden müsse. Neben der breiten Länderallianz im Kampf gegen den IS-Terror brauche es aus seiner Sicht auch einen nationalen Schulterschluss, um mit wohlüberlegten und raschen Maßnahmen auf die Gefahren des Dschihadismus zu reagieren. Die ÖVP habe bereits ein Gesetzespaket vorgelegt, das u.a. Ausreisekontrollen für Minderjährige oder die Aberkennung der Staatsbürgerschaft bei Teilnahme an Kämpfen im Ausland enthält. Er lade alle Parlamentsparteien ausdrücklich dazu ein, sich an der Diskussion darüber zu beteiligen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln.

Justizminister Brandstetter setzt auf Prävention und Nachschärfung einzelner Bestimmungen
Justizminister Wolfgang Brandstetter appellierte an alle Abgeordnete, gemeinsame Lösungen im Kampf gegen den Dschihadismus zu erarbeiten, um vor allen junge Menschen davon abzuhalten, in den Krieg zu ziehen. Er halte es daher für richtig, dass die Innenministerin z.B. das Grenzkontrollgesetz nachschärfen möchte, weil dadurch das Leben von irregeleiteten und durch Hassprediger radikalisierten Jugendlichen geschützt werden könne. Ebenso müsse man sich die Rechtsgrundlagen in Bezug auf Doppelstaatsbürgerschaften näher ansehen. All diese legistischen Maßnahmen werden sehr bald in Begutachtung gehen, kündigte er an.

Was das Justizressort angeht, so wies der Minister darauf hin, dass es seit einigen Jahren ein ausreichend strenges Gesetz gegen terroristische Aktivitäten gibt, und zwar unabhängig davon, ob diese Taten im Inland oder im Ausland begangen werden. In solchen Fällen können Freiheitsstrafen bis zu 15 Jahren verhängt werden. Hier müsse auch nicht nachgeschärft werden, war Brandstetter überzeugt. Treffsicherer gestalten sollte man seiner Meinung nach den Tatbestand der Verhetzung, um gegen radikale Tendenzen in jeder Richtung vorgehen zu können. Konkreter Anlass für entsprechende Überlegungen war der sogenannte Platzsturm in Bischofshofen vor einigen Monaten. Die Erfordernis für einen Straftatbestand sollte nämlich nicht davon abhängen, ob es 30, 50 oder 200 Zuseher gibt. Auf dem am 14. Oktober geplanten "Gipfel gegen Hass und Hetze" soll gemeinsam mit Experten über weitere Maßnahmen diskutiert werden, wobei natürlich alle Ressorts gefordert sind.

ÖVP: Wehret den Anfängen - Terrorismus darf in Österreich keine Chance haben
Für Nulltoleranz gegenüber den Dschihadisten sprach sich Abgeordnete Michaela Steinacker (V) aus. Es sei die Verantwortung aller, der Politik, der Gesellschaft und der Familien, zu verhindern, dass unsere Gesellschaft von solchen Personen unterwandert wird. Verhetzung und Anwerbung von Sympathisanten erfolge heutzutage nicht mehr auf den Straßen, sondern vor allem über die sozialen Medien oder im kleinen Bereich. Prävention sei das Gebot der Stunde, betonte Steinacker. Sie sei den Ministern Brandstetter, Mikl-Leitner und Kurz deshalb sehr dankbar für das umfassende Gesetzespaket, um diesen Gefahren besser zu begegnen. Dem ÖVP-Mandatar Asdin El Habbassi ging es vor allem darum, Zeichen zu setzen gegen das Auseinanderdividieren von Kulturen und Religionen. Es sei ihm daher wichtig, darauf hinzuweisen, dass die in Österreich lebenden Muslime derartige Gräueltaten genauso ablehnen wie alle anderen Bürger. Wer in Österreich Hass und Gewalt sät, der soll Gefängnis ernten; dies sei die richtige Antwort auf all jene Personen, die mit Terrororganisationen sympathisieren. Auf der anderen Seite müsse man sich intensiv um die jungen Menschen kümmern, forderte El Habassi, denn wer eine gute Ausbildung hat, einen Job und sich nicht ausgegrenzt fühlt, der ist nicht anfällig dafür, in den Krieg zu ziehen.

SPÖ: Gemeinsame Anstrengungen im Sinne der Demokratie und zum Schutz der Bevölkerung
SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim (S) zeigte sich entsetzt über die Gräuelmorde und Wahnsinnstaten der IS-Terroristen, die noch dazu als Videos ins Internet gestellt werden. Umso wichtiger sei eine effiziente Präventionsarbeit, um die Jugendlichen rechtzeitig zu immunisieren, meinte der Redner. Gleichzeitig müsse mit aller Härte gegen jene vorgegangen werden, die als Anwerber für den IS-Terror fungieren. Was die Gesetzeslage betrifft, so hielt er - ebenso wie Brandstetter - die bestehenden Terrorismusbestimmungen für ausreichend. Dennoch sollte in allen Ressorts überlegt werden, welche zusätzlichen Maßnahmen noch ergriffen werden können. Daran anschließend hob sein Fraktionskollege Otto Pendl hervor, dass es nicht um mehr Rechte für die Justiz oder die Exekutive gehe, sondern um den bestmöglichen Schutz für die österreichische Bevölkerung.

FPÖ wirft der Regierung jahrelange Untätigkeit gegenüber Dschihadismus vor
Die Abgeordneten Heinz-Christian Strache und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) warfen der Bundesregierung vor, Warnungen nicht ernst genommen zu haben und viel zu spät zu reagieren. Zahlreiche Geheimdienste und der Verfassungsschutz machen nämlich seit über einem Jahrzehnt darauf aufmerksam, dass Österreich Rekrutierungs- und Aufmarschzentrum radikaler Islamisten ist. Die Freiheitlichen haben immer wieder auf Missstände hingewiesen, wie etwa die Tatsache, dass bedenkliche Inhalte, die ans finstere Mittelalter erinnern, an den Schulen unterrichtet oder in Hinterhöfen gepredigt werden. Strache hielt es zudem für bedenklich, dass es allein in Wien über 20 salafistische Kindergärten gibt. Auch von Seiten der muslimischen Vereine und der Religionsgemeinschaft in Österreich selbst hätte man sich einen lauteren Protest und eine vehemente Ablehnung des Heiligen Krieges erwartet, beklagte Belakowitsch-Jenewein. Wenn man wirklich davon überzeugt ist, dass es keinen Millimeter Toleranz gegenüber solchen Gruppen geben darf, dann müsse man sich fragen, warum nicht mit der vollen Härte eines Verbotsgesetzes gegen islamistische Organisationen vorgegangen wird.

Grüne: Kampf gegen Terrorismus ohne Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte
Abgeordneter Albert Steinhauser (G) war der Auffassung, dass gegen die Hintermänner des Dschihadismus, die junge Menschen gewissenlos ins Verderben hetzen, rigoros vorgegangen werden muss. Dafür brauche es aber kein Verbotsgesetz, meinte er, denn es gebe bereits eine Reihe von effizienten Strafbestimmungen, die man nur anwenden müsse. Es sei natürlich das erklärte Ziel der Terroristen, in Europa und weltweit ein Klima der Angst und des Schreckens zu verbreiten. Dennoch dürfe man sich nicht dazu verleiten lassen, die Grund- und Freiheitsrechte einzuschränken, warnten die G-Mandatare Albert Steinhauser und Alev Korun. Aus diesem Grund standen sie entsprechenden Vorschlägen, die Vorratsdatenspeicherung wieder aufleben zu lassen, ablehnend gegenüber. Steinhauser erinnerte daran, dass diese Maßnahme zwei Jahre in Kraft war, aber zu keiner Aufklärung einer terroristischen Straftat beigetragen hat. Stattdessen sollte man verstärkt auf Chancengleichheit im Bildungssystem sowie auf präventive Maßnahmen setzen, unterstrich Korun, wie etwa die Einrichtung einer Anlauf- bzw. Beratungsstelle für Angehörige von gefährdeten Jugendlichen. Wichtig sei dabei, einen niederschwelligen Zugang zu gewährleisten, weshalb sich Korun dagegen aussprach, eine solche Stelle bei der Polizei anzusiedeln.

NEOS regen eine Diskussion über einen europäischen Islam an
Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger (N) begrüßte die Position von Justizminister Brandstetter ausdrücklich, wonach Prävention vor Repression stehen müsse. Sie sei daher verwundert darüber, dass das gemeinsam mit Innenministerin Mikl-Leitner vorgestellte Gesetzespaket zahlreiche Repressionsmaßnahmen enthalte. Kritisch beurteilte sie vor allem, dass wieder die Vorratsdatenspeicherung, die massiv in die die Grund- und Freiheitsrechte eingreift, ins Spiel gebracht wurde. Es sei natürlich eine sehr schwierige Frage, wie man am besten mit dem Phänomen des Dschihadismus umgehen soll, räumte Meinl-Reisinger ein. Da der IS-Terror das europäische Staaten- und Gesellschaftsmodell, das auf der Aufklärung basiere, bedrohe, sollte ihrer Meinung nach ein Dialog über einem europäischen Islam in die Wege geleitet werden. NEOS-Mandatar Nikolaus Scherak ging sodann noch auf die Flüchtlingsproblematik ein, die nur mit Solidarität und Menschlichkeit gelöst werden könne.

Team Stronach: Demokratie muss wehrhaft sein
Abgeordneter Georg Vetter vom Team Stronach hielt es für positiv, dass es angesichts des IS-Terrors zu keiner Anlassgesetzgebung kommt, sondern dass nur über einzelne legistische Nachschärfungen nachgedacht wird. So sei es aus seiner Sicht durchaus diskussionswürdig, eine Erhöhung des Strafrahmens in Bezug auf den "Verhetzungsparagrafen" ins Auge zu fassen. Auch sollte die Verantwortung jedes einzelnen Bürgers, auch wenn er erst 15 oder 16 Jahre alt ist, nicht klein geredet werden. Man könne sich nicht immer darauf ausreden, dass die Gesellschaft zu wenig getan hat, es gebe eine Individualverantwortung im Strafrecht. Jessi Lintl (T) unterstrich zudem, dass Muslime nun keinesfalls unter Generalverdacht gestellt werden dürfen. Die große Mehrheit der Gläubigen sei schwer erschüttert, dass Terrorgruppen den Islam als Rechtfertigung für ihre Gräueltaten missbrauchen. Dennoch sei die islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, die das Insiderwissen hat, gefordert, Verantwortung zu übernehmen und alles daran zu setzten, die Radikalisierung von Jugendlichen zu verhindern. Lintl vertrat die Ansicht, dass jedem, der unter Verdacht steht, sich einer Terrorgruppe angeschlossen zu haben, die Staatsbürgerschaft entzogen und ein Verbot für die Wiedereinreise ausgesprochen wird.

 

 

 

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