Auswirkungen internationaler Probleme auf heimische Wirtschaft im Zentrum der NR-Sondersitzung
Wien (pk) – Die Krise in der Ukraine, die geplanten Handelsabkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA),
aber auch die zahlreichen Regulierungen auf EU-Ebene haben zunehmend Auswirkungen auf die österreichische
Wirtschaftslage und stellen die Politik vor Herausforderungen. In der am 23.09. auf Initiative des Team Stronach
einberufenen Nationalrats-Sondersitzung lehnte Klubobfrau Kathrin Nachbaur dezidiert die Teilnahme Österreichs
an den EU-Sanktionen gegen Russland, aber auch einen Beschluss des TTIP ab und forderte die Bundesregierung auf,
vor diesem Hintergrund im Interesse Österreichs zu handeln und Maßnahmen zur Verteidigung der österreichischen
Wirtschaft zu setzen. Ihr Dringlicher Antrag mit dem Titel "Wirtschaftskrieg, Rekordarbeitslosigkeit und TTIP:
Österreich als Marionette, gefangen zwischen Ost und West" war dabei mit dem Vorwurf an die Koalition
verbunden, durchschlagende Lösungen etwa in Sachen Steuer- oder Verwaltungsreform aufgrund parteipolitischer
Grabenkämpfe immer wieder auf die lange Bank zu schieben. Bundeskanzler Werner Faymann hingegen bekannte sich
zur Teilnahme an den Sanktionen und hielt der Kritik Nachbaurs entgegen, Österreich könne nicht einfach
"wegschauen".
Der Dringliche Antrag fand schließlich nicht die erforderliche Mehrheit und wurde abgelehnt. Ebenso blieb
der in der Sitzung eingebrachte Antrag des Abgeordneten Leopold Steinbichler (T), ein Qualitätsgütesiegel-Gesetz"
vorzulegen, in der Minderheit.
Mehrheitlich angenommen wurde hingegen ein Entschließungsantrag der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP,
in dem die Bundesregierung ersucht wird, sich für eine strenge Überwachung der Waffenruhe in der Ukraine
einzusetzen und weiterhin für eine Strategie der Deeskalation einzutreten. Die Abgeordneten sprechen sich
dabei für eine Verhandlungslösung aus, die die Wahrung der territorialen Integrität der Ukraine
umfasst. Gleichzeitig wird die Regierung aufgefordert, sich auf den verschiedensten Ebenen aktiv für die Überwindung
der gesellschaftlichen Gräben in der Ukraine, die Stärkung rechtsstaatlicher Strukturen und die Absicherung
von Minderheitenrechten einzusetzen.
Nachbaur klagt über "Selbstaufgabe" der österreichischen Politik
Österreich sei in seinen Entscheidungen zusehends fremdbestimmt, beklagte Kathrin Nachbaur (T) und stellte
fest, angesichts der Rekordarbeitslosigkeit wäre die Regierung gut beraten, vernünftige Wirtschaftspolitik
zu betreiben, anstatt sich als Spielball zwischen Ost und West missbrauchen zu lassen. Vehement sprach sie sich
in diesem Zusammenhang gegen die Teilnahme an den EU-Sanktionen gegen Russland aus und warnte, bei einem drohenden
Wirtschaftskonflikt im Gefolge der Ukraine-Krise würde Österreich nur verlieren. Die Sanktionen gegen
Russland müssten letztlich die heimischen ArbeitnehmerInnen ausbaden. Nachbaur sparte zwar nicht mit Kritik
am Vorgehen Russlands, gab aber zu bedenken, bei den EU-Sanktionen gehe es nicht um die Menschenrechte, sondern
vielmehr darum, US-Interessen in Europa durchzusetzen. Schwere Bedenken äußerte sie auch gegen das Transatlantische
Handelsabkommen mit den USA (TTIP), durch das, wie sie befürchtete, die hohen österreichischen Standards
untergraben werden könnten. Nachbaur sprach von Selbstaufgabe der heimischen Politik und meinte, es gehe nicht
an, dass in Brüssel LobbyistInnen und VertreterInnen angelsächsischer Anwaltskanzleien über die
Interessen der österreichischen ArbeitnehmerInnen entscheiden.
Konkret forderte Nachbaur die Bundesregierung auf, in der Ukraine-Krise eine Vermittlerrolle zu übernehmen
und Wien als Ort eines Friedensgipfels vorzuschlagen. Gleichzeitig sollte Österreich aber auch auf einen Stopp
der Wirtschaftssanktionen drängen. Was wiederum die Verhandlungen über die Transatlantischen Handelsabkommen
mit den USA und Kanada betrifft, tritt das Team Stronach für eine zeitgerechte und umfangreiche Information
der Bevölkerung und eine demokratische Beteiligung an den diesbezüglichen Entscheidungsprozessen ein.
Auf EU-Ebene schließlich sieht der Antrag die Regierung gefordert, entschlossen gegen überbordende Bürokratie
und jegliche Verletzung des Subsidiaritätsprinzips aufzutreten. Zudem untermauerte Nachbaur den Ruf ihrer
Fraktion nach einer auf Wachstum und Transparenz ausgerichteten Steuerreform inklusive Senkung der Unternehmensbesteuerung
auf 10 % für alle Unternehmen, die im Inland investieren. Eine klare Absage erteilte die Team Stronach-Klubobfrau
überdies den SPÖ-Vorschlägen zu einer Vermögenssteuer.
Faymann: Österreich darf nicht wegschauen
Bundeskanzler Werner Faymann erinnerte an die im internationalen Vergleich niedrige Arbeitslosenrate und schloss
daraus, Österreich sei besser als die meisten anderen EU-Staaten durch die Krise gekommen. Es bestehe kein
Grund, die Situation schlecht zu reden, dies hätten sich die fleißigen ArbeitnehmerInnen nicht verdient,
so der Kanzler. Es könne aber auch kein Zufall sein, dass gerade jene Länder, in denen kein Steuerdumping
betrieben wird, heute die besten wirtschaftlichen Eckdaten aufweisen, bemerkte Faymann überdies in Anspielung
an die Steuerdiskussion in Österreich. Außer Zweifel stand für Faymann allerdings, dass die geringen
Wachstumszahlen einen Handlungsauftrag an die Politik darstellen. Entscheidend sei es vor diesem Hintergrund, durch
Investitionsprogramme in der EU wieder Arbeitsplätze zu schaffen, betonte Faymann, der sich aber über
den Umstand klar war, dass es dafür dann auch gemeinsame Haftungen und Garantien geben müsse. Das Transatlantische
Handelsabkommen TTIP interpretierte Faymann als Basis für Investitionen, wobei er allerdings präzisierte,
gerade im Verhältnis zu den USA sei es nicht notwendig, durch ein Schlichtungsverfahren zusätzlichen
Investorenschutz einzurichten.
Österreichs Teilnahme an den EU-Sanktionen gegen Russland verteidigte der Bundeskanzler. Für Österreich,
das selbst seine Unabhängigkeit und Souveränität erkämpfen musste, wäre es unwürdig,
im Ukraine-Konflikt wegzuschauen und bloß auf die guten wirtschaftlichen Beziehungen mit Russland zu achten.
Wir haben vielmehr unseren Beitrag im Interesse der humanitären Situation und zum Schutz der Integrität
der Ukraine zu leisten und diesen Standpunkt auch durch eine klare Sprache gegenüber Russland zu vertreten,
stand für Faymann fest. Als neutrales Land verfolge Österreich jedenfalls keine militärische, sondern
eine friedenspolitisch geprägte Logik, unterstrich der Bundeskanzler und fügte an, Waffenlieferungen
seien kein geeignetes Mittel, um den Konflikt beizulegen.
Die komplexe Welt der Wirtschafts- und Außenpolitik
In der folgenden Debatte spiegelte sich die inhaltlich breite Palette des Dringlichen Antrags wieder, wenn auch
die Fraktionen unterschiedliche Schwerpunkte setzten. Die globale wirtschaftliche Entwicklung, internationale Freihandelsabkommen
und die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt kamen ebenso zur Sprache wie politische Grundsatzfragen,
allen voran Frieden, Menschenrechte und Neutralität.
Einer "selektiven Wahrnehmung" zieh Erstredner Robert Lugar (T) die österreichische Bundesregierung
in Bezug auf ihr internationales Eintreten für Menschenrechte und staatliche Souveränität vor dem
Hintergrund der Ukraine-Krise. Die USA, meinte er, verstießen fortwährend gegen Menschen- und Bürgerrechte,
ohne dass dagegen Protest eingelegt werde. Vielmehr treibe man die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP unter
Ausschluss der Öffentlichkeit voran, wodurch wohl europäische Produktstandards untergraben würden.
Eine Petition europäischer BürgerInnen gegen TTIP sei "abgedreht" worden, empörte sich
Lugar und rief deswegen das Plenum zum gemeinsamen Kampf gegen die Profitgier internationaler Konzerne auf, wenn
dadurch die Interessen der österreichischen Bevölkerung geschädigt würden.
Lugars vehementes Auftreten gegen TTIP fand seine Fortsetzung bei FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache,
der eine Volksabstimmung über dieses Freihandelsabkommen zwischen EU und USA einforderte. Generell, so Strache,
sei die wirtschaftliche Gesamtsituation höchst bedenklich, wie schlechte Wachstumsprognosen und Rekordarbeitslosigkeit
in Österreich zeigten. Dessen eingedenk, hätte die österreichische Regierung im Ukraine-Konflikt,
diesem "Wirtschaftskrieg", nicht Partei ergreifen dürfen, kritisierte der Freiheitliche. Nicht nur
habe man sich durch das Mittragen der EU-Sanktionen gegen Russland über den neutralen Status Österreichs
hinweggesetzt, auch der österreichischen Wirtschaft werde so großer Schaden zugefügt, warnte Strache.
Das sei in allen Wirtschaftssektoren, vom Handel, über Tourismus und Landwirtschaft bis ins Bankenwesen zu
spüren.
Für die Klubobfrau der Grünen, Eva Glawischnig-Piesczek, ist das Verhältnis zwischen der EU und
Russland ebenfalls "besorgniserregend". Sie betonte jedoch, die russische Völkerrechtsverletzung
auf der Krim verlange eindeutige Konsequenzen. In Zusammenhang mit der Ukraine-Krise dürfe es außerdem
nicht immer nur um Wirtschaftsinteressen gehen, als elementare Verantwortung des Westens sei auch die Unterstützung
der Flüchtlinge in der Konfliktregion zu begreifen. Zur politischen Lösung des Konflikts regte sie an,
erneut die Bündnisfreiheit der Ukraine anzudenken und in einer neuen ukrainischen Verfassung neben Menschen-
und Minderheitenrechten auch den Sonderstatus der Ostukraine festzuschreiben. Bedenklich stimmte die Grünen-Chefin
die energiepolitische Abhängigkeit Europas von Russland, und sie folgerte, nichts führe an einer ökologischen
Steuerreform vorbei, weil damit Investitionen in erneuerbare Energieformen im eigenen Land forciert würden.
Zum Freihandelsabkommen TTIP sagte Glawischnig-Piesczek, sie vermisse eine klare Positionierung der Regierung zur
Frage der Sonderklagerechte im Abkommen – eine Meinung, die NEOS-Klubobmann Matthias Strolz teilte.
Transparente Verhandlungen seien bei TTIP unbedingt nötig, unterstrich Strolz, er warnte aber vor "Panikmache"
in Verbindung mit dem Freihandelsabkommen. Immerhin sei die Wirtschaft inzwischen weltweit so verflochten, dass
auch Österreich sich nicht abschirmen könne. Grundsätzlich rief der NEOS-Politiker dazu auf, ungewohnte
politische Sichtweisen zu erproben, gerade auch in der Budgetplanung. Fest machte er das an einem neuen System
der Wohlstandsmessung anstelle des Bruttoinlandsprodukts (BIP), dem im Auftrag seiner Fraktion entwickelten Indikator
"NeuWind". Unter Berücksichtigung der sozialökonomischen Indikatoren zeige sich darin, erklärte
Strolz, dass Österreich bei Zukunftsthemen wie Bildung weit abgeschlagen liege, wodurch letztlich ein Wohlstandsverlust
drohe.
Koalition thematisiert Steuerreform
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder (S) verwehrte sich indes dagegen, "ein falsches Bild von Österreich
zu zeichnen". Die niedrigste Arbeitslosenquote der EU, der unionsweit zweite Platz beim BIP und ein stabiler
Budgetkurs trotz verschlechterter Konjunkturprognose stellten dem Land ein gute Zeugnis aus. Dennoch gebe es noch
viel zu tun: so denke die SPÖ im Lichte der angestrebten Abgabensenkung einen Einstiegssteuersatz von 25%
anstatt der bisher 36,5% an. Zum Konzept seiner Partei für eine Millionärsabgabe sagte Schieder, Betriebsvermögen
würden davon nicht umfasst, letztlich gehe es bei allen Maßnahmen um mehr Steuergerechtigkeit. Schließlich
nahm er nochmals auf das geplante Freihandelsabkommen TTIP Bezug und stellte fest, politisches Ziel der Verhandlungen
müsse sein, die hohen heimischen Produktstandards weltweit durchzusetzen. Die Debatte darüber sei noch
intensiv zu führen, Gespräche dürften allerdings nicht von vornherein abgelehnt werden.
Internationale Abkommen wie eben TTIP bilden in einem Exportland wie Österreich eine wichtige wirtschaftliche
und arbeitsmarktpolitische Basis, ist ÖVP-Wirtschaftssprecher Peter Haubner überzeugt. Für erfolgreiches
Wirtschaftswachstum und, damit verbunden, einen Zuwachs an Arbeitsplätzen sei es ungeachtet dessen entscheidend,
den Staatshaushalt durch Absenken der Ausgabenquote zu sanieren und die Unternehmen mittels Bürokratieabbau
zu entlasten. Der gute Wirtschaftsstandort Österreich baue nämlich auf innovativen UnternehmerInnen und
fleißigen ArbeitnehmerInnen auf. Anders als sein Vorredner sprach sich Haubner aber gegen jegliche Eigentumssteuer
aus, denn das komme einer "kalten Enteignung jedes Bürgers" gleich. Wiewohl er den Ukraine-Konflikt
als "Unsicherheitsfaktor" in der wirtschaftlichen Entwicklung generell bezeichnete, wertete Haubner es
doch als beruhigend, dass die daraus resultierenden Belastungen unter den EU-Mitgliedsstaaten gleichmäßig
aufgeteilt würden.
SPÖ für aktive Neutralitätspolitik
Für Josef Cap (S) ist dem Antrag des Team Stronach keine klare Position zu Sonderklagerechten für
Konzerne zu entnehmen. Die SPÖ sei jedenfalls gegen eine Parallelgerichtsbarkeit, sagte er. Zum Ukrainekonflikt
meinte er, Sicherheit könne man nur mit und nicht gegen Russland schaffen. Es sei in vieler Hinsicht riskant,
wenn die NATO mit ihren Atomraketen immer näher an Russland heranrücke. Natürlich müssten alle
Seiten zu einer Lösung beitragen, sagte er. Österreich solle seine aktive Neutralitätspolitik fortführen,
forderte Cap, denn niemand könne eine weitere Eskalation wünschen.
Die Bedeutung des Dialogs im Ukrainekonflikt betonte auch Christine Muttonen (S). Sie brachte dazu einen Entschließungsantrag
von SPÖ und ÖVP ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, sich für Deeskalation und eine Verhandlungslösung
in diesem Konflikt einzusetzen. Die Vorbehalte gegenüber dem Handelsabkommen TTIP müssten ausgeräumt
werden, forderte Muttonen, die Gretchenfrage werde dabei die Frage der Sonderklagerechte für Konzerne sein,
die sich zum trojanischen Pferd für Europa entwickeln könnten.
"Wir alle sollten Interesse daran haben, dass dieser Konflikt friedlich gelöst wird", bemerkte Markus
Vogl (S) im Zusammenhang mit dem Russland-Ukraine-Konflikt und ortete den Versuch anderer Fraktionen, daraus billiges
politisches Kleingeld schlagen zu wollen. Nicht nachvollziehen konnte der Mandatar den Aufschrei rund um die verhängten
Sanktionen. Die Politik habe für wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen, die zum Investieren anregen,
sagte er. "Wir haben es verlernt, dass Frieden einen Preis hat", mahnte Vogl außerdem und sprach
sich dafür aus, die von der Krise betroffenen Menschen in Österreich zu schützen.
ÖVP: Ja zu Sanktionen, aber Hilfe für die Betroffenen in Österreich
Zum Konflikt in der Ukraine vertrat ÖVP-Mandatar Hermann Schultes die Ansicht, die EU habe hier eine klare
Position und müsse diese auch konsequent durchsetzen. Die Sanktionen müssten umgesetzt werden, ohne dass
die LandwirtInnen unter die Räder kommen, hielt er fest und verlangte spezielle Maßnahmen, um den Export
zu fördern. In diesem Zusammenhang sei auch TTIP ein wichtiger Schritt.
Diese Ansicht vertrat auch Angelika Winzig (V). Die Handelsabkommen CETA und TTIP könnten eine wichtige Rolle
für den Export spielen, es müsse aber eine sachliche Debatte darüber stattfinden. Österreich
sei sicher keine Marionette der internationalen Politik, sondern eine wichtige Drehscheibe zwischen Ost und West,
stellte die ÖVP-Abgeordnete weiter fest. Sanktionen seien nicht erfreulich, angesichts von Menschen- und Völkerrechtsverletzungen
Russlands müsse man aber reagieren.
Österreich habe sich stets als Vermittler und Brückenbauer positioniert, sagte Asdin El Habbassi (V),
räumte aber zudem ein, dass Österreich in Europa auch die Verantwortung habe, dafür zu sorgen, dass
die Stärke des Rechts gelte und nicht umgekehrt. "Was wir brauchen ist eine europäische Kultur des
Friedens und der Sicherheit", betonte der Mandatar. Was die internationalen Abkommen betrifft, könnten
sich die BürgerInnen sicher sein, dass die ÖVP dafür eintrete, die Standards in Europa zu schützen
und Nivellierungen nach unten zu verhindern. Arbeit für Menschen und eine Wirtschaft, die floriert, bedürfen
Märkte für österreichische Produkte und Exporte sowie Rahmenbedingungen für den Handel in internationalen
Märkten, sagte er.
FPÖ: Regierung muss sich Realitäten stellen und Reformen angehen
Auf die Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage bezog sich Bernhard Themessl (F). Die Regierung müsse sich endlich
den Realitäten stellen und aufhören, die Lage zu beschönigen. Tatsächlich gebe es in Österreich
eine hohe versteckte Arbeitslosigkeit. Es sei daher an der Zeit, die Vorschläge zu Verbesserungen, die es
gebe, endlich umzusetzen. Diese Haltung teilte auch sein Fraktionskollege Axel Kassegger, der verkrustete Systeme
im Föderalismus, in der Sozialpartnerschaft und im Bankwesen ortete. Das führe dazu, dass die Bundesregierung
anstelle von umfassenden Reformen stets Partikularinteressen zu Lasten der SteuerzahlerInnen umsetze, so sein Resümee.
Zum Thema Ukraine-Konflikt und den Sanktionen gegen Russland bemerkte Johannes Hübner (F), Österreich
habe seine Neutralität verletzt. Von dieser werde im Hohen Haus nämlich nur gesprochen, einen klaren
Neutralitätsauftrag an die Regierung gebe es aber nicht, bemängelte er. Die Sanktionen hätten die
Situation in der Ukraine nicht deeskaliert, sondern angeheizt, stand für Hübner fest. Auch was TTIP betrifft,
habe man die Leute hier hinters Licht geführt, nachdem die Bundesregierung die Europäische Kommission
ermächtigt habe, geheime Verhandlungen zu führen, so der Mandatar.
Grüne: Energieabhängigkeit ist bedenklich
Aus Sicht von Werner Kogler (G) kann eine Lösung des Ukraine-Konflikts nur mit Russland gelingen. Die Vermittlungsfähigkeit
der EU müsste gestärkt werden, betonte er und warf der österreichischen Außenpolitik Versäumnisse
vor. Gründe dafür sah Kogler in Fehlentwicklungen der Wirtschaftspolitik, die eine Abhängigkeit
von russischen Öl- und Gaslieferungen forciert habe. Für ihn ist es evident, dass die Koalition in der
Frage der Sonderklagerechte im TTIP keine einheitliche Linie vertritt, und er kündigte an, seine Fraktion
werde Aufklärung einfordern.
Die Grüne Abgeordnete Ruperta Lichtenecker wies darauf hin, dass der Wirtschaftsstandort Österreich von
der Internationalisierung stark profitiert habe. Es gebe aber in vielen Bereichen Reformbedarf, sagte sie, das
zeige sich etwa daran, dass Österreichs Jugendarbeitslosigkeit bereits bei 9,3 % liegt. Die Wirtschaft brauche
zahlreiche Reformen, wie eine Entlastung der unteren Einkommen und eine ökologisch-soziale Steuerreform. Durch
internationale Handelsabkommen dürften keine sozialen und ökologischen Standards unterminiert werden.
Hart gingen die Grünen mit dem von SPÖ und ÖVP eingebrachten Entschließungsantrag ins Gericht.
"Schlicht und einfach nichts" stehe im Entschließungsantrag der Regierungsparteien, hielt Peter
Pilz (G) fest und appellierte, ein klares Signal an die Konfliktparteien zu senden. Denn die Menschen in der Ukraine
hätten sich echte Signale verdient, so Pilz.
NEOS für Transparenz bei TTIP-Verhandlungen
Aus wirtschaftlichen Gründen müsste er gegen Sanktionen sein, meinte Josef Schellhorn (N), da unter anderem
der Tourismus stark betroffen sei. Es gebe aber keine Alternative zu ihnen, räumte er ein, vielmehr sei zu
hoffen, dass sie Wirkung zeigen. Grundsätzlich müsse aber die Wirtschaft durch Reformen entlastet werden,
forderte Schellhorn. Unter anderem nannte er Vereinfachungen im Steuersystem, bei Arbeitszeitregelungen und bei
Firmengründungen.
Wofür die NEOS im Zusammenhang mit TTIP eintreten ist Transparenz, machte Rainer Hable (N) geltend und rief
ins Bewusstsein, dass auch die österreichische Bundesregierung einem geheimen Verhandlungsmandat der Europäischen
Kommission zugestimmt habe. Transparenz sei die Tochter der Demokratie, betonte er und bemängelte, dass die
Einbindung der Bundesregierung und der Sozialpartner in Sachen CETA zu wenig weit reiche. Auch die BürgerInnen
müssen bei so einem wichtigen Abkommen miteinbezogen sein, geht es nach Hable. Es sei nicht Aufgabe der Politik,
bei TTIP und CETA Angst zu machen, sondern vor allem die Chance auf Arbeitsplätze sowie auf hohe globale Standards
zwischen Europa und der USA im Sozial- und Umweltbereich wahrzunehmen.
Gerald Loacker (N) ging auf das Thema Rekordarbeitslosigkeit ein, wobei für ihn feststand, dass nicht TTIPP
oder der Russland-Ukraine-Konflikt schuld an der hohen Zahl von Arbeitslosen in Österreich sind. Österreich
würde in internationalen Rankings vor allem wegen zu hohen Steuersätzen, restriktiven Arbeitsgesetzen
und einer überbordenden Staatsbürokratie zurückfallen, machte er geltend. Die Probleme seien demnach
hausgemacht, sagte Loacker und verwies darauf, dass im AMS in Wirklichkeit Bildungsprobleme ausgebadet werden müssten.
Die Bundesregierung und auch das Team Stronach könne sich deswegen nicht an Brüssel, internationalen
Abkommen oder der Ukraine-Krise abputzen.
Michael Pock (N) wiederum beleuchtete das Thema Energieversorgungssicherheit und verwies auf die Abhängigkeit
Österreichs von Russland in Sachen Energieimporte. Der NEOS-Mandatar regte an, darüber nachzudenken,
wie Österreich verhindern kann, von einem anderen Staat in diesem Bereich existentiell abhängig zu sein.
Denn die zentrale Herausforderung sei die Ökologisierung des Steuersystems und eine nationale Energie-Strategie,
die deutlich über die Strategie 2030 hinausgeht, so Loacker. Die Politik sollte die Chance wahrnehmen, Österreich
im Sinne einer Reform im Bereich der erneuerbaren Energieträger nachhaltig zu erneuern.
Team Stronach kritisiert zunehmende Fremdbestimmung Österreichs
Leopold Steinbichler (T) äußerte sich sehr kritisch zum Freihandelsabkommen TTIP und meinte, es bediene
ausschließlich die Wachstumsinteressen der großen Konzerne. Die österreichische Landwirtschaft
brauche keine weiteren Exporthilfen, argumentierte der Abgeordnete, sondern Schutz ihrer hochqualitativen Produkte
vor unlauterer Konkurrenz. Er brachte deshalb einen Entschließungsantrag auf Schaffung eines einheitlichen
österreichischen Qualitätsgütesiegels für in Österreich angebotene Lebensmittel ein. Eine
klare Regelung der Produktbezeichnung sei unbedingt notwendig, damit nicht zum Schaden der KonsumentInnen lukrative
Geschäfte mit falsch deklarierten Lebensmitteln gemacht werden, argumentierte Steinbichler.
Sein Klubkollege Georg Vetter (T) hob die Friedensfunktion des internationalen Handels angesichts der Krise zwischen
Ukraine und Russland hervor. Sie sei neben der Vermehrung von Wohlstand die zweite bedeutsame Funktion des Wirtschaftens,
weil Geschäfte zwischen Ländern keinen Platz für Feindseligkeiten zwischen Völkern zuließen.
Deswegen erteilte Vetter den EU-Sanktionen gegen Russland eine deutliche Absage: von der "Mentalität
des Strafens" getragen, führten solche Sanktionen zu Isolationismus, Protektionismus und neuerlichen
Konflikten, seien also schlichtweg falsch.
Team-Stronach Klubobfrau Kathrin Nachbaur meldete sich zum Schluss noch einmal zu Wort. Sie unterstrich erneut
die Stoßrichtung des Dringlichen Antrags ihrer Fraktion. Es gehe darum, dass Österreich immer mehr fremdbestimmt
werde und seine Souveränität aufgebe, was auf Kosten der Arbeitsplätze gehe, erläuterte sie.
Die UnternehmerInnen und ArbeitnehmerInnen seien das Rückgrat der österreichischen Gesellschaft sowie
des Wohlstands. Hervorragende Leistung würden diese nicht wegen der Politik von SPÖ und ÖVP, sondern
trotz deren Politik erbringen, meinte sie. Das Team Stronach setze sich deswegen für eine Steuersenkung sowie
für eine Beteiligung der MitarbeiterInnen am wirtschaftlichen Erfolg der Firmen ein.
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