Innsbruck und Bozen werden im größten Smart City-Projekt Österreichs mit Energieeffizienz-Investitionen
in Millionenhöhe zukunftsfit und zu europäischen Vorbildern.
Innsbruck (standort tirol) - Weltweiten Schätzungen zufolge stehen zwei Drittel der Endenergienachfrage mit
dem Verbrauch in Städten in Verbindung und bis zu 70% der CO2-Emissionen werden in Städten produziert.
Wollen Europas Städte attraktiver Lebens- und Wirtschaftsraum bleiben, müssen sie energieeffizienter
werden und dabei in eine Vielzahl bestehender Strukturen eingreifen. Tiroler und Südtiroler Partner aus Wirtschaft
und Wissenschaft nehmen sich dieser komplexen Herausforderung mit internationalen Partnern ab sofort im EU-Projekt
Sinfonia an: Gemeinsam entwickeln sie technisch anspruchsvolle und auf andere urbane Regionen übertragbare
Maßnahmen zur hochwertigen Gebäudesanierung sowie zur Umsetzung intelligent vernetzter Strom-, Kälte-
und Wärmenetze mit einem hohen Anteil an Energie aus erneuerbaren Quellen. In ausgewählten Stadtteilen
von Innsbruck und Bozen sollen der Energiebedarf um 40-50% gesenkt und der Anteil regenerativer Quellen in der
Strom- und Wärmeversorgung um 30% gestärkt werden. Der CO2-Ausstoß soll um 20% gesenkt werden.
In Innsbruck ist es der Osten der Stadt, der zum sogenannten "Smart District" wird. Maßnahmen,
die dort wirken, werden im Anschluss für fünf weitere europäische Städte -Rosenheim (D), La
Rochelle (F), Sevilla (ES), Paphos (CY) und Boras (SE) als sogenannte Early Adopter Cities - adaptiert und zur
Umsetzung vorbereitet. Weitere neun europäische Städte (Cluster Cities) zeigen an den Ergebnissen aus
Innsbruck und Bozen bereits heute Interesse. Innsbruck und Bozen werten Sinfonia damit als echtes Leuchtturmprojekt,
das Innsbruck und Tirol neben Wertschöpfung, Wissen und Lebensqualität viel internationale Sichtbarkeit
zur Zukunftsfrage Energie bringen wird.
EU fördert Maßnahmen im Gesamtwert von 43 Millionen Euro
Sinfonia ist ein Projekt, das über 30 Partner aus acht europäischen Ländern in der Förderlinie
"Smart Cities & Communities" des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms eingereicht haben. Von diesen Partnern
kommen 13 aus Tirol und weitere acht aus Südtirol. Projektkoordinator ist das SP Technical Research Institute
of Sweden. Im Vorjahr ist das Konsortium von der Europäischen Kommission zu Vertragsverhandlungen eingeladen
worden, jetzt ist der Fördervertrag unterzeichnet, die Arbeiten beginnen. Zur Förderung durch die EU
haben die Partner im Rahmen von Sinfonia Arbeiten und Maßnahmen im Wert von insgesamt 43,1 Millionen Euro
eingereicht, die EU stellt dafür Fördermittel in Höhe von insgesamt 27,5 Millionen Euro zur Verfügung.
Im Innsbrucker Osten werden im Rahmen des Projektes insgesamt 21,4 Millionen Euro investiert, von welchen die EU
rund 12,2 Millionen Euro aufwendet. Bezogen auf die Gesamtfördersumme von 27,5 Millionen Euro ist Sinfonia
das bisher größte EU-Projekt aus dem 7. Forschungsrahmenprogramm (FP7) im Bereich Energie, das nach
Tirol geholt werden konnte. Zudem ist es das größte FP7-Projekt aus dem Programm Smart Cities, das in
Österreich umgesetzt wird. Insgesamt wird Sinfonia bis zu 125 Mio. Euro an Investitionen für ein energieeffizientes
Innsbruck auslösen.
Tiroler Partner im Überblick
Welche Ideen zur Nutzung von mehr erneuerbaren Energien oder zur Erhöhung der Energieeffizienz lassen
sich technisch umsetzen? Machen sie auch wirtschaftlich Sinn? Welche Rolle spielt das Verhalten der Kunden von
Strom, Wärme und Kälte für den Erfolg von neuen Maßnahmen? Und welche in Tirol erprobten Instrumente
wirken auch in europäischen Städten anderer Klimazonen? Zur Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen
arbeiten am Standort Tirol die folgenden Partner eng zusammen:
Stadt Innsbruck, IKB AG, Neue Heimat Tirol, Innsbrucker Immobilien GmbH & Co KG, Universität Innsbruck,
Passivhausinstitut Innsbruck, Liebherr Hausgeräte und TIGAS sowie die angeschlossenen Partner ATB Becker,
e3 Consult GmbH, alpS und TIWAG. Die Koordination der Zusammenarbeit der Partner übernimmt die Standortagentur
Tirol als sogenannter District Leader. Der Cluster Erneuerbare Energien Tirol hat das Projekt initiiert und begleitet
es in enger Zusammenarbeit mit der europäischen Förderberatung in der Standortagentur Tirol.
Gebäude: Richtung Zero Energy mit umfassendem Monitoring
Mehr als tausend Wohnungen werden in Innsbruck und Bozen im Rahmen von Sinfonia saniert. In Innsbruck trimmen
die Neue Heimat Tirol und die Innsbrucker Immobilien Gesellschaft IIG insgesamt bis zu 66.000 m2 Wohnfläche
auf Energieeffizienz. Der Heizwärmebedarf der Wohnungen soll auf durchschnittlich 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter
und Jahr gesenkt werden. Zum Teil wird er auch Passivhausniveau (< 15 kWh/m2*a) erreichen. Dazu werden unter
anderem Fenster getauscht, Wärmeschutz über neuartige, vorgefertigte Dämmfassaden erzielt, Photovoltaik,
Solarthermielösungen und Wärmepumpen integriert sowie kontrollierte Wohnraumlüftungen eingebaut.
Besondere Herausforderungen liegen für die gemeinnützigen Wohnbauträger unter anderem im Einbau
von Komfortlüftungen ohne Eingriff in die bestehenden Wohnungsstrukturen, in der Sanierung von Altbauten mit
Passivhauselementen nach dem sogenannten EnerPHit-Standard bzw. in der innovativen Sanierung denkmalgeschützter
Objekte nach Kriterien des Bundesdenkmalamts. Ein breites Monitoring der Maßnahmen wird von der Universität
Innsbruck vorgenommen. Dazu werden in 500 Wohnungen -330 davon in Innsbruck - ein Jahr lang Temperatur, Luftfeuchte
und CO2-Gehalt gemessen und zusätzlich der Stromverbrauch, getrennt nach Haustechnik und Haushaltsstrom, ausgewertet.
So werden der genaue Erfolg verschiedener Maßnahmen vor dem Hintergrund des Verbrauchsverhaltens der BewohnerInnen
ermittelt und die Grundlage für deren Übertragbarkeit in andere europäische Städte geschaffen.
Strom, Wärme, Kältenetze: Erneuerbar und intelligent
Mit intelligenten Strom-, Wärme und Kältelösungen tragen die IKB und die TIGAS zur nachhaltigen
Entwicklung der Innsbrucker Energieversorgung bei. Zum Aufbau der innovativen Strom- und Wärmeversorgung werden
zum Beispiel Photovoltaik mit Batteriespeicher, Kraft-Wärme-Kopplung, Solarthermie, Wärme-Kältespeicher,
Wärmepumpen zur Nutzung lokaler Abwärmequellen oder Wärmeversorgung über Fernwärmenetze
eingesetzt. Im Osten von Innsbruck wird die IKB ein intelligentes Stromnetz, ein sogenanntes "Smart Grid"
aufbauen, um die im Rahmen von Sinfonia zu installierenden dezentralen Stromerzeugungsanlagen und Batterie-Speicher
mit den Verbrauchern zu vernetzen. Durch eine intelligente Netzsteuerung lassen sich beispielsweise die schwankende
Stromerzeugung von PV-Anlagen, der Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, der Betrieb von Wärmepumpen
und die Be- bzw. Entladung von Batteriespeichern optimal aufeinander abstimmen. In den Wohnungen sollen sogenannte
Smart Meter, softwaregestützte Energiemanagementsysteme und innovative Haushaltsgeräte der Firma Liebherr
dabei helfen, Stromproduktion und Verbrauch besser aufeinander abzustimmen.
Auch im Bereich der Wärme- und Kälteerzeugung und -verteilung setzt Sinfonia auf neue smarte Lösungen.
Man plant Maßnahmen zur industriellen und gewerblichen Abwärmenutzung, beispielsweise aus den Abwasserkanälen,
der Kläranlage oder den Tunnelwässern des Brennerbasistunnels, den Einsatz moderner Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen
zur Wärme- und Stromproduktion oder die Vernetzung von dezentralen Wärmepumpen zur Produktion von Wärme-
und Kälteenergie. Der Brennerbasistunnel stellt dabei eine ganz besondere Wärme-/Kältequelle dar:
Es ist beabsichtigt, das im österreichischen Abschnitt des Brennerbasistunnels anfallende Bergwasser am Ausgang
der Sillschlucht aus dem Tunnel auszuleiten und mittels Wärmepumpen für die Beheizung bzw. Kühlung
von Wohn- und Geschäftsgebäuden thermisch zu nutzen. Nach heutigem Wissenstand geht man von einer Bergwassermenge
von 200-300 l/s mit einer Temperatur von ca. 22GradC aus. Aus diesem Drainagewasser ließe sich theoretisch
eine Leistung von ca. 10 Megawatt erzielen. Bei einer tatsächlichen Umsetzung könnten auf diesem Weg
bis zu 20.000 Megawattstunden Wärme in die Sinfonia-Gebäude geliefert werden. Zusätzlich soll ein
neuer Kataster die weiteren Potenziale zur Nutzung von Abwärme, beispielsweise aus Industriebetrieben oder
Abwasser aus Haushalten insgesamt prüfen.
Erfolgsfaktor Beteiligung
Eine qualitativ hochwertige Umsetzung der geplanten Maßnahmen kann nur erzielt werden, wenn alle vom
Projekt betroffenen und im Projekt beteiligten Partner bestmöglich zusammenarbeiten. Aus diesem Grund nehmen
die Vernetzung und Kommunikation in Form von Öffentlichkeitsarbeit, Information und Bewusstseinsbildung lokaler,
politischer und ökonomischer Entscheidungsträger sowie Betroffener und der Bevölkerung im Projekt
eine wichtige Rolle ein und werden in einem eigenen Work-Package "WP6: Local Stakeholder Involvement, Evaluation
& Follow up in Demo Cities" bearbeitet. Unter Leitung des alpS - Zentrum für Naturgefahren- und Risikomanagement
der Universität Innsbruck, soll mit verschiedenen Maßnahmen unter anderem auch die lokale Akzeptanz
der in Innsbruck und Bozen umgesetzten Demonstrationsmaßnahmen gesichert werden. Deshalb werden insbesondere
auch Mieterinnen und Mieter der zur Sanierung vorgesehenen Gebäude in alle Prozesse miteingebunden. Basierend
auf den Erfahrungen werden Vorschläge für einen erfolgreichen Beteiligungsprozess sowie dessen Herausforderungen
aufbereitet und gemeinsam mit allen weiteren Ergebnissen an die Early Adopter Cities weitergereicht.
Das Projekt Sinfonia wird gemäß der Finanzhilfevereinbarung Nr. 609019 im Zuge des Siebten Rahmenprogramms
der Europäischen Union für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration gefördert.
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