Mehr Anbieterwechsel, mehr Tarife und Preissenkungen für Regulator positiv - Im EU-Vergleich
Wechselzahlen aber weiter niedrig, Strom- und Gaspreise über EU-Schnitt
Wien (e-control) - Der Wettbewerb am heimischen Strom- und Gasmarkt habe in der vergangenen Zeit deutlich
zugenommen, sei aber im EU-Vergleich weiterhin schwach, fasst E-Control-Vorstand Walter Boltz die Entwicklungen
am Energiemarkt anlässlich der Präsentation des neuen Marktberichts der Strom- und Gasregulierungsbehörde,
am 03.10. in einem Pressegespräch zusammen. Einige Punkte hätten sich merkbar positiv entwickelt, zählt
Boltz auf: "Die Konsumenten wechseln häufiger ihre Lieferanten und es gibt eine größere Auswahl
an Tarifen, das Einsparpotenzial beim Lieferantenwechsel hat deutlich zugenommen und durch den stärkeren Wettbewerb
haben einige regionale Lieferanten heuer ihre Preise gesenkt oder neue günstigere Produkte auf den Markt gebracht."
So haben in der ersten Hälfte des heurigen Jahres mit insgesamt 204.500 Strom- und Gaskunden so viele wie
noch nie ihren Lieferanten gewechselt. Auch die Produktvielfalt habe sich erhöht, sagt Boltz. "Im Vergleich
zum Vorjahr gibt es um ein Drittel mehr Tarife."
Kunden können aus bis zu 50 Produkten auswählen
Haushalte in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland können bei Strom derzeit aus bis zu 50 Produkten
wählen (Mitte 2013 waren es ca. 35), davon stammen sechs bis acht von regionalen Lieferanten. Bei Gas können
Kunden im Marktgebiet Ost aus 25 Produkten, in Vorarlberg und Tirol aus bis zu 12 Produkten wählen. Kunden
können sich etwa für reine Onlineprodukte, bei denen die gesamte Kommunikation per E-Mail abgewickelt
wird, Ökostrom- oder Biogastarife, entscheiden. Zur Wahl stehen auch Produkte mit oder ohne Preisgarantie
oder Tarife mit flexiblen sogenannten Floater-Tarifen, deren Preise sich in regelmäßigen Intervallen
an den aktuellen Börsenpreisen orientieren.
Preissenkungen einiger Lieferanten
Im Laufe des heurigen Jahres haben 19 Stromlieferanten ihre Preise gesenkt, darunter auch einige Landesenergieversorger
- zuletzt mit Anfang Oktober die EnergieAllianz (Wien Energie, EVN, Energie Burgenland). "Von den Preissenkungen
der großen Versorger haben viele Kunden profitiert", erklärt Boltz. Bei den anderen Lieferanten,
die ihre Preise gesenkt haben, handelte es sich dagegen meist um kleine Anbieter. Im Gasbereich senkten bisher
nur vier Versorger ihre Preise. Insgesamt sind derzeit 138 Stromlieferanten und 32 Gasversorger für Haushalts-
und Gewerbekunden am Markt.
Heimischer Wettbewerb trotz Fortschritten weiterhin schwach
Der Wettbewerb am heimischen Strom- und Gasmarkt habe deutliche Fortschritte gemacht, sagt Boltz. Das ändere
aber nichts daran, dass der Wettbewerb hierzulande weiter relativ schwach ausgeprägt. "So positiv die
Entwicklung ist, man darf sich nichts vormachen. Im europäischen Vergleich wechseln die heimischen Haushalte
nach wie vor sehr selten. Es besteht noch immer kein ausgeprägter Wettbewerb um neue Kunden. Jeder der angestammten
Versorger verteidigt sein Kernbundesland und achtet vor allem darauf, dem anderen nicht in die Quere zu kommen."
Die Marktkonzentration ist weiterhin hoch. So blieb der kumulierte Marktanteil der drei größten Stromlieferanten
für Haushalte und Gewerbe 2013 unverändert bei 57 Prozent, ebenfalls gleich hoch blieb der Marktanteil
der fünf größten Stromlieferanten mit 70 Prozent. "Diese Werte deuten teilweise auf einen
stark konzentrierten Markt hin." Bei Gas reduzierte sich der Marktanteil der drei größten heimischen
Gaslieferanten für Haushalte und Gewerbe aufgrund der gestiegenen Wechselzahlen im vergangenen Jahr von 69
auf 65 Prozent, die fünf größten Gasanbieter kamen zusammen auf 76 Prozent (2012: 80 Prozent).
"Die Marktkonzentration am Gasmarkt ist damit aber weiterhin höher als am Strommarkt", sagt Boltz.
Österreichische Strom- und Gaspreise in EU im oberen Mittelfeld
Bei den Strom- und Gaspreisen für Haushalte liegt Österreich im EU-Vergleich weiter im oberen Mittelfeld.
Bei den Gesamtkosten für Strom (inklusive Energie, Netzkosten sowie aller Steuern und Abgaben) landete Österreich
im zweiten Halbjahr 2013 im EU-Vergleich auf dem zehnten Platz. Während Strom etwa in Deutschland und Italien
teurer als hierzulande ist, ist er in den Nachbarländern Slowenien und Tschechien wesentlich billiger. Bei
Gas ist die aktuelle Situation ähnlich. Mit den achtteuersten Haushaltsgaspreisen war Österreich im zweiten
Halbjahr 2013 auch hier im oberen Mittelfeld und teurer als Deutschland und Tschechien. Die Preise für die
Industrie dagegen befinden sich sowohl bei Strom als auch bei Gas unter dem EU-Schnitt.
Viele Probleme nur auf EU-Ebene lösbar
Mangelnder Wettbewerb sei aber kein rein österreichisches Phänomen, betont Boltz. "Auch in anderen
EU-Ländern hapert es. Zwar schneiden einige Länder wie Deutschland oder Großbritannien beim Wettbewerb
weit besser ab, andere sind aber noch schlechter unterwegs." Ein rein nationales Denken sei insgesamt aber
wenig zielführend, so Boltz. "Bestimmte Probleme auf dem Strom- und Gasmarkt können mit nationalen
Mitteln nicht gelöst werden - dazu braucht es die Europäische Union. Nur dort kann in vielen Bereichen
Entscheidendes vorangebracht werden."
Kein vollständiger Energiebinnenmarkt bis Ende des Jahres
Der Handlungsbedarf auf europäischer Ebene sei groß, unterstreicht Boltz. "Die Zeit drängt.
Eigentlich sollte bis Ende dieses Jahres der vollständige Energiebinnenmarkt verwirklicht sein. Das geht sich
aber nicht aus." Während bei Gas große Fortschritte erzielt worden seien, "gibt es bei Strom
einige grundlegende Probleme", so Boltz. Im Strombereich würden viele Dinge auf die lange Bank geschoben,
auch die ersten Umsetzungen erfolgten nur schleppend. "Hier bedarf es großer Anstrengungen." Welche
Punkte im EU-Energiesektor in Angriff genommen werden sollten, zeigt eine vergangene Woche in Brüssel präsentierte
Strategie der europäischen Energieregulatoren CEER und der Energieagentur ACER. Das Programm identifiziert
die größten Herausforderungen im Energiebereich in den kommenden zehn Jahren. "Die wichtigste Aufgabe
ist die vollständige Umsetzung des dritten Energiemarktliberalisierungspakets", erläutert Boltz,
der zugleich Vizepräsident von CEER ist.
Konsumentenrechte stärken
Wichtig sei darüber hinaus eine weitere Stärkung der Konsumentenrechte, so Boltz. "Zwar sind
die Zeiten vorbei als Konsumenten bei den Energieversorgern nur Bittsteller waren, es ist aber noch viel zu tun,
um für Konsumenten umfassende Rechte zu erreichen. Jeder Konsument sollte etwa das Recht haben, einen Strom-und
Gaslieferanten aus dem Ausland wählen zu können." Es könne ja auch jeder Kunde entscheiden,
ob er Äpfel aus Österreich oder etwa aus Polen kaufe. "Das sollte auch bei Strom und Gas möglich
sein."
Lieferantenwechsel innerhalb von 24 Stunden
Gefordert wird im Programm der EU-Energieregulatoren auch das Recht eines Energiekonsumenten, seinen Strom- und
Gaslieferanten innerhalb von 24 Stunden zu wechseln. Diese Regelung soll spätestens bis 2025 in Kraft treten,
sofern eine Kosten-Nutzen-Analyse nicht negativ ausfällt. "In Österreich könnte diese Regelung
auch bereits früher umgesetzt werden", sagt Boltz.
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