Präsentation von drei aktuellen Studien; interdisziplinäre Fachtagung zu den zukünftigen
Wohnformen für ältere Menschen
Wien (rk) - Der demographische Alterungsprozess in Wien schreitet weiter fort. In den kommenden drei Jahrzehnten
werden Anteil und Zahl der älteren Menschen deutlich zunehmen. Wie sehen die Trends hinsichtlich geeigneter
Wohnformen für ältere WienerInnen in Zukunft aus? Welche Wohnformen werden bereits jetzt im geförderten
Wohnbau angeboten und welche Erfahrungen werden damit von Sozialwissen- schafterInnen, Bauträgern, Dienstleistern,
ArchitektInnen und NutzerInnen gemacht?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich ein interdisziplinäres Fachsymposium zum Thema "Älter werden
- individuell wohnen" am 1. Oktober, dem "Internationalen Tag der älteren Menschen", in der
Wiener Urania. Drei aktuelle Studien der Wiener Wohnbauforschung schaffen dabei die Grundlage für die eingehende
Beschäftigung mit dem Schwerpunkt.
Am 01.10. informierten Michael Ludwig, Wiener Wohnbaustadtrat und Christoph Reinprecht, Universität Wien -
Institut für Soziologie, im Vorfeld des Fachsymposiums über die neuen Erkenntnisse zum Thema.
Bereits heute ist rund eine Viertelmillion WienerInnen über 65 Jahre alt. Die neuesten Voraussagen im Rahmen
der "Kleinräumigen Bevölkerungsprognose" machen deutlich, dass der demographische Alterungsprozess
weiter fortschreiten wird. In den nächsten drei Jahrzehnten dürften Anteil und Zahl der 60 bis 74-Jährigen
um 26 Prozent und 69.000 Personen ansteigen. Der Anteil der SeniorInnen der Altersgruppe 75 plus wird sogar um
96 Prozent und um ca. 118.000 auf 240.000 Personen zunehmen. Der Bevölkerungsanteil der 60- und Mehrjährigen
würde demnach in Wien von 22% (2014) auf 27% (2044) steigen.
Im geförderten Wohnbau bildet das Wohnen für die ältere Generation schon seit vielen Jahren einen
Schwerpunkt, aus dem zahlreiche hervorragende Projekte hervorgegangen sind. "Angesichts der neuesten Bevölkerungsprognose
werden wir noch stärkeres Augenmerk auf diesen Bereich legen. Denn es geht nicht nur um die zahlenmäßige
Zunahme der Seniorinnen und Senioren in Wien, sondern auch um die Auswirkungen von gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen
auf die Lebenssituation und damit auch die Wohnbedürfnisse der älteren Generation", hielt Wohnbaustadtrat
Michael Ludwig fest.
"Die heutige Fachtagung beschäftigt daher sich explizit mit der Wohnzukunft der älteren Generation
in Wien. Drei aktuelle Studien der Wiener Wohnbauforschung bilden eine wichtige Faktengrundlage für die eingehende
Auseinandersetzung mit dem wichtigen Thema. So zeigt sich etwa, dass sich die generelle Familiensituation von Seniorinnen
und Senioren weiter verändert und dass außerfamiliäre Netzwerke einen noch höheren Stellenwert
erhalten werden. Darüber hinaus werden in Zukunft in einigen Bezirken deutlich mehr ältere Menschen leben",
erklärte Ludwig.
"Die Wienerinnen und Wiener bleiben zudem erfreulicherweise auch in einem höheren Lebensalter immer länger
jung und aktiv. Sie sind ein sehr wertvoller Schatz für die Gesellschaft und verdienen höchste Wertschätzung.
Ziel der Wiener Wohnbaupolitik ist es daher einerseits, Seniorinnen und Senioren auch in Zukunft ein möglichst
maßgeschneidertes Wohnungsangebot, das u.a. den Ausbau gemeinschaftlicher Wohnformen umfasst, zur Verfügung
zu stellen. Auf der anderen Seite wollen wir den Wunsch der älteren Generation, sich aktiv an Netzwerken zu
beteiligen und andere Bewohnerinnen und Bewohner an ihrer reichen Lebenserfahrung teilhaben zu lassen, noch stärker
- so zum Beispiel im Rahmen der Bildung von aktiven Hausgemeinschaften aufgreifen", betonte der Wiener Wohnbaustadtrat.
Die Studien im Überblick
Kernfamilie als Alters-Versorgungsmodell verschwindet tendenziell
"Während die heute über 80-Jährigen noch zu 67 Prozent eine ,klassische Kernfamilie' -
also Kinder - haben, so können die 65 bis 79-Jährigen zu 41 Prozent und die 50 bis 64-Jährigen nur
noch zu 34 Prozent mit einer möglichen Unterstützung eigener Kinder im Alter rechnen", erklärte
Christoph Reinprecht, Institut Soziologie der Uni Wien und Leiter der Studie "Ältere Menschen in Wien
-sozialwissenschaftliche Grundlagen". Verstärkend wirke zudem, dass sich auch der der Trend zum Singledasein
im Alter fortschreibe. "Umso wichtiger können alternative soziale Netzwerke wie Nachbarschaften oder
Hausgemeinschaften sein. Zumal die ,neuen Älteren' auch neue persönliche Potentiale mitbringen, die sich
auch positiv im Wohnumfeld auswirken könnten: Denn sie sind im Schnitt höher gebildet, aktiver und gesünder",
unterstrich er.
Bei der Altersversteilung auf Bezirksebene zeige sich, dass zukünftig einige Bezirke deutlich jünger,
andere deutlich älter werden. In einwohnerstarken Bezirken wie Favoriten, Floridsdorf oder Donaustadt, die
einen höheren Anteil an SeniorInnen verzeichnen, werde diese Entwicklung auch in Zukunft am raschesten voranschreiten,
so Reinprecht. "Daraus lässt sich im Bereich des geförderten Wohnens auch ableiten, wo in Zukunft
verstärkt Angebote für die ältere Generation gesetzt werden müssen."
Formen des alter(n)sgerechten Wohnens
Architektin Christiane Feuerstein untersuchte im Rahmen der Studie "Integration alter(n)sgerechter Wohnformen
im geförderten Wohnungsbau in Wien" die bereits jetzt im geförderten Wohnbau angebotenen Typologien
altersgerechter Wohnformen. Unterschiedliche Organisationsformen hinsichtlich der Kooperation mit sozialen Dienstleistern
aber auch nachbarschaftliche Unterstützungsangebote wie die Einplanung von WGs und Wohngruppen für SeniorInnen
standen hier im Vordergrund.
Das Resümee
Altersgerechte Wohnformen - als "Inserts" in bestehende Wohnsiedlungen integriert oder als Konzept
für neue Siedlungen - können die Kommunikation und gute Nachbarschaft einer ganzen Wohnanlage positiv
stimulieren. Sie ermöglichen so ein "Wohnen für alle, in allen Lebenslagen".
"Gemeinsam statt einsam" - Mehrgenerationenhäuser liegen im Trend
Architektin Freya Brandl leitete die Studie "Gemeinschaftliches Wohnen - Bedarf und Ausblick". Anhand
einer repräsentativen Meinungsumfrage wurden die Vorstellungen, Motive und Erwartungen der Zielgruppe 50 plus
in Bezug aufs gemeinschaftliche Wohnen untersucht. Dabei wurde eine Wohnform abgefragt, bei der die Menschen gemeinschaftlich
zusammen leben, aber jeder für sich eine private Wohnung hat.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- 54 Prozent der Befragten aus der Altersgruppe 50 plus erachten diese Wohnform
als geeignet, um sich in reiferen Jahren gegenseitig im Alltag unterstützen zu können.
- Die Integration in eine Gemeinschaft, die Einsamkeit und Isolation im Alter vorbeugt,
ist für 45 Prozent der Befragten ein wesentlicher Grund für eine solche gemeinschaftliche Wohnform.
- Reine "Altensiedlungen" lehnt die überwiegende Mehrheit der Befragten
ab - das Leben und Wohnen in einem Mehrgenerationenhaus steht ganz oben auf der Wunschliste.
Fachsymposium "Älter werden - individuell wohnen"
An der Fachtagung in der Wiener Urania, zu der Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und der PVÖ einladen, nehmen
Expertinnen aus unterschiedlichen Fachgebieten, maßgebliche AkteurInnen der Stadt Wien sowie zahlreiche interessierte
BesucherInnen teil. Die Ergebnisse werden im Rahmen der Wiener Wohnbauforschung präsentiert werden.
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