Regierung legte Tätigkeitsberichte des VwGH und des VfGH vor
Wien (pk) Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) konnte im Jahr 2013 seinen Aktenrückstand weiter abbauen.
5.615 im Vorjahr abgeschlossene Verfahren stehen 4.970 neu angefallenen Beschwerden gegenüber. Damit sank
die Zahl der offenen Fälle von 5.268 Ende 2012 auf 4.623 Ende 2013. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht
des Verwaltungsgerichtshofs 2013 hervor, den Kanzleramtsminister Josef Ostermayer vor kurzem gemeinsam mit dem
Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofs 2013 dem Nationalrat vorgelegt hat.
Sowohl der Verwaltungsgerichtshof als auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) begrüßen in ihren Berichten
das seit Anfang 2014 geltende neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ob die Reform ein Erfolg sein wird, werde
aber wesentlich von den neuen Verwaltungsgerichten abhängen, mahnen die VerfassungsrichterInnen. Der Verwaltungsgerichtshof
rechnet mit einer Verdoppelung seines bisherigen Aktenanfalls durch die Reform, nicht zuletzt weil er nun wieder
für Asylfragen zuständig ist.
VwGH hob 1.688 angefochtene Bescheide auf
Von den 5.615 angefochtenen Bescheiden, über die der Verwaltungsgerichtshof im vergangenen Jahr entschieden
hat, hoben die RichterInnen 1.688 (30,06 %) auf. Grund dafür waren in erster Linie inhaltliche Einwände
(1.285). In etlichen Fällen wurden aber auch Verfahrensvorschriften verletzt oder Entscheidungen von einer
unzuständigen Behörde getroffen. In 1.659 Fällen hat der VwGH die Beschwerde hingegen als unbegründet
abgewiesen. Die Behandlung der weiteren Beschwerden wurde entweder abgelehnt (1.232) oder das Verfahren wegen fehlender
Prozessvoraussetzungen, etwa aufgrund mangelhafter Unterlagen oder einer Zurückziehung der Beschwerde, eingestellt.
19 Mal hat der VwGH in der Sache selbst entschieden.
Die durchschnittliche Erledigungsdauer der 5.615 Bescheidbeschwerden wird im Bericht vom Tag des Einlangens bis
zum Tag der Beschlussfassung durch den Senat mit rund 16,77 Monaten angegeben.
Meisten Beschwerdefälle betreffen Sicherheitswesen
Inhaltlich gesehen betrafen die mit Abstand meisten Beschwerdefälle wieder das Sicherheitswesen (1.046). Aber
auch Steuerbescheide und Bescheide aus den Bereichen Sozialversicherung, Baurecht und Arbeitsrecht wurden beim
Verwaltungsgerichtshof häufig bekämpft.
In elf Fällen hat sich der Verwaltungsgerichtshof 2013 wegen Bedenken gegen einzelne Gesetze oder Verordnungen
mit der Bitte um eine Normenprüfung an den Verfassungsgerichtshof gewandt. Siebenmal wurde eine Vorlage des
Beschwerdefalls an den Europäischen Gerichtshof beschlossen. Gleichzeitig ergingen im Berichtszeitraum drei
Vorabentscheidungen des EuGH auf Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofs. Diese betrafen die Rechte und Pflichten
der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr, die Begründung einer "wirtschaftlichen Tätigkeit" durch
den Betrieb einer netzgeführten Photovoltaikanlage sowie die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung
für nicht die Piste betreffende Infrastrukturarbeiten an einem Flughafen. Der Verfassungsgerichtshof hat an
den Verwaltungsgerichthof im Vorjahr 842 Beschwerden abgetreten.
Im Bericht werden auch einige ausgewählte Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs angeführt, etwa
was die steuerliche Geltendmachung von durch einen Verkehrsunfall anfallende Aufwendungen und von Pflegeheim-Kosten
für die eigenen Eltern, die Reihung von Anträgen auf Niederlassungsbewilligung, den Arbeitnehmerschutz
von betriebsfremden Personen, das Verbot unerbetener Anrufe zu Werbezwecken und das Recht auf Akteneinsicht bei
abgeschlossenen Verfahren betrifft.
Aktenanfall beim VwGH wird wieder deutlich steigen
Zu den mit Jahresbeginn eingeführten Verwaltungsgerichten erster Instanz hält der Verwaltungsgerichtshof
fest, damit habe man das österreichische Rechtsschutzsystem den internationalen Standards angeglichen. Durch
die fast vollständige Beseitigung der administrativen Instanzenzüge und die Schaffung einer reformatorischen
Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte seien das Gewicht des Rechtsschutzes zur Gerichtsbarkeit verlagert
und die rechtsstaatlichen Garantien ausgebaut worden. Gleichzeitig wurde die bisherige Sonderlösung für
den Asylgerichtshof beseitigt und wieder ein Rechtszug an den Verwaltungsgerichtshof eröffnet. Damit gelte
für den gesamten Bereich der hoheitlichen Verwaltung ein einheitliches Rechtsschutzsystem, zeigt sich der
VwGH erfreut.
Auch die Rolle des Verwaltungsgerichtshofs habe sich durch das neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit geändert,
wird im Bericht festgehalten. Eine Revision gegen Entscheidungen eines Verwaltungsgerichts ist nur mehr dann zulässig,
wenn darin eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen wird, etwa weil die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, es zu dieser Frage keine Rechtsprechung
des Verwaltungsgerichtshofs gibt oder die vorliegende Rechtsprechung uneinheitlich ist. Mit einem Rückgang
der Beschwerdefälle in den nächsten Jahren rechnet der VwGH dadurch allerdings nicht, im Gegenteil. Da
der Gerichtshof nunmehr wieder für Asylrechtssachen zuständig ist sowie einige weitere bisher ausgenommene
Materien in seine Kompetenz fallen, gehen die VwGH-RichterInnen von einer deutlich steigenden Beschwerdezahl
rund 10.000 pro Jahr aus.
Allgemein macht der VwGH darauf aufmerksam, dass durch die neuen Verwaltungsgerichte die Bundesländer erstmals
Anteil an der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit erhalten haben. Einen gewissen Nachbesserungsbedarf ortet er bei den
gesetzlichen Übergangsbestimmungen, die seiner Meinung nach in vielen Punkten lückenhaft sind.
Verfassungsgerichtshof: 4.468 abgeschlossene Verfahren
Auch der Verfassungsgerichtshof hat im Jahr 2013 mehr Verfahren abgeschlossen als an ihn herangetragen wurden.
4.468 erledigte Akten stehen 4.158 neu anhängig gewordenen Beschwerden gegenüber, wobei mehr als die
Hälfte der neuen Fälle auch im Vorjahr wieder Asylrechtssachen waren. Die durchschnittliche Verfahrensdauer,
vom Eingangsdatum bis zur Abfertigung der Entscheidung, wird mit unter sieben Monaten (208 Tage) angegeben, damit
lag sie noch etwas niedriger als im vergangenen Jahr. Nicht berücksichtigt in diesem Wert sind Asylrechtssachen,
sie werden in durchschnittlich 82 Tagen erledigt.
Zu den abgeschlossenen Verfahren zählen neben 2.576 Asylverfahren auch 118 Gesetzesprüfungsverfahren,
74 Verordnungsprüfungsverfahren, drei Staatsvertragsprüfungen, 1.647 Bescheidbeschwerden und 26 Wahlanfechtungen.
1.156 Rechtssachen waren zum Jahresende noch anhängig, davon vier Fälle aus dem Jahr 2010 und 14 aus
dem Jahr 2011.
Die Erfolgsaussichten von VfGH-Beschwerden sind im Allgemeinen gering, wie der Bericht zeigt. In lediglich 340
Fällen (8 %) gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin
statt. Dem stehen 147 Abweisungen, 129 Zurückweisungen und 1.519 Ablehnungen gegenüber. Dazu kommen 2.333
"sonstige Erledigungen", etwa Verfahrenseinstellungen.
VfGH hob 27 von 52 geprüften Gesetzesnormen auf
Im Rahmen der Gesetzesprüfung hob der VfGH von 52 geprüften Normen 27 zumindest teilweise auf. Dazu gehören
Bestimmungen des ASVG, des Kinderbetreuungsgeldgesetzes, des ORF-Gesetzes, des Eisenbahngesetzes, des Pensionsgesetzes,
des Sicherheitspolizeigesetzes und des Staatsbürgerschaftsgesetzes. 25 Gesetze, u.a. das Wertpapieraufsichtsgesetz,
das Bundesbahn-Pensionsgesetz und die Zivilprozessordnung, hielten hingegen der Prüfung stand. 40 Gesetzesprüfungsverfahren
waren Ende 2013 noch anhängig, davon sechs aus dem Jahr 2012.
Wie aus dem im Bericht angeführten ausgewählten Entscheidungen hervorgeht, hat der VfGH unter anderem
den Eltern- und Kinderregress im Steirischen Mindestsicherungsgesetz, die Beschränkung der Zahl von Glücksspielkonzessionen,
die Einführung einer Altersgrenze für Kassenvertragsärzte, die Einreihung von Poker unter die Glücksspiele,
abgefederte Eingriffe in das Pensionsrecht von ÖBB-Bediensteten und das Wahlsystem in Niederösterreich
Vorzugsstimme sticht Parteistimme für zulässig erklärt. Auch Beschwerden gegen den Euro-Schutzschirm
(ESM-Vertrag) und gegen den Fiskalpakt wurden abgewiesen.
Als verfassungswidrig wertete der VfGH demgegenüber u.a. die Einordnung von Berufsfotografen in das reglementierte
Gewerbe, überschießende DNA-Untersuchungen im Zuge von polizeilichen Ermittlungen und die Vergabe einer
einzigen Konzession für Pokersalons. Weil sie nicht mehr dem gegenwärtigen Stand der Technik entsprechen,
hob er zudem auch Bestimmungen der Schienenverkehrslärm- und Immissionsschutzverordnung auf. Etliche der aufgehobenen
Gesetzesbestimmungen wurden mittlerweile bereits repariert bzw. stehen kurz vor der Reparatur.
VfGH will "Gesetzesbeschwerden" so rasch wie möglich erledigen
Im allgemeinen Teil des Berichts geht der Verfassungsgerichtshof nicht nur auf das neue System der Verwaltungsgerichtsbarkeit,
sondern auch auf die neu eingeführte so genannte "Gesetzesbeschwerde" ein. Ab 2015 werden sich nicht
nur alle ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof wenden können, wenn sie Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit
einer im Verfahren anzuwendenden gesetzlichen Norm haben, sondern auch die Verfahrensparteien. Der VfGH sieht die
neue Regelung als äußerst wichtigen Schritt zur weiteren Verbesserung des Rechtsschutzes in Österreich
und stellt in Aussicht, der Behandlung von Parteienanträgen auf Normenkontrolle besonderes Augenmerk zu widmen,
um jede unangemessene Verzögerung der betroffenen Gerichtsverfahren zu vermeiden.
Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs sind kostenlos im Rechtsinformationssystem
des Bundes abrufbar (http://www.ris.bka.gv.at). Durch eine
systematische Rückwärtsdokumentation wurden auch viele ältere Entscheidungen bereits erfasst.
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