Spannende Podiumsdiskussion mit LH Kaiser, Christian Wehrschütz, Alma Hannig, Helmut Konrad
und Wolfgang Petritsch
Klagenfurt (lpd) - Welche Zukunftsperspektiven hat der Balkanraum im gesamteuropäischen Kontext? Dieser
Frage widmete sich am 29.09. eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Vom Pulverfass zu einer Chance für Europa“,
zu der das Volksgruppenbüro des Landes Kärnten eingeladen hatte.
Unter der Leitung von ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz diskutierten Landeshauptmann Peter Kaiser, Universitätsprofessor
Helmut Konrad, Botschafter a.D. Wolfgang Petritsch und Historikerin Alma Hannig (Uni Bonn). Ziel der Veranstaltung
war es, einen historisch-politischen Bogen vom Beginn des Ersten Weltkrieges bis zur Gegenwart zu spannen. Im Anschluss
an die Podiumsdiskussion folgte die Vernissage der Fotoausstellung im Verwaltungszentrum des Landes Kärnten
unter dem Motto „Auf der Suche nach Atlantis – Bosnien und Herzegowina 1888 – 2008“.
Der Landeshauptmann fragte, ob und inwieweit Europa die Chance für den Balkan nützen wolle oder ob man
nur in der Position des Abwartens verbleibe. Er machte deutlich, dass es notwendig sei, Allianzen zu schmieden
und die regionale Außenpolitik zu forcieren, wie dies auch Kärnten mache. Kärnten bemühe sich,
grenzüberschreitende Projekte, Begegnungen und Partnerschaften voranzubringen. Es sei interregional sehr aktiv
durch die Euregio, durch die Alpen-Adria-Allianz, im EU-Ausschuss der Regionen sowie durch Kooperation mit EU-Regionalkommissar
Johannes Hahn.
Weiters machte Kaiser deutlich, dass es Investitionen in die Bildung brauche, um die Menschen zusammenzuführen.
Dies unterstrich auch Botschafter Petritsch. Es gehe um Sicherheit und auch um Bekämpfung der Armut. Die Amerikaner
hätten den Krieg in Bosnien gestoppt, nun brauche es eine neue Grundlage, ein neues „Dayton“ für den
Aufbau eines demokratischen europäischen Staates, wobei die Besonderheiten der Länder und Völker
stärker berücksichtigt sein müssten. Österreich habe sich damals durch die Aufnahme vieler
Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina ausgezeichnet, so Petritsch. Er orte zu wenig Interesse seitens der EU
am Staatsbildungsprozess. Die EU-Mitgliedsstatten sollten zur Stabilisierung am Balkan stehen und nicht die Konflikte
wuchern lassen. Einig war man sich aber, dass die europäische Perspektive die einzige zukunftsweisende sei.
Der Balkan und auch die Ukraine müssten europäische Perspektiven bekommen, unterstrich Wehrschütz.
Bildungsmöglichkeiten sowie Investitionen vor Ort seien notwendig.
Professor Konrad betonte auch den Wert von Partnerschaften. Es seien vor Ort sowie auch in Österreich und
in der EU die jeweiligen Hausaufgaben zu machen. Konrad erläuterte auch, dass in Österreich der Erste
Weltkrieg ins „kulturelle Gedächtnis“ übergegangen sei, was durch einen langen Heilungsprozess möglich
geworden sei. In den Ländern am Balkan gebe es ganz unterschiedliche Erinnerungskulturen, erklärten Wehrschütz
und Konrad. Wie sehr die Folgen des Ersten Weltkrieges und der Balkankriege nachwirkten, führte Wehrschütz
aus. Auch würden die hohen Opferzahlen etwa der Bosnier, Serben oder Slowenen vielfach unbekannt sein.
Historikerin Hannig stellte fest, dass ihren Forschungen zufolge die Donaumonarchie den Ersten Weltkrieg jedenfalls
nicht gesucht habe, sondern durch die Umstände zum Kriege gezwungen worden sei. Österreich sei im Blick
auf die Zukunft das Vermittlerland schlechthin, es besitze mehr Wissen und habe viel engere Kontakte zum Balkan
als etwa Deutschland, so Hannig.
Unter den vielen Zuhörern befanden sich auch Bundesratspräsidentin Ana Blatnik, Militärkommandant
Walter Gitschthaler, LAD Dieter Platzer und LAD-Stv. Markus Matschek, Alt-Landeshauptmann Bundesrat Gerhard Dörfler,
Spitzendiplomat Valentin Inzko, Bgm. Erich Kessler, Marjan Sturm, Heinz Stritzl und Universitätsprofessor
Stefan Karner (von der Konsensgruppe), Sloweniens Generalkonsulin Dragica Urtelj, Johann Gallo, Udo Puschnig sowie
viele Gäste aus Rumänien und aus der Ukraine. Durch das Programm führte Peter Karpf.
Im Anschluss an die Podiums- und Publikumsdiskussion folgte die Vernissage der Fotoausstellung im Verwaltungsgebäude,
zu der Wolfgang Platzer die vielen Gäste begrüßte. Landeshauptmann Kaiser dankte für das große
Interesse und nahm die Eröffnung vor. Er gratulierte dem Gestalter Max Aufischer, Kulturvermittler aus Graz.
Aufischer informierte über die Fotoausstellung, bei der Fotos bzw. Reproduktionen aus Bosnien-Herzegowina
aus dem 19. Jahrhundert, die Raimund Stillfried gemacht hatte, den Fotos von Aufischer mit denselben Motiven gegenübergestellt
werden. Er wolle Interesse wecken und Einblicke in den Balkan geben, so Aufischer.
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