Vom 11. Oktober 2014 bis 1. Februar 2015 im Unteren Belvedere
Wien (belvedere) - Die Ausstellung "Hagenbund. Ein europäisches Netzwerk der Moderne (1900 bis
1938)" zeigt vom 11. Oktober 2014 bis 1. Februar 2015 im Unteren Belvedere, wie die Wiener Künstlervereinigung
Hagenbund sowohl die heimische als auch die mitteleuropäische Kunstszene zwischen 1900 und 1938 maßgeblich
geprägt hat. Der Hagenbund brachte verschiedene Stilrichtungen zusammen und avancierte bereits 1907 zu einer
führenden Vereinigung moderner Kunst, die bald über den Neoimpressionismus hinausging und aktuelle Tendenzen
zwischen Symbolismus, Expressionismus und Neuer Sachlichkeit vertrat. Die Künstlervereinigung und ihre Mitglieder
etablierten sich vor allem durch ihre offene Ausstellungspolitik und zeigten schon früh große Schauen
mit Werken von internationalem Rang. Arnold Böcklin, Emilie Mediz, Max Liebermann sowie polnische, tschechische
und ungarische Künstlervereinigungen machten den Hagenbund zu einer international beachteten Ausstellungsplattform.
Dieser etablierte in der von Joseph Urban umgebauten Zedlitzhalle einen aktiven Ausstellungsbetrieb mit neuen Verkaufsstrategien
und stieg neben der Secession rasch zu einem der führenden Ausstellungshäuser auf. Im Hagenbund entstand
durch gemeinsame Präsentationen von Gästen aus den Kron- und Nachbarländern ein frühes Netzwerk
europäischer Kunst mit einer regionalen Verortung in Wien. Als die Secession nach 1911 an Schlagkraft verlor,
war es der Hagenbund, der innovative Impulse setzte. Demnach verdankt die moderne Kunst Österreichs dem Hagenbund
zahlreiche wesentliche Ausstellungen - ein Phänomen, das zu den verkanntesten der heimischen Kunstgeschichte
zählt.
Grund genug für das Belvedere als Institution - die die kunstgeschichtliche Forschung zu ihren wesentlichen
Aufgaben zählt -das internationale Netzwerk Hagenbund, das sich regional formierte und international operierte,
wissenschaftlich aufzuarbeiten und die Ergebnisse in der Ausstellung mit Werken der Sammlung zu vermitteln.
Um die Jahrhundertwende fehlte es in Wien an einer staatlichen Institution respektive einer öffentlichen Sammlung
für moderne Kunst. Zwar sammelte die Kaiserliche Gemäldegalerie Werke zeitgenössischer österreichischer
Künstler, jedoch ohne leitendes Programm. Daher sprachen sich u. a. die Secession und der Hagenbund 1901 schriftlich
für die Errichtung einer Modernen Galerie aus. Am 2. Mai 1903 wurde die Moderne Galerie im Unteren Belvedere
als ein außergewöhnliches gesellschaftliches Ereignis eröffnet.
Die Ausstellung im Unteren Belvedere zeigt nun anhand von Schlüsselwerken eine Narration dieses Künstlerbundes.
Dabei kommt vor allem den internationalen Künstlerfreunden eine wesentliche Rolle zu, und erstmals werden
die Wiener Künstler wieder gemeinsam mit ihren Kollegen aus den zentraleuropäischen Ländern gezeigt.
Aus der Sammlung des Belvedere werden 51 Objekte in der Ausstellung präsentiert, einzelne wurden aus den damaligen
Hagenbund-Ausstellungen für die Österreichische Galerie Belvedere angekauft.
"Die Geschichte der Moderne des 20. Jahrhunderts in Wien ist eng mit den beiden großen Künstlervereinigungen
Secession und Hagenbund verknüpft. Von den Feuilletonisten wegen der Präsentation expressionistischer
Künstler wie Oskar Kokoschka 1911 oder der Künstler der Neukunstgruppe 1911/12 oft wütend rezensiert,
wurde der Hagenbund damit für kurze Zeit zur Speerspitze der Wiener Moderne", erklärt Agnes Husslein-Arco,
Direktorin des Belvedere.
"Lange im Schatten der Wiener Secession stehend, setzte der Hagenbund wesentliche Impulse für die Wiener
Kunstszene, aber auch für das Künstlerleben der Nachbarländer Ungarn, Tschechien, Polen oder Slowenien
im Zeitraum seines Bestehens von 1900 bis 1938", erläutert der Kurator der Ausstellung, Harald Krejci
Das Forschungsprojekt "Hagenbund"
Das Forschungsprojekt Hagenbund, das der Idee und dem Konzept von Harald Krejci folgt und noch bis April 2015
läuft, hat dabei Erstaunliches zutage gefördert: Mit seinen umfangreichen Ausstellungsaktivitäten
hat der Hagenbund weit mehr für die Künstler getan, als bisher bekannt war. Aus den Abspaltungstendenzen
der Künstlerschaft rund um das Künstlerhaus hatte sich der Hagenbund neben der Secession als eine europäisch
vernetzte Plattform etabliert, die vor allem den neuen künstlerischen Bewegungen eine Öffentlichkeit
bot.
"Im Rahmen einer breit angelegten Quellenforschung war es erstmals möglich, die umfangreiche Tätigkeit
des Hagenbundes mit rund 250 Ausstellungsprojekten - bisher ging man von knapp 141 aus - zu dokumentieren und mit
der digitalen Aufbereitung der Quellendaten zur Erstellung einer Netzwerkanalyse wissenschaftlich neue Weg zu gehen",
so Agnes Husslein-Arco.
Erstmals wird die Netzwerkanalyse als Werkzeug der Kunstwissenschaft zur Untersuchung von über neun historischen
Ausstellungen des Vereins Hagenbund herangezogen, um eine Neubewertung künstlerischer Entwicklung in der Zwischenkriegszeit
für den Betrachter erfahrbar zu machen. Darüber hinaus stellt die Schau das Zwischenergebnis des von
der Oesterreichischen Nationalbank geförderten zweijährigen Forschungsprojekts des Belvedere zum Thema
Europäisches Netzwerk Hagenbund - 1900 bis 1938 dar.
Die Netzwerkanalyse Hagenbund
Aufgrund der begleitenden zweijährigen, vom Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank geförderten
Forschungsarbeit konnte gezeigt werden, wie neue, innovative Methoden neue Perspektiven auf die Kunstentwicklung
möglich machen. Mit der historischen Netzwerkanalyse wurde ein Werkzeug geschaffen, das auch das kuratorische
Konzept mitgestaltet hat. Somit konnte die historische Innovation des Hagenbundes auch in der Ausstellungsarbeit
mitreflektiert werden.
Zusätzlich zur Ausstellung ist eine umfassende 450-seitige Publikation entstanden, die in zwei Sprachen erschienen
ist und die Forschungsergebnisse erstmals umfassend darlegt. Namhafte Autoren haben sich mit unterschiedlichen
Ansätzen dem Phänomen Hagenbund genähert und die recherchierten Quellen analysiert und bewertet.
Es sind ebenjene komplexen Beziehungen, die es zu analysieren gilt, um bestimmte Entwicklungen in der Kunst besser
zu verstehen und mit der neuen Methode auch erstmals visualisieren zu können. Durch die digitale Erfassung
der großen recherchierten Datenmenge können die Künstlernetzwerke erstmals auf verschiedenen Ebenen
analysiert werden.
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