Dienstzeiten werden bis Mitte 2021 schrittweise reduziert
Wien (pk) - Der Sozialausschuss des Nationalrats hat am 09.10. grünes Licht für die neue Arbeitszeitregelung
für SpitalsärztInnen gegeben. SPÖ, ÖVP und Team Stronach stimmten im Ausschuss der erst vor
kurzem vorgestellten Gesetzesinitiative zu. In einigen Punkten wurden noch Adaptierungen vorgenommen, so wird die
Übergangsfrist für die vorgeschriebene Arbeitszeitreduzierung um sechs Monate von Anfang auf Mitte 2021
erstreckt. Damit will man den Spitälern mehr Zeit für die notwendigen Anpassungsmaßnahmen geben.
Die Opposition forderte, den Gesetzentwurf vor der Beschlussfassung einer Begutachtung zu unterziehen, ein gemeinsamer
Antrag der NEOS, der Grünen und des Team Stronach fand allerdings keine Mehrheit.
Kernpunkt des Gesetzesvorhabens ist eine schrittweise Reduktion der durchschnittlichen Arbeitszeit von SpitalsärztInnen
von derzeit bis zu 60 Stunden auf maximal 48 Stunden wöchentlich bis Mitte 2021. Damit setzt Österreich
mit deutlicher Verspätung eine EU-Richtlinie um. Die Opposition kritisierte neben dem fehlenden Begutachtungsverfahren
zum Teil auch die langen Übergangsfristen, grundsätzlich begrüßten aber auch FPÖ und
Grüne die Initiative. Sozialminister Rudolf Hundstorfer versicherte, dass sowohl sämtliche Ärzte-
und Personalvertretungen als auch die Länder in die Verhandlungen einbezogen waren. Er rechnet damit, dass
vor allem Kärnten, die Steiermark und Salzburg die langen Übergangsfristen brauchen werden.
ÄrztInnen dürfen nicht mehr länger als 25 Stunden Dienst versehen
Basis für den Beschluss im Ausschuss bildete ein Antrag der Koalitionsparteien zur Novellierung des Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes
( 608/A) mit Berücksichtigung eines von SPÖ und ÖVP vorgelegten Abänderungsantrags. Demnach
dürfen Ärztinnen und Ärzte ab 1. Jänner 2015 nur noch mit ihrer schriftlichen Zustimmung zu
Diensten von durchschnittlich mehr als 48 Stunden pro Woche eingeteilt werden (Opt-Out-Regelung). Derzeit ist –
inklusive Arbeitsbereitschaft – noch eine wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit von bis zu 60 Stunden möglich.
Wer diese Zustimmung nicht erteilt oder sie später widerruft, darf nicht benachteiligt werden.
Liegt eine schriftliche Zustimmung vor, kann die 60-Stunden-Woche noch bis Ende 2017 beibehalten werden, ab 2018
sind durchschnittlich maximal 55 Arbeits- und Bereitschaftsstunden pro Woche erlaubt. Ab Mitte 2021 darf die durchschnittliche
Wochenarbeitszeit für ÄrztInnen schließlich 48 Stunden nicht mehr überschreiten. Als Durchrechnungszeitraum
gelten grundsätzlich 17 Wochen (4 Monate), unter besonderen Umständen kann dieser Zeitraum mit der Einführung
der 48-Stunden-Woche aber auf 1 Jahr (52 Wochen) ausgedehnt werden. Die Bestimmungen über die Aufteilung der
Arbeitszeit in Einsatz- und Bereitschaftszeit entfallen. Die maximale Arbeitszeit in einzelnen Wochen bleibt weiter
bei 72 Stunden.
Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine Reduktion der verlängerten Wochenend- und Feiertagsdienste
für Ärzte vor. Anstelle der derzeit erlaubten Wochenenddienste von bis zu 49 Stunden soll es ab 2018
nur mehr 29-Stunden-Dienste und ab 2021 maximal 25-Stunden-Dienste geben. Die Ausgleichsruhezeit muss sofort nach
dem Wochenenddienst – und nicht wie bisher innerhalb des viermonatigen Durchrechnungszeitraums – konsumiert werden.
Auch die Möglichkeit der finanziellen Abgeltung der Ersatzruhe in Sonderfällen wird abgeschafft, da sie
der EU-Arbeitszeit-Richtlinie widerspricht.
Mit dem heute von SPÖ und ÖVP vorgelegten Abänderungsantrag wurden auch Vorkehrungen für neu
eingerichtete Sonderkrankenanstalten und Genesungsheime getroffen: Sie können als Überbrückung bis
zur Einrichtung eines Betriebsrats in den ersten drei Monaten mit den MitarbeiterInnen verlängerte Dienste
ohne Betriebsvereinbarung regeln.
Österreich steht bei der Umsetzung der EU-Richtlinie unter Zeitdruck – die Kommission hat bereits eine Klage
beim Europäischen Gerichtshof angekündigt. Laut Sozialminister Hundstorfer müsste Österreich
ab kommenden Jänner pro Monat 5 Mio. € Strafe zahlen, kommt es den Vorgaben nicht nach.
Mit dem Koalitionsantrag mitverhandelt wurden Entschließungsanträge der Grünen und der FPÖ,
die unter anderem ebenfalls darauf abzielen, die zulässige Dienstdauer von SpitalsärztInnen auf durchgehend
maximal 25 Stunden zu begrenzen ( 86/A(E), 104/A(E)). Sowohl die Gesundheitssprecherin der Grünen Eva Mückstein
als auch FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein verweisen darin auf die enorme Belastung,
die überlange Arbeitszeiten hervorrufen. In Studien sei eindeutig nachgewiesen worden, dass ÄrztInnen,
die länger als 24 Stunden im Dienst sind, eine verlangsamte Reaktionszeit aufweisen, vergleichbar mit einem
Alkoholgehalt im Blut von 0,8 Promille, gibt Mückstein zu bedenken. Der Antrag der Grünen gilt mit der
Beschlussfassung des Gesetzentwurfs als miterledigt, der FPÖ-Antrag wurde von SPÖ und ÖVP abgelehnt.
Opposition drängt auf Begutachtungsverfahren
Im Rahmen der Debatte kritisierten die Abgeordneten Eva Mückstein (G), Gerald Loacker (N), Dagmar Belakowitsch-Jenewein
(F) und Birgit Schatz (G), dass der Gesetzentwurf als Initiativantrag eingebracht wurde und damit eine Begutachtung
entfällt. Das Parlament hätte eine demokratische Verpflichtung, diese nachzuholen, hielt Mückstein
fest. Es möge ja sein, dass Sozialminister Hundstorfer alle Betroffenen hinter den Kulissen konsultiert habe,
ergänzte Abgeordneter Loacker, das ersetze ein Begutachtungsverfahren mit öffentlich einsehbaren Stellungnahmen
aber nicht. Eine Begutachtung ginge sich seiner Meinung nach zeitlich außerdem leicht aus. Abgeordnete Belakowitsch-Jenewein
gab zu bedenken, dass nicht alle Länder "im Boot sind" und es zum Teil massiven Unmut über
das Gesetz gebe.
Gemäß dem gemeinsam von NEOS, Grünen und Team Stronach eingebrachten Antrag hätte der Ausschuss
unter anderem den Rechnungshof, die Sozialpartner, die Ärztekammer, den Hauptverband der Sozialversicherungsträger,
die betroffenen Spitalserhalter sowie das Finanz- und das Gesundheitsministerium zur Abgabe von Stellungnahmen
bis zum 20. Oktober einladen sollen.
Grüne und FPÖ: Arbeitszeitverkürzung für Ärzte ist überfällig
Grundsätzlich wurde das Gesetz von Grünen und FPÖ begrüßt. Es sei längst an der
Zeit, die Arbeitszeit von Ärzten zu verkürzen und die entsprechende EU-Richtlinie umzusetzen, hoben die
Gesundheitssprecherinnen der beiden Fraktionen, Mückstein und Belakowitsch-Jenewein, hervor. Im Gegensatz
zu Mückstein sieht Belakowitsch-Jenewein auch in den langen Übergangsfristen sowie in den ausnahmsweise
möglichen Arbeitszeitüberschreitungen kein allzu großes Problem, damit trage man dem Krankenhausalltag
Rechnung. Sorgen macht sich Belakowitsch-Jenewein allerdings um die Rekrutierung von Ärzten, ihrer Meinung
nach steuert Österreich auf einen Ärztemangel zu.
Was die Opt-Out-Regelung betrifft, erwartet Mückstein Druck auf die Ärztinnen und Ärzte von Seiten
der Spitalserhalter. Zudem glaubt sie, dass es zu Problemen mit den niedrigen Grundgehältern kommen wird.
JungärztInnen stiegen mit einem sehr geringen Lohn in den Beruf ein, hier werde es erhebliche Veränderungen
geben müssen, damit die Ärzte nicht ins Ausland abwandern, unterstrich sie. Mücksteins Fraktionskollegin
Birgit Schatz wertete es als "Skandal", dass das Problem der Ärztearbeitszeit 13 Jahre lang nicht
angegangen worden sei, und beklagte, dass ÄrztInnen auch in Zukunft über mehrere Wochen hinweg bis zu
72 Stunden arbeiten dürften.
Auch NEOS-Sozialsprecher Loacker wies darauf hin, dass Österreich seit 13 Jahren säumig sei. Nun solle
das Gesetz im Eilverfahren beschlossen werden, noch dazu mit langen Übergangsfristen, kritisierte er. Man
mute Ärzten Arbeitszeiten zu, die man sonst keinem Arbeitnehmer zumute, dabei arbeite diese Berufsgruppe unmittelbar
an Leib und Leben. Loacker glaubt zudem nicht, dass sich etwas am Tagesbetrieb für Spitalsärzte ändern
wird, da es zahlreiche Ausnahmebestimmungen und lange Durchrechnungszeiträume gebe.
Seitens der Koalition hielt ÖVP-Abgeordneter August Wöginger dem entgegen, man dürfe nicht vergessen,
dass in den Arbeitszeiten der Ärzte auch Bereitschaftszeiten inkludiert seien. Der vorliegende Kompromiss
ist ihm zufolge nach langwierigen Verhandlungen erzielt worden, sowohl der ÖGB als auch die Ärztekammer
hätten zugestimmt. Seiner Ansicht nach bringt das Gesetz eindeutige Verbesserungen für Ärzte und
einen klaren Fahrplan.
Auch Abgeordneter Erwin Spindelberger (S) machte geltend, dass es in den letzten Jahren dutzende Gespräche
mit den Betroffenen gegeben habe. Er erwartet sich von der neuen Arbeitszeitregelung auch eine Qualitätsverbesserung.
Sozialminister Rudolf Hundstorfer räumte ein, dass das Problem der Ärztearbeitszeiten jahrelang weggeschoben
wurde. Man habe zuletzt aber mit allen Beteiligten intensiv verhandelt, betonte er. Auch der Umstand, dass das
Gesetz als Initiativantrag eingebracht wurde, sei abgestimmt gewesen. Der Zeitdruck ist laut Hundstorfer jedenfalls
groß, ab Jänner müsste Österreich pro Monat 5 Mio. € Strafe zahlen, kommt es den EU-Vorgaben
bis dahin nicht nach.
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen sind nach Darstellung von Hundstorfer auch nicht für alle Länder
ein Problem. So haben ihm zufolge schon jetzt 90% der niederösterreichischen Ärzte im Durchschnitt eine
48-Stunden Woche, das gleiche gilt etwa für etliche Spitäler in Wien, im Burgenland und in Tirol. Der
Minister rechnet, dass vor allem Kärnten, die Steiermark und Salzburg die langen Übergangsfristen brauchen
werden.
Der Kritik an den langen Übergangsfristen hielt Hundstorfer entgegen, im Gegenzug habe man die Opt-Out Regelung
befristet. Die EU hätte auch ein unbefristetes Opt-Out zugelassen. Dass im Falle von Naturkatastrophen und
anderen Notfällen ausnahmsweise auch längere Arbeitszeiten gestattet sind, ist dem Minister zufolge nichts
Neues, es komme hier sogar zu einer Verbesserung, da solche verlängerten Dienste nunmehr die ausdrückliche
Zustimmung der Ärzte bräuchten. Die mögliche Verlängerung des Durchrechnungszeitraums auf bis
zu ein Jahr begründete er damit, dass es einige "Saisonkrankenanstalten", vor allem in Wintersportorten,
gebe, die einen stark von der Jahreszeit abhängigen Arbeitsanfall haben.
Josef Muchitsch neuer Obmann des Sozialausschusses
Neuer Obmann des Sozialausschusses ist SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch. Er wurde zu Beginn der Sitzung einstimmig
zum Nachfolger der nunmehrigen Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gewählt. Die Grünen nutzten die
Wahl, um an Muchitsch – mit Hinweis auf seine Gewerkschaftsfunktion in einer männerdominierten Branche – zu
appellieren, als Vorsitzender des Sozialausschusses auch Lobbyingpolitik für Frauen zu machen und die Opposition
in die Arbeit des Ausschusses einzubinden. Muchitsch selbst äußerte die Hoffnung auf eine konstruktive
und gute Zusammenarbeit.
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