Kontroverse um Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada
Wien (pk) – Kontrovers diskutiert wurde im EU-Ausschuss des Bundesrats vom 08.10. das Wirtschafts- und Handelsabkommen
zwischen EU und Kanada (CETA). Dabei handelt es sich, wie die zuständige Sektionschefin des Wirtschaftsressorts
unterstrich, um das erste Abkommen der EU mit einem Industrieland. Am 26. September 2014 wurde beim Gipfel in Ottawa
das Ende der Verhandlungen verkündet, es folgt nun eine juristische Prüfung sowie die Übersetzung
der Texte des Abkommens in die EU-Amtssprachen. Im Anschluss daran wird die EU-Kommission einen formellen Vorschlag
an den Rat zur Unterzeichnung und Genehmigung vorlegen. Auch wenn die Frage der gemischten Zuständigkeit des
Abkommens noch nicht abschließend geklärt ist, sprechen alle Indizien dafür, dass der Vertrag einen
gemischten Charakter hat, betonte die Ressort-Expertin, da unter anderem Portfolio-Investitionen, Verkehrs- und
Steuerfragen sowie die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen berührt werden. Das bedeutet, dass das
Abkommen von den nationalen Parlamenten ratifiziert werden muss. Stefan Schennach (S/W) warnte in diesem Zusammenhang
eindringlich davor, das Abkommen nicht den nationalen Parlamenten zur Ratifizierung vorzulegen. Die Intransparenz
und das unklare Mandat haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Bevölkerung die Abkommen kritisch sieht,
sagte er, die Regierungen stünden nun vor einer empörten Bevölkerung.
Knackpunkt Investitionsschutz
In der Diskussion zeichnete sich einmal mehr der geplante Investitionsschutz (ISDS-Klauseln) als sensibelster Punkt
ab. Während die Wirtschaftskammer sowie auch die ÖVP-Bundesräte diesen Punkt positiv sahen, sprachen
sich die Arbeiterkammer, der ÖGB und der Städtebund ablehnend dazu aus.
Der Nationalrat hat am 24. September 2014 eine Entschließung angenommen, in der festgehalten wird, die Sinnhaftigkeit
der Aufnahme von ISDS-Klauseln sei bei Abkommen mit Staaten mit entwickelten Rechtssystemen aus heutiger Sicht
nicht erkennbar. Der kanadische Chefverhandler hat jedoch kürzlich festgestellt, dass diese Bestimmungen für
Kanada unverzichtbar seien und deren Wegfall die gesamt Balance des Abkommens stören würde. Die Vertreterin
des Ministeriums hielt dazu fest, dass das Investitionskapitel im Einklang mit dem österreichischen Musterabkommen
aus 2008 stehe, in welches die Sozialpartner miteinbezogen waren. Sie wies zudem auf die öffentliche Konsultation
zu diesem Thema im Zuge der TTIP-Verhandlung zwischen der EU und den USA hin, die zwar formal keine Auswirkungen
auf die CETA-Verhandlungen hat, in der Realität jedoch würde die jetzige Beschlussfassung von CETA die
Glaubwürdigkeit des TTIP-Konsultationsprozesses unterlaufen. Auf diesen Punkt habe Österreich neben anderen
Mitgliedsstaaten in den einschlägigen EU-Gremien wiederholt hingewiesen.
Technische Änderungen noch möglich – Österreich hat drei Kritikpunkte angemeldet
Zu den ISDS-Konsultationen soll es in Kürze einen Zwischenbericht geben, informierte die Sektionschefin und
wies gegenüber Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer (V/V) darauf hin, dass im Zuge der juristischen Prüfung
nur noch Änderungen technischer Natur möglich sein werden, nicht jedoch die Herausnahme eines ganzen
Kapitels.
In diesem Sinne habe Österreich bisher 3 Punkte angemeldet, die im Rahmen des CETA-Prüfungsprozesses
noch einer Klarstellung bedürfen. Das betrifft zum einen die Restrukturierung von Staatsschulden, Staatsanleihen
und die Bankenauflösung, zum anderen tritt Österreich gemeinsam mit Deutschland für den absoluten
Vorrang von bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen und eine dahingehende Präzisierung der Steuerausnahmebestimmungen
ein. Auch wurde von Österreich die von Deutschland verlangte Klarstellung hinsichtlich der Zulässigkeit
der Förderung der kulturellen Vielfalt, einschließlich der Medienvielfalt, ausdrücklich unterstützt.
Seitens des Ressorts sei man zuversichtlich, dass man diesen kritischen Anmerkungen entgegen kommen werde, sagte
die Sektionschefin.
Wirtschaftsministerium erhofft sich große wirtschaftliche Vorteile
Aus der Sicht des Wirtschaftsministeriums werden aufgrund des erheblichen Außenhandels Österreichs mit
Kanada signifikante wirtschaftliche Vorteile erwartet. Der Entfall des Großteils der Zölle komme vor
allem den Klein- und Mittelbetrieben zu Gute, bei sensiblen Agrarprodukten seien jedoch Marktzugangsquoten für
Kanada vereinbart worden, sagte sie. Die Expertin unterstrich ausdrücklich, dass der sensible Bereich der
öffentlichen Dienstleistungen ausgenommen sei, diese damit auch in Zukunft abgesichert bleiben. Es gebe zudem
eine breite Ausnahme für die Wasserversorgung und die Erzeugung nuklearer Energie sowie die praktisch bis
auf wenige Ausnahmen durchgehende Aufrechterhaltung der Arbeitsmarktprüfung bei der Personenbewegung. Auch
würden die Möglichkeiten zur Förderung der kulturellen Vielfalt aufrecht erhalten. Es komme ferner
zu einer Verbesserung des Urheberrechtsschutzes, auch wesentliche agrarische geographische Herkunftsbezeichnungen
würden verstärkt geschützt. Dazu bemerkte Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V), der Bundesrat
habe bisher erfolgreich gegen die Aushöhlung der öffentlichen Daseinsvorsorge bei so manchem EU-Projekt
gekämpft.
Auch in Bezug auf die Nachhaltigkeit seien die wesentlichen österreichischen Anliegen erfüllt, hieß
es seitens des Wirtschaftsressorts. Durch das "right to regulate" werde eine Senkung von Sozial- und
Umweltstandards zugunsten von Investitionen verhindert. Sowohl in der Präambel als auch in weiteren Kapiteln
sei ausdrücklich festgehalten, dass die Vertragsparteien das Schutzniveau insbesondere für Gesundheit,
Sicherheit, Konsumenten-, Arbeits- und Umweltschutz nach eigenem Ermessen festlegen können. Für Österreich
sei auch die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips besonders wichtig.
AK, ÖGB und Städtebund äußern massive Bedenken
Dieser positiven Argumentation konnten sich Arbeiterkammer, ÖGB und Städtebund nicht anschließen.
Seitens der Arbeiterkammer vertritt man die Ansicht, dass die Verhandlungen noch nicht als abgeschlossen gelten.
Große Probleme bereitet der Investitionsschutz, der zwischen Regionen mit hohen rechtsstaatlichen Standards
für wenig sinnvoll erachtet wird. Es gebe auch keinerlei Untersuchungen, welche Auswirkungen der Abbau nicht-tarifärer
Handelshemmnisse auf den Arbeitnehmerschutz und die Lebensmittel haben wird, argumentiert man seitens der Arbeitnehmervertretung.
Ferner wird die Tatsache äußerst kritisch gesehen, dass es keine Sanktionen bei Verstößen
geben soll.
In ein ähnliches Horn stieß der ÖGB, der die inzwischen vorgenommenen Präzisierungen zum Investitionsschutz
als unzureichend bezeichnet. Die handlungspolitischen Spielräume der einzelnen Staaten würden eingeschränkt,
die Bestimmungen gehen nach Ansicht des ÖGB weit über den Mustertext von 2008 hinaus. Außerdem
fehlen der Gewerkschaft die Verbindlichkeit sozialer Standards. Bedenken hegt der ÖGB zudem, dass der Schutz
der öffentlichen Dienstleistungen trotz anderweitiger Beteuerungen nicht gewährleistet sei, da die Ausnahmebestimmungen
unmissverständlich formuliert seien. Das gleiche gelte für die Subventionen, sagte der Vertreter des
ÖGB und kritisierte, dass die verlangte Rechtsfolgenabschätzung nicht vorgenommen worden sei.
Auch der Österreichische Städtebund fürchtet um die öffentliche Daseinsvorsorge, die in Österreich
hohes Niveau habe.
FPÖ-Vorstoß, CETA abzulehnen
Diesen Befürchtungen schloss sich die FPÖ voll inhaltlich an und brachte einen Antrag auf Stellungnahme
ein, der jedoch von den anderen Fraktionen mehrheitlich abgelehnt wurde. Monika Mühlwerth (F/W) und Cornelia
Michalke (F/V) warnen darin vor einer Aushöhlung des demokratischen Rechtssystems, sollten Großkonzernen
Sonderklagerechte eingeräumt werden. CETA, das als Test für das geplante TTIP-Abkommen gilt, werde massive
Absenkungen im Bereich der Sozial-, Arbeits-, und Sicherheitsstandards mit sich bringen und negative Auswirkungen
auf den Verbraucher- und Naturschutz haben. Beide Bundesrätinnen plädieren daher für eine Ablehnung
des Abkommens.
Mühlwerth kritisierte im Ausschuss zudem scharf die Intransparenz der Verhandlungen und hielt es für
inakzeptabel, dass das Parlament während der letzten fünf Jahre nicht informiert worden ist. Es gehe
nicht an, dass man nun ratifizieren müsse, ohne auch nur die Möglichkeit zu haben, das Paket zu öffnen,
sagte Michalke. Beide bezweifeln zudem die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen, worauf die Expertin des Wirtschaftsressorts
einige Zahlen zu derzeit hohen Zöllen nannte und den Abbau von Zöllen als eine wichtige Maßnahme
für die Klein- und Mittelbetriebe bezeichnete.
ÖVP: Den Handel nicht a priori negativ beurteilen
Im Gegensatz zu den negativen Stellungnahmen begrüßte die Wirtschaftskammer den Vertrag durchwegs positiv,
weil er für Unternehmen den Marktzugang verbessern werde. Die Wirtschaftskammer stehe auch hinter dem Investitionsschutz,
bekräftigte deren Vertreterin, denn dieser sichere ein gutes Gleichgewicht zwischen Investoren und Staat zu.
Der Text sei so abgefasst, dass ungerechtfertigte Klagen keine Chance haben.
Der völligen Ablehnung des CETA-Abkommens konnten sich auch die Bundesräte Ferdinand Tiefnig (V/O), Gerhard
Schödinger (V/N) und Franz Perhab (V/St) nicht anschließen. Man müsse die Kritik ernst nehmen,
bemerkte Tiefnig, und Lösungen finden. Der europäische Arbeitsmarkt benötige aber wiederum mehr
Schwung. Schödinger wiederum wies darauf hin, dass innerhalb der EU das Rechtsniveau noch sehr unterschiedlich
ausgestaltet sei und daher Kanada den Investitionsschutz brauche. Er erinnerte zudem daran, dass derzeit Verhandlungen
mit China geführt werden und in diesem Zusammenhang werde Österreich wohl auch den Investitionsschutz
brauchen. Man dürfe den Handel nicht a priori negativ sehen, warf Perhab ein, vielmehr müsse man alles
unternehmen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
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