EU-Chefverhandler Garcia Bercero informiert österreichische Abgeordnete und BundesrätInnen
Wien (pk) – Die Investorenschutzklauseln sowie die Standards für Landwirtschaft und Umwelt dominieren
nach wie vor die Diskussion über das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP zwischen der Europäischen
Union und den USA. In einem Gespräch mit dem EU-Chefverhandler Ignacio Garcia Bercero deponierten österreichische
Abgeordnete und BundesrätInnen am 08.10. einmal mehr ihre Skepsis in diesen beiden Bereichen und riefen dazu
auf, die Sorgen und Ängste der Bevölkerung ernst zu nehmen. Garcia Bercero begrüßte den Nachdenkprozess
über den Investorenschutz als Folge der breiten öffentlichen Diskussion und versicherte im Übrigen,
bei den Standards werde die EU keinerlei Kompromisse zulassen. Ein Freihandelsabkommen unter Ausklammerung des
Bereichs Landwirtschaft hielt er allerdings für unvorstellbar.
Österreichische Skepsis gegen Investorenschutzbestimmungen
Freihandel sei grundsätzlich etwas Positives für die Volkswirtschaft, der Teufel liege aber oft im Detail,
schickte der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf als Leiter des Gesprächs voraus. SPÖ-Abgeordneter
Josef Cap untermauerte ebenso wie Werner Kogler von den Grünen die ablehnende Haltung Österreichs zu
den Investorenschutzbestimmungen und erinnerte an die diesbezügliche Entschließung des Nationalrats.
Es sei bedauernswert, dass die Rechtsstandards der 28 EU-Staaten durch das Abkommen mit den Standards jener Länder
gleichgestellt werden, mit denen es zu Recht Investorenschutzklauseln gibt, stellte Cap fest und betonte, eine
Angleichung der Standards würde für Österreich jedenfalls einen Abbau bedeuten, dies wäre nicht
mehrheitsfähig. NEOS-Klubobmann Matthias Strolz plädierte für einen alternativen Weg beim Investorenschutz
und stellte die Idee eines unabhängigen internationalen Gerichtshofs für Handelsfragen in den Raum. Freihandel
auf Augenhöhe und unter fairen Bedingungen begrüßte er zudem als besten Hebel zur Schaffung von
Wohlstand und zeigte sich darin einer Meinung mit ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig, die TTIP vor allem aus Sicht
des Exportlandes Österreich unterstützte und dazu aufrief, die Bedürfnisse der heimischen KMU beim
Handel mit den USA besonders zu berücksichtigen.
Heimische Politik in Sorge wegen der Auswirkungen von TTIP auf die Landwirtschaft
Johannes Hübner (F) sah hingegen eine Gefahr für die klein- und mittelständische Wirtschaft und
wies insbesondere auf die hohen Schadenersatzforderungen und Prozesskosten in den USA hin. Der Außenpolitische
Sprecher der Freiheitlichen trat überdies dafür ein, die Landwirtschaft gänzlich aus TTIP auszuklammern.
Dies forderte auch Matthias Strolz namens der NEOS, zumal, wie er sagte, Europa in diesem Bereich einen wesentlich
nachhaltigeren Zugang habe als die USA. Vor möglichen negativen Auswirkungen vor allem auf dem Rindfleischsektor
warnte Hermann Schultes von der Volkspartei, der sich aber gleichzeitig zuversichtlich bezüglich der Chancen
der qualitativ hochstehenden heimischen Produkte auf den US-Märkten zeigte. Entscheidend sei deshalb die Kennzeichnung
der Lebensmittel hinsichtlich Herkunft, Qualität und Produktionsweise, stand für ihn fest.
Sorgen über die Umwelt- und Klimapolitik äußerte auch Grün-Abgeordnete Christiane Brunner,
während Petra Bayr als EZA-Sprecherin der SPÖ Bedenken vorbrachte, die Bestimmungen von TTIP könnten
auch auf Drittstaaten Anwendung finden und dabei vor allem in Entwicklungsländern negative Folgen auslösen.
Garcia Bercero bestätigt Nachdenkprozess über Investorenschutz
TTIP sei noch nicht abgeschlossen, teilte Ignacio Garcia Bercero mit und kündigte an, man werde sich die Zeit
nehmen, die man braucht, um für Europa "alles richtig zu machen". Das Thema Investorenschutz werde
derzeit nicht behandelt, hier gebe es als Folge der regen öffentlichen Diskussion eine Verhandlungspause,
um den Ausgang eines Konsultationsprozesses abzuwarten. Es werde jedenfalls zu einer politischen Entscheidung kommen,
die die zukünftige EU-Kommission treffen muss. Die Tatsache, dass in Sachen Investorenschutz im CETA-Abkommen
mit Kanada ein bestimmter Ansatz gewählt wurde, bedeute noch nicht, dass TTIP dem gleichen Ansatz folgt. Investorenschutzklauseln
kommen nur dann in Frage, wenn die USA bestimmte Bedingungen akzeptiert, stellte Garcia Bercero klar. Der EU-Chefverhandler
begrüßte aber grundsätzlich den Investorenschutz und erwartete sich insgesamt mehr Transparenz
von diesbezüglichen Klauseln.
Landwirtschaft kann bei TTIP nicht ausgeklammert werden
Was die Landwirtschaft betrifft, gab er zu bedenken, diese sei ein Hauptinteresse der USA, ein Freihandelsabkommen
unter Ausklammerung der Landwirtschaft sei deshalb nicht vorstellbar. Wenn es um die Lebensmittelsicherheit geht,
werde die EU keine Kompromisse eingehen, versicherte Garcia Bercero. Hormonverbote im Fleisch oder Einschränkungen
für gentechnisch veränderte Produkte, wie sie in EU-Staaten bestehen, werden von TTIP nicht berührt.
Auch die Gewinnung von Schiefergas habe nichts mit TTIP zu tun. Genehmigungen von Fracking bleiben in der Zuständigkeit
der einzelnen Staaten, unterstrich Garcia Bercero der Grün-Mandatarin Christiane Brunner gegenüber.
Österreichs Parlament kann sich bis zur Unterzeichnung noch einbringen
Zu den Themen Transparenz und Mitbestimmung, die von Werner Kogler (G), aber auch von FPÖ-Bundesrat Hans-Jörg
Jenewein angesprochenen wurden, bemerkte der EU-Politiker, Aufgabe des Europäischen Parlaments sei es nicht,
direkt zu verhandeln, sondern vielmehr, die Verhandler zu überwachen. Das Europäische Parlament erhalte
jedenfalls dieselben Informationen wie die Mitgliedstaaten. Die Involvierung der nationalen Parlamente bei der
Ratifizierung von TTIP bezeichnete Garcia Bercero dabei als durchaus wahrscheinlich. Das österreichische Parlament
könne bis zur Unterzeichnung noch Fragen einbringen, versicherte er.
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