Bundesminister Ostermayer hofft auf Empfehlung bis Jahresende
Wien (bpd) - "Wir haben schon im Regierungsprogramm festgehalten, dass wir uns mit diesem heiklen Thema
"Sterben in Würde" besonders grundlegend befassen wollen. Daher beraten jetzt sowohl eine Enquete-Kommission
im Parlament als auch die Bioethikkommission darüber. Wir hoffen, dass wir noch bis Jahresende die Empfehlungen
vorliegen haben", so Bundesminister Josef Ostermayer bei der Begrüßung der Bioethikkommission,
die zur öffentlichen Sitzung und Diskussion eingeladen hatte.
Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, zeigte sich zuversichtlich, dass noch heuer zu einer finalen
Stellungnahme der Bioethikkommission gefunden werden könne. Als wichtiger Zwischenschritt gelte diese öffentliche
Debatte: "Denn der Tod wird noch immer tabuisiert, obwohl wir das ganze Leben lang damit konfrontiert sind.
Das Sterben wird oft nur als Unfall oder Versagen der Medizin gesehen, jedenfalls etwas, wovor man Angst hat",
so Druml. Schmal sei der Grat zwischen Lebens- und Sterbeverlängerung. Sterben in Würde bedeute aber
auch Sterben zulassen, selbstbestimmt sterben dürfen. "Wir wollen das Thema auch im Licht des jüngst
erschienenen Leitfadens des Europarates und im Hinblick auf die Europäische Menschrechtskonvention sachlich
und respektvoll diskutieren. Die Veranstaltung soll einen aktuellen Überblick über die derzeit in Europa
geführten Debatten bringen."
Gian Borasio, Palliativmediziner an der Universität Lausanne, plädierte in seinem Statement einerseits
für den massiven Ausbau der Palliativmedizin – "jeder Arzt braucht diese Ausbildung" – wie auch
für das Zulassen des Sterbens: lebenserhaltende Maßnahmen müssen nicht fortgeführt werden,
wenn sie keinen Sinn haben, andererseits zeige sich, dass intensive Schmerztherapien sogar lebensverlängernd
seien, weil sie Angst und Stress ausschalten. Dennoch gebe es einen kleinen Prozentsatz von Menschen, die Hilfe
zum Suizid wünschen. In Oregon/ USA wo dies unter strengen Auflagen möglich ist, zeigte sich, dass nur
zwei Promille der Todesfälle durch assistierten Suizid starben. Etwa ein Drittel derer, denen diese Hilfe
zugesichert wurde, verzichtete darauf, weil die Möglichkeit allein sie beruhigte. Man könne daher sogar
von Suizid-Prävention sprechen. Borasio legte auf die Unterscheidung zwischen assistiertem Suizid und Tötung
auf Verlangen großen Wert: die Tatherrschaft müsse vom Patienten ausgehen, ansonsten bestehe die Gefahr
des Dammbruchs wie in den Niederlanden, wo die Hemmschwelle drastisch abgesunken sei und die Gefahr bestehe, dass
der soziale Druck auf Alte und Sterbende wachse. Die echte Gefahr für die Mehrzahl der Sterbenden sei aber
die überschießende Therapie, die unzureichende Pflege und die unzureichende Palliativversorgung.
Dem stimmte auch Andreas Valentin, Internist und Leiter der Intensivstation in der Wiener Rudolfsstiftung und Leiter
der Arbeitsgruppe "Lebensende" in der Bioethikkommission, zu. Er erläuterte den Leitfaden des Europarates
zum Prozess der Entscheidungsfindung zur medizinischen Behandlung am Lebensende (PDF).
Die ethischen Grundlagen seien Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten, Benifizienz und Gerechtigkeit, also
auch der gleiche Zugang zur Palliativmedizin. "Kein Arzt ist verpflichtet, nicht wirksame Therapien fortzuführen,
ebenso können Patienten Therapien ablehnen." Es gelte immer abzuwägen, welches Therapieziel überhaupt
noch erreichbar sei. Nicht zuletzt, um zu verhindern, dass nur das Sterben und Leiden verlängert werde. "Es
gilt daher zu fragen, was brauchen Sterbende und nicht, was ist zu verbieten", so Valentin.
Auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, betonte, dass der assistierte Suizid nur einen
sehr kleinen Aspekt der Palliativmedizin darstelle. Man müsse vielmehr fragen, wie kann man zu einem glücklichen
Sterben kommen, denn "gelungenes Sterben ist Teil eines gelungenen Lebens". Der Gesetzgeber müsse
sich angesichts moralischer Pluralität zurückhalten, aber freilich müsse der Schutz des Lebens Grundsatz
bleiben, ebenso aber die Solidarität mit Menschen in Not. Um den assistierten Suizid zu ermöglichen,
stünden mehrere Optionen im Raum. In Deutschland sei Suizid nicht strafbar, daher auch nicht die Beihilfe.
Es bestehe aber auch die Möglichkeit, den assistierten Suizid umfassend zu verbieten, oder ihn zwar grundsätzlich
zu verbieten, aber Ausnahmen zu definieren. Ebenso könnten einzelne Verbote erlassen werden. Der Deutsche
Ethikrat hat noch keine gemeinsame Stellungnahme dazu abgegeben.
In den Niederlanden ist sowohl Tötung auf Verlangen als auch assistierter Suizid rechtlich möglich. Die
Befürchtungen, dass dadurch Dämme brechen, "slippery slopes" entstehen, seien unbegründet,
so Inez de Beaufort, Ethikprofessorin am Erasmus Medical Centre in Rotterdam und Mitglied der European Group on
Ethics. Die Anträge würden streng geprüft und in der Mehrzahl auch abgelehnt. Von einer Gefahr einer
"duty to die" sei man weit entfernt. Sie sei vielmehr stolz auf ein Land, das seinen Ärzten erlaubt,
zu helfen.
In der anschließenden Diskussion zeigte sich das Spektrum der Ansichten, die Zeit wurde allerdings knapp
und Vorsitzende Christiane Druml stellte weitere Diskussionen in Aussicht.
|