Linz (jku) - Moderne biomedizinische Forschung läuft heute in erster Linie über Computer - dabei werden
gewaltige Datenmengen über Patienten und Krankheiten gesammelt und analysiert. Diese Daten sind eine wahre
Schatzgrube für Mediziner und Biologen, um beispielsweise genetische Mutationen zu finden, die Krebs auslösen.
Allerdings können solche Informationsmengen von Menschen unmöglich manuell exploriert und bearbeitet
werden. Ein Gemeinschaftsprojekt der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz mit der TU Graz und der Harvard
University (USA) hat eine zukunftsweisende Software entwickelt, die nun im Fachmagazin "Nature Methods"
veröffentlicht wurde.
Computeralgorithmen und Visualisierungen können Biologen und Medizinern bei ihrer Arbeit helfen. Allerdings
müssen sich die Forscher oft auf Vermutungen verlassen, welche Gene oder andere Variablen die Patienten auf
welche Weise beeinflussen. Um die Daten zu analysieren, müssen sie oft selbst Programme schreiben, um Muster
zu finden und diese dann mit Statistik-Software auswerten.
Kurz: Es ist meist ein mühevoller Weg, der viel Zeit, Anstrengung und spezielle Computerkenntnisse erfordert.
Genau hier haben Forscher des Instituts für Computergrafik an der JKU sowie des Instituts für Maschinelles
Sehen und Darstellen an der TU Graz in Zusammenarbeit mit dem Park Lab am Center for Biomedical Informatics an
der Harvard Medical School und dem Pfister Lab an der Harvard School of Engineering and Applied Sciences (SEAS)
angesetzt. Gemeinsam wurde eine Software entwickelt, die es Biologen und Medizinern ermöglicht, genau die
Zusammenhänge aus den Daten herauszufischen, die sie benötigen - ohne selbst Programme schreiben zu müssen.
"Richtige Fragen stellen"
"Die Software hilft, aus den vorliegenden Daten Sinn zu machen und überhaupt erst die richtigen Fragen
stellen zu können. Forscher bekommen eine unverfälschte Sicht auf Muster in den Daten und können
dann herausfinden, ob diese relevant sind", so Nils Gehlenborg, einer der Forscher an der Harvard Medical
School und Co-Senior-Autor des "Nature Methods"-Artikels. "Wir wollen Forschern, die keine Statistikexperten
sind, ein Tool geben, das ihnen erlaubt neue Hypothesen zu generieren ohne von Informatikern abhängig zu sein
und ohne falschen Fährten zu folgen", meint auch Peter Park, Harvard Medical School Professor für
Pädiatrie am Boston Children's Hospital.
Die Software mit dem Namen "StratomeX" wurde entwickelt, um Forschern bei der Klassifizierung von
Krebsarten und bei der Auswertung der enormen Datenmengen des "The Cancer Genome Atlas"-Projektes zu
helfen. Eine effiziente Identifikation unterschiedlicher Tumortypen ist die Basis für eine effizientere und
individuellere Krebstherapie in der Zukunft.
Daten sammeln und darstellen
"StratomeX" vergleicht Tumordaten auf molekularer Ebene von hunderten von Patienten und erkennt Muster,
die auf Gemeinsamkeiten oder Unterschiede zwischen Patientengruppen hinweisen. Die Ergebnisse werden visuell aufbereitet,
um sie Biologen und Medizinern möglichst klar und verständlich zu präsentieren. Aus den Ergebnissen
kann man etwa erkennen, ob manche Patienten eine längere Lebenserwartung haben - und was sie von anderen Patienten
unterscheidet. "Der Forscher kann relevante Fragen stellen, die Antworten erheben und über modifizierte
Fragestellungen zu immer besseren Ergebnissen gelangen", erklärt Ass.Prof. Marc Streit vom JKU Institut
für Computergrafik, der als Gastprofessor in Harvard geforscht und gelehrt hat. Forscher können dann
die gefundenen Resultate in klinischen Studien testen.
Allgemein anwendbar
"StratomeX" ist zwar nicht die erste Software zur Visualisierung großer Datensätze, aber
die erste, speziell auf die Identifikation von Tumortypen zugeschnittene. "Obwohl für Krebsforschung
entwickelt, kann die Software auch zur Analyse von Daten anderer Krankheiten verwendet werden", so Alexander
Lex, PostDoc an der Harvard Universität. "StratomeX" ist über http://caleydo.org frei verfügbar. "In Zukunft hoffen wir, dass wir noch zielgerichteter
Details in den Daten finden können, die eine Rolle in Krankheiten spielen", erklärt Streit abschließend.
Das austroamerikanische Projekt erlangte bereits großes Aufsehen in der Fachwelt und wird unter anderem durch
den österreichischen Wissenschaftsfond FWF und das US National Institute of Health (NIH) gefördert. Das
Projekt ist ein Beleg für das Knowhow auf medizinischem Gebiet, das die JKU bereits jetzt aufweist. Neben
Ass.Prof. Streit forschen bereits 66 Institute und Abteilungen der JKU im medizinischen oder medizinnahen Bereich.
"Mit der neuen Medizinischen Fakultät werden hier an der JKU in Zukunft sicher noch weitere Impulse gesetzt",
erwartet Streit.
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