Intensive Debatte über Förderungsprogramm zur ländlichen Entwicklung
Wien (pk) - Auf dem Weg zur Umsetzung der Reform der "Gemeinsamen EU-Agrarpolitik" (GAP) in Österreich
hat der Nationalrat vor dem Sommer eine Novelle zum Marktordnungsgesetz verabschiedet. Am 06.10. debattierten die
Mitglieder des Landwirtschaftsausschusses mit Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter über den Einsatz
der in den Jahren 2014 bis 2020 vorgesehenen Mittel für die Entwicklung des ländlichen Raums (2. Säule).
Über die Genehmigung des diesbezüglichen österreichischen Programms von Seiten der EU werden anhand
von 176 Fragen der EU-Kommission derzeit Gespräche geführt, die in den nächsten Wochen abgeschlossen
werden könnten, zeigte sich Bundesminister Andrä Rupprechter in einer mehrstündigen, weit ins Detail
gehende Ausschussdebatte zuversichtlich. Ein zentrales Diskussionsthema bildete die Befürchtung mehrerer Abgeordneter,
das -von den Regierungsparteien grundsätzlich positiv bewertete Programm -könnte zu weiteren bürokratischen
Belastungen der BäuerInnen führen. Weiters orteten Vertreter der Opposition Informationsbedarf bei den
BäuerInnen, insbesondere über Förderungsmöglichkeiten, bei denen die Antragsfrist im Herbst
abläuft, ein Bedenken, das der Ressortleiter zerstreute, indem er die Erwartung aussprach, die Verhandlungen
mit der EU bald abzuschließen. Mit einem Entschließungsantrag schlugen die Grünen vor, die Dotierung
von Klima- und Umweltschutzmaßnahmen zu erhöhen und Investitionsförderungen auf BäuerInnen
zu beschränken, die am neuen "Österreichischen Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft
(ÖPUL)" teilnehmen. Mit Kritik an der Benachteiligung von Nebenerwerbsbauern in der Arbeitslosenversicherung
meldeten sich schließlich die Freiheitlichen zu Wort - ihr Anliegen stieß auf positive Resonanz. Ihren
diesbezüglichen Entschließungsantrag vertagte der Ausschuss aber ebenso mit der Mehrheit von SPÖ
und ÖVP wie jenen der Grünen.
Noch offene Fragen mit der EU zur ländlichen Entwicklung
Die EU-Kommission hat auf die Übermittlung des österreichischen Programms zur Förderung der ländlichen
Entwicklung mit 176 Fragen reagiert, über die derzeit mit der Kommission Gespräche geführt werden.
Sein Ressort arbeite intensiv an der Beantwortung der Fragen, informierte Rupprechter die Abgeordneten und teilte
mit, dass es auf beiden Seiten Bewegung geben müsse, er das Paket aber nicht aufschnüren wolle. Vordringliche
Themen seien die Steilflächenmahd, Prämiendifferenzen beim Silageverzicht, Ausgleichszahlungen für
benachteiligte Gebiete, der Viehbesatz auf Almen sowie Fragen der Bildungsförderung im ländlichen Raum.
Er sei zuversichtlich, diese offene Fragen in den nächsten Tagen klären zu können, sagte Bundesminister
Rupprechter.
Opposition befürchtet mehr Bürokratie für die Bauern
Ein zentrales Thema bildete die verpflichtende Digitalisierung bei der Erfassung landschaftlicher Elemente, was
von mehreren Abgeordneten als zusätzliche bürokratische Hürde beklagt wurde. Die Digitalisierung
sei jedoch notwendig, weil die Erhaltung von Landschaftselementen zu den Fördertatbeständen im österreichischen
Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) zählt, führte Rupprechter insbesondere
gegenüber den Abgeordneten Rupert Doppler (F), Wolfgang Pirklhuber (G) und Harald Jannach (F) aus.
Dass mehr Geld für die Investitionsförderung zur Verfügung stehe, sei lobenswert, meinte Abgeordneter
Harald Jannach (F), problematisch sei aber, dass die Bauern die Fördersätze noch nicht kennen. Festzulegen
seien auch Förderobergrenzen im ÖPUL, zeigte sich Jannach überzeugt, der zudem wissen wollte, wer
zu den Gewinnern und wer zu den Verlieren der GAP-Reform zähle.
Junge HofübernehmerInnen sollten sich in Zukunft stärker als Unternehmer sehen und Synergien zwischen
der Land- und Forstwirtschaft und dem Tourismus verstärkt nutzen, meinte Abgeordneter Josef Schellhorn (N),
der vor Strafzahlungen des Bundes warnte - wegen Versäumnissen der Länder beim "Natura 2000"-Programm.
Diese Sorgte zerstreute Rupprechter mit dem Hinweis auf 15a-Verträge mit den Ländern.
Richtungsweisendes Programm zur ländlichen Entwicklung
Als ein richtungsweisendes Programm bezeichnete SPÖ-Agrarsprecher Erwin Preiner das österreichische Programm
zur ländlichen Entwicklung. Es sei wichtig, dafür zu sorgen, dass die Fördergelder punktgenau ankommen,
der Biolandbau ausgebaut und die Biodiversität gelebt werde. Wichtig seien auch Kontrolle und Transparenz
sowie rechtzeitige Informationen für die BäuerInnen über Förderungen im Rahmen des "Immergrün"-Programms.
Preiner brach auch eine Lanze für den integrierten Pflanzenschutz und trat dafür ein, die Untergrenze
bei der Investitionsförderung von 300.000 € beizubehalten. Seine Frage galt der zusätzlich vorgesehenen
Förderung in extremen Bergregionen. Preiners SPÖ-Fraktionskollegin Cornelia Ecker unterstrich die Notwendigkeit
von Bildungsförderung im ländlichen Raum.
Lob, aber auch Kritik am Landwirtschaftsminister
Lob für die ausführlichen Informationen des Landwirtschaftsministers kam von Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber,
der aber zugleich Kritik an einer zu geringen Mitwirkung des Parlaments an der Erstellung des Programms für
die ländliche Entwicklung übte. Aus demokratischer Sicht sei es zudem problematisch, dass 1,1 Mrd. €
jährlich ohne gesetzliche Grundlage ausgegeben werden sollen. Pirklhuber schlug vor, ein eigenes Gesetz für
die Umsetzung der EU-Verordnung zur Förderung der ländlichen Entwicklung zu schaffen. Pirklhubers Hauptkritik
am vorliegenden Programmentwurf galt der hohen Fehlerquote, die es befürchten lasse. Auch für den Grünen
Agrarsprecher stellte die verpflichtende Digitalisierung bei der Erfassung landschaftlicher Elemente einen "Unsinn"
dar, der nichts mit Naturschutz zu tun habe. Änderung in Richtung Entbürokratisierung seien gefragt,
sagte Pirklhuber. Beim Thema Biolandbau machte Pirklhuber auf den Nachholbedarf wegen des von Minister Berlakovich
verhängten Einstiegsstopps aufmerksam, wies auf "Biobauern ohne Bioförderung" hin und verlangte,
die Dynamik der Märkte bei Bioprodukten zu berücksichtigen. Weitere Forderungen des Redners richteten
sich auf die Beschränkung des Pestizideinsatzes und auf die Offenlegung der Prämienkalkulation.
Entbürokratisierung der Landwirtschaft bildete auch eine der zentralen Forderungen des Abgeordneten Leopold
Steinbichler (T). Zudem verlangte Steinbichler mit Unterstützung Pirklhubers ein Qualitätsgütesiegelgesetz,
um das Importproblem in der österreichischen Agrarwirtschaft zu lösen. Apfelsaft und Teiglinge aus China,
zunehmende Rinder- Schweine- und Geflügelimporte sah der Abgeordnete als ein Problem für die heimischen
Bauern. Zu fragen sei außerdem, wieviel von dem für die ländliche Entwicklung vorgesehenen Geld
tatsächlich bei den BäuerInnen ankommen - seiner Schätzung nach nur 20 %, sagte Steinbichler.
Argumente für den Einsatz der Breitbandmilliarde brachte Abgeordneter Walter Schopf (S) vor, der es außerdem
für moralisch problematisch hielt, Gemüse einzuackern, während Menschen hungern.
Die Stimmung unter den BäuerInnen sei nicht so schlecht wie dies manche SprecherInnen der Opposition darstellten,
sagte Abgeordneter Nikolaus Prinz (V). Es sei aber wichtig offene Fragen wie die Förderung der Steilflächenmahd
und die Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland auf die Bauern zu lösen. Das Einackern von Gemüse
sei Folge hoher Erntekosten und für Betriebe oft der einzig mögliche Schritt, wenn die Preise verfallen,
erklärte Prinz.
Widersprüche auf dem Schweinemarkt ortete Abgeordneter Jakob Auer (F): Einerseits verfielen die Preise, andererseits
werben Händler um Schweinefleisch.
Russland-Sanktionen: EU soll auf Probleme der Bauern reagieren
Auf die Fragen der Abgeordneten eingehend teilte Landwirtschafsminister Andrä Rupprechter mit, dass die verpflichtende
Digitalisierung bei der Erfassung landschaftlicher Elemente in 3-Jahres-Schritten erfolgen werde. Sorgen von Abgeordneten
wegen der Investitionsförderung im Jahr 2014 zerstreute der Ressortleiter und erklärte sein Bemühen,
rasch zu einer Genehmigung des österreichischen Förderungsprogramms zu gelangen. Rupprechter bekannte
sich auch zu dem Ziel einer Entbürokratisierung der Landwirtschaft und berichtete von Vereinfachungen anhand
von Empfehlungen des Rechnungshofes. Beim Thema Digitalisierung versprach Rupprechter eine Vorgangsweise mit Augenmaß.
In dem von Abgeordnetem Pirklhuber angesprochenen Fehlerbericht des Europäischen Rechnungshofes schneide Österreich
sehr gut ab, erfuhren die Abgeordneten.
Die Auswahlkriterien für die Förderung von biologischen Flächen werden noch bekanntgegeben, kündigte
der Minister an und teilte mit, dass er gegen die Verordnung von Flächenzielen in der Biolandwirtschaft sei,
"die der Markt nicht hergibt". Zu den Gewinnern der GAP-Reform seien Biobetriebe zu zählen, während
intensive Viehhalter mit Verlusten bei den Förderungen rechnen müssen. Gegenüber Abgeordnetem Steinbichler
hielt der Minister fest, dass 80 % der Förderungsmittel direkt an die Bauern gehen. Der Minister erläuterte
die Ziele des "Genussregionen"-Programms zur Förderung des regionalen Einkaufs, der auch Transportkosten
verringere und das Klima schütze. Zudem informierte der Minister den Ausschuss darüber, dass HofübernehmerInnen
in der ersten Säule der GAP gefördert werden, wobei dem Unternehmergeist wachsende Bedeutung zukomme.
Die Förderung sozialer Dienstleistungen sei eine wichtige Innovation im ländlichen Raum, wusste sich
Rupprechter mit Abgeordnetem Preiner einig. Wichtig sei auch eine entsprechende Erschwernisabgeltung für Bergbauern
in der Zone III und IV. Bei der Steilhangförderung sehe sein Programm zwei Stufen vor, die EU sagte zu, diesen
Vorschlag wohlwollend zu prüfen. Bei den Almbauern registrierte der Landwirtschaftsminister eine Aufbruchsstimmung,
räumte aber ein, dass es im Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland Probleme auf dem Schweinemarkt
und bei Obst und Gemüse gebe. Er trete dafür ein, seitens der EU auf diese Situation zu reagieren, wobei
er auf eine Exportoffensive auf neuen Märkten, unter anderem in Südkorea und China, sowie auf EU-Maßnahmen
zur Entlastung des Marktes, unter anderem durch Lagerhaltung, setze.
In einer weiteren Beratungsrunde verlangte Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) genauere Informationen über
den Aktionsplan der Agrarmarkt Austria zur Reduzierung der Fehlerquote und beklagte Informationsprobleme der Bauern
bei Begrünungsmaßnahmen und in der Investitionsförderung. Abgeordneter Leopold Steinbichler unterstrich
seine Forderung nach Schutz der heimischen Agrarproduktion vor zunehmenden Importen. Der Landwirtschaftsminister
zeigte sich gegenüber Steinbichler überzeugt, dass sich auch die österreichische Landwirtschaft
an der Energieerzeugung beteiligen soll, wobei aber die Prioritätenreihung "Teller, Trog, Tank"
gelte. Mit Abgeordnetem Harald Jannach (F) zeigte sich der Minister einer Meinung, dass eine Aufbewahrungsfrist
von Belegen über 15 Jahre "überdimensioniert" sei. Bei den "Immergrün-Maßnahmen"
erwarte er keinerlei Änderungen. Gegen die Auswirkungen der Sanktionspolitik auf die BäuerInnen plädiere
er neben einer EU-Exportoffensive für eine Aufstockung der Absatzförderung. Direktzahlungen an die Bauern
seien in einem Optionenpapier der EU als ultima ratio vorgesehen, erfuhren die ParlamentarierInnen. Die Auswirkungen
auf die Milchwirtschaft seien noch nicht dramatisch, vordringlich seien Maßnahmen auf dem Schweinesektor,
und zwar auch Exporterstattungen. Vor Geschäftemacherei auf dem Schweinemarkt warnten an dieser Stelle die
Abgeordneten Harald Jannach (F) und Jakob Auer (V).
Von Abgeordnetem Steinbichler auf die Freihandelsverträge TTIP und CETA angesprochen, meinte Rupprechter,
angesichts der bestehenden Differenzen gehe er nicht davon aus, dass der mit den USA verhandelte TTIP-Vertrag rasch
zustande kommen werde. Er habe an der dritten Verhandlungsrunde in Washington teilgenommen und dort nochmals deutlich
gemacht, dass Umwelt- und Produktstandards sowie das Vorsorgeprinzip "rote Linien" seien. Positiver beurteile
er CETA, sagte Rupprechter, dort sei etwa das Vorsorgeprinzip berücksichtigt. Allerdings ist die Rindfleischquote
aus seiner Sicht "etwas zu großzügig geraten". Auch in Bezug auf die nachträglich aufgenommenen
Investorenschutzregelungen sieht er noch Verhandlungsbedarf.
Grüne: Mehr ländliche Entwicklung, mehr Klimaschutz, weniger Pestizide
Die Vorstellungen der Grünen zur Umsetzung des neuen GAP-Programms für die ländliche Entwicklung
2014-2020 in Österreich hat Abgeordneter Pirklhuber in einem Entschließungsantrag (148/A(E)) zusammengefasst,
den er im Lichte der Rückmeldungen der EU-Kommission zum österreichischen Programmentwurf und des aktuellen
Diskussionsprozesses nochmals gründlich überarbeitet hat. Der heute von ihm vorgelegte gesamtändernde
Abänderungsantrag umfasst insgesamt 15 Punkte, die von der Dotierung des Programms über verschiedene
Begrünungsvarianten bis hin zu einem größeren Baumabstand im Obstbau im Sinne des Biodiversitätsschutzes
reichen.
Zu den Forderungen der Grünen gehören etwa die Umschichtung von Investitionsförderungen zu Klima-
und Umweltschutzmaßnahmen im Ausmaß von 200 Mio. € für die Periode 2014 bis 2020. Außerdem
sollen Investitionsförderungen nach Vorstellung von Pirklhuber nur an Betriebe vergeben werden, die auch am
ÖPUL teilnehmen. Die geförderten Investitionen dürften zudem nicht zu einer Beeinträchtigung
der Umwelt oder zur Zerstörung der Biodiversität beitragen, ökologische und tierschutz-relevante
Investitionen sollten bevorzugt gefördert werden. Wichtig ist Pirklhuber auch, dass die "komplizierte"
Maßnahme "Umweltgerechte und Biodiversitätsfördernde Bewirtschaftung" (UBB) nicht als
Voraussetzung für andere Fördermodule gilt, sondern ausschließlich als Top-Up konzipiert wird.
Die Flächenziele für den Biolandbau will er auf 750.000 Hektar erhöhen. - Der Antrag wurde nach
kurzer Debatte vom Ausschuss mit den Stimmen der Koalitionsparteien vertagt.
FPÖ: Nebenerwerbsbauern ohne Arbeitslosengeld in der Armutsfalle
Bald positiv erledigt werden könnte ein Anliegen der FPÖ, was den Bezug von Arbeitslosengeld von Nebenerwerbsbauern
und -bäuerinnen betrifft. Die geltende gesetzliche Regelung hat sich nach Meinung von Abgeordnetem Harald
Jannach als Armutsfalle für LandwirtInnen erwiesen, die auf ihr Einkommen aus unselbstständiger Tätigkeit
angewiesen sind. Diese Menschen würden gezwungen, ihre Nebenerwerbslandwirtschaft aufzugeben, um das Arbeitslosengeld
nicht zu verlieren. In einem Entschließungsantrag (611/A(E)) fordert er daher, die auf dem Einheitswert basierende
Bezugsgröße im Arbeitslosenversicherungsgesetz anzuheben, um NebenerwerbslandwirtInnen mit geringem
Einkommen aus der Landwirtschaft den Arbeitslosenbezug zu erhalten. Ein gleichlautender FPÖ-Antrag (650/A(E))
liegt auch dem Ausschuss für Arbeit und Soziales vor.
Wie Ausschussvorsitzender Jakob Auer (V) und Abgeordneter Erwin Preiner (S) erklärten, ist eine Regierungsvorlage
in Vorbereitung, um das von der FPÖ angeschnittene Problem zu lösen. Laut Preiner ist geplant, eine entsprechende
Gesetzesänderung in die angekündigte Verschärfung des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes zu integrieren
und rückwirkend in Kraft treten zu lassen. Man wolle zur alten Vorgangsweise zurückkehren, ergänzte
ÖVP-Abgeordneter Nikolaus Prinz, und wies auf entsprechende Vorstöße des Bauernbundes hin. Landwirtschaftsminister
Rupprechter betonte, er sei bereits an Sozialminister Hundstorfer herangetreten und sofort auf offene Ohren gestoßen.
Für ihn ist der vorliegende - und schließlich vertagte -Antrag in diesem Sinn hinfällig.
Zustimmend zum Antrag äußerte sich auch Grün-Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber.
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