EU-Hauptausschuss diskutiert über Klima- und Wirtschaftspolitik
Wien (pk) - Die EU will mit ihren Klima- und Energiezielen für 2030 den CO2 Ausstoß um 40% reduzieren,
wobei die Basis dafür die Werte von 1990 sind. Gleichzeitig soll der Anteil der erneuerbaren Energien auf
27% und die Energieeffizienz um 30% gesteigert werden. Diese Zielsetzungen sind den einen zu wenig ambitioniert,
andere wiederum fürchten für den europäischen Wirtschaftsstandort, sollte der Industrie zu viel
Belastung aufgebürdet werden. In diesem Spannungsfeld bewegte sich am 21.10.auch die Diskussion im EU- Hauptausschuss
des Nationalrats. Bundeskanzler Werner Faymann unterstrich, dass er sich für die Verbindlichkeit der Klimaziele
einsetzen werde, gleichzeitig machte er klar, dass aus seiner Sicht berücksichtigt werden müsse, wenn
ein Land wie Österreich bereits jetzt weitgehend mit sauberer Energie arbeitet und hohe Standards vorweisen
kann. Seine Haltung fand bei einem Großteil der Abgeordneten Unterstützung, lediglich die Grünen
sprachen von ambitionslosen Zielmarken und sogar für eine Gefahr für den Klimaschutz, sollte man bei
diesen Marken bleiben. Vor allem brauche die EU vor der UNO-Klimakonferenz in Paris 2015 wirksame und mutige Ziele,
meinen die Grünen. Mit ihrem diesbezüglichen Antrag auf Stellungnahme konnten sie die anderen Fraktionen
jedoch nicht mit ins Boot holen.
Faymann: Aufhebung der Russland-Sanktionen, wenn es wirklichen Waffenstillstand gibt
Weit weniger gingen die Abgeordneten auf die beim bevorstehenden EU-Gipfel zu diskutierende Frage ein, wie das
vom designierten Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker angekündigte Investitionspaket in der Höhe
von 300 Mrd. € zur Ankurbelung der schwächelnden europäischen Wirtschaft umgesetzt werden kann. Strittig
ist dabei vor allem, wie flexibel die Bestimmungen zum ESM interpretiert werden können.
Die FPÖ nützte die Debatte, die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Russland-Sanktionen zu thematisieren
und forderte in einem Antrag auf Stellungnahme den Bundeskanzler auf, sich für eine sofortige Aufhebung der
Sanktionen einzusetzen. Faymann bekräftigte darauf, man dürfe die Sanktionen nicht überschätzen.
Dennoch hätten sie einen Beitrag dazu geleistet, dass es jetzt einen Friedensplan gibt, russische Soldaten
zurückgezogen wurden und eine Vereinbarung zu einem Waffenstillstand, auch wenn dieser löchrig ist, vorliegt.
Er werde dann für die Aufhebung der Sanktionen eintreten, wenn es eine Waffenruhe gibt, die ihren Namen verdient
und die Forderung der EU, die Souveränität eines Landes zu respektieren, erfüllt ist. Jedenfalls
wende er sich gegen erweiterte Sanktionen und ziehe Gespräche vor. Er sei auch gegen einseitige Schuldzuweisungen,
sagte der Kanzler.
In dieser Haltung wurde er von Abgeordnetem Josef Cap (S) unterstützt, der eindringlich vor einer Rhetorik
des Kalten Kriegs und dem Aufrüsten mit Atomraketen in Ost und West warnte. Wolfgang Gerstl (V) teilte ebenfalls
die Auffassung des Bundeskanzlers und betonte, dass die Neutralität in keiner Weise im Gegensatz zu wirtschaftlichen
Sanktionen stehe. Neutralität heiße auch, dass man Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern einfordert.
Der Antrag der FPÖ wurde lediglich vom Team Stronach unterstützt und blieb somit in der Minderheit.
Kür der EU-Kommission – Schritt zu mehr Demokratie in der EU
Die Grünen brachten zudem die Bestellung der neuen EU-Kommission zur Sprache und riefen den Kanzler in einem
weiteren Antrag auf Stellungnahme auf, dieser im Rat nicht zuzustimmen. Vor allem stießen sie sich an dem
spanischen Kandidaten Miguel Arias Cannete, der für Energiepolitik zuständig sein soll und in seiner
Ministerzeit unter anderem für die Atomkraft und Fracking eingetreten ist, wie Tanja Windbüchler-Souschill
(G) argumentierte. Der Kanzler reagierte auf den Antrag "mit Verwunderung", zumal das Europäische
Parlament aufgewertet wurde und es daher dem Rat nicht gut anstünde, die Entscheidung des Parlaments nicht
zu respektieren. Die Abgeordneten Andreas Schieder und Josef Cap (beide S) unterstrichen ihrerseits, dass im Zuge
des Hearings im Europäischen Parlament eine sehr sachliche Diskussion geführt worden sei. Der Prozess,
wie die Kandidatinnen und Kandidaten für die künftige EU-Kommission gekürt werden, stelle einen
wesentlichen Schritt zu mehr Demokratie in Europa dar, gaben sie zu bedenken.
Von Abgeordnetem Andreas Karlsböck (F) wurde zudem das Thema Ebola in die Diskussion eingebracht. Er kritisierte
das diesbezügliche Management innerhalb der EU als unkoordiniert und Ausdruck der Hilflosigkeit. Kurz- und
mittelfristig hilft seiner Meinung nach nur, in den betreffenden Gebieten eine medizinische Infrastruktur aufzubauen.
Karlsböck befürchtet, dass auch Österreich nicht wirklich vorbereitet ist, und vermisste vor allem
spezielle Isolierstationen. Der Bundeskanzler informierte, dass die EU darüber diskutiere, wie man die medizinische
Hilfe und Versorgung in den afrikanischen Ländern verbessern könne, und berichtete, dass die EU-GesundheitsministerInnen
eine gemeinsame Linie zur besseren Koordination erarbeiten.
Klima- und Energiepolitik: Suche nach der richtigen Balance
Vorherrschendes Thema im Ausschuss war die Klimapolitik der EU und Österreichs. Dezidiert sprach sich Bundeskanzler
Werner Faymann für eine ambitionierte Klimapolitik der EU mit verbindlichen Zielsetzungen aus. Ob bei diesem
Gipfel schon Beschlüsse gefällt werden, könne er nicht sagen, jedenfalls wolle man zukunftsfähige
und unabhängige Energielösungen erreichen. Nur mit einer klaren Haltung werde die Europäische Union
in Diskussion mit anderen Ländern treten können, sagte er. Angesichts der Tatsache, dass einige Länder,
darunter auch Österreich, bereits jetzt hohe Umweltstandards einhalten und mit sauberer Energie arbeiten,
müsse dies auch in der Berechnung Berücksichtigung finden, damit es nicht zu einer Auslagerung der Produktion
ins Ausland kommt. Das BIP pro Kopf alleine heranzuziehen, genüge keineswegs. Dieses durchaus reale Phänomen
des Carbon Leakage dürfe nicht außer Acht gelassen werden, bemerkte der Kanzler. Für ihn wird es
bei der Umsetzung der Klimaziele aber auch notwendig sein, die Wegekostenrichtlinie zu überarbeiten. Hier
habe die EU durchaus Nachholbedarf, ergänzte er mit Nachdruck. Faymann räumte zudem ein, dass auch Maßnahmen
in Österreich selbst erforderlich sein werden. Das betreffe die Energieeffizienz und die erneuerbare Energie,
etwa den Ausbau der Wasserkraft.
Dem konnten sich die Grünen in keiner Weise anschließen. Während der Bundeskanzler im Hinblick
auf die Klimaziele von einen gemeinsamen Prozentsatz für die EU ausgeht, verlangen sie verbindliche Einzelziele
für die Mitgliedstaaten. Sie treten ferner dafür ein, bis 2030 ein Energiesparziel von 40%, ausgehend
vom Jahr 2010, festzulegen. Geht es nach den Grünen, sollten die erneuerbaren Energien bis 2030 einen Anteil
von 45% des Energieendverbrauchs aufweisen, für die CO2-Reduktion sehen die Grünen eine Marke von 55%
vor. Christiane Brunner (G) begründete den Vorstoß mit einem dringenden Handlungsbedarf. Dies erkenne
man an den Naturkatastrophen, die in vermehrter Anzahl auftreten. Deshalb sehe sie die Frage des Carbon Leakage
nicht als erste Priorität an, vielmehr habe die Sicherung unserer Lebensgrundlagen absoluten Vorrang. In diesem
Zusammenhang hält Brunner eine Lastenverteilung zugunsten ärmerer Länder für unumgänglich.
Dem Bundeskanzler warf sie vor, Österreich sei weit entfernt davon, in Sachen Klimaschutz eine Vorreiterrolle
zu spielen. Auch das Auftreten in Brüssel zu diesen Fragen sei nicht klar genug in Richtung bindender Ziele
und eines größeren Anteils an erneuerbaren Energien. Solle man den Prozentsatz der erneuerbaren Energien
nicht auf mindestens 30% erhöhen, bedeute das 20 Atomkraftwerke mehr, warnte Brunner. Grundsätzlich beklagte
Brunner wie ihr Klubkollege Werner Kogler, die Bundesregierung informiere die Abgeordneten nicht ausreichend über
deren Position in Brüssel. Auch dem Parlament würden nicht die erforderlichen Dokumente zur Verfügung
gestellt, manche seien sogar von der Bundesregierung als vertraulich eingestuft.
Im Gegensatz dazu konstatierten Hannes Weninger (S) und Christine Muttonen (S), Österreich habe ambitionierte
Klimaziele festgelegt und befinde sich bei deren Umsetzung auf gutem Weg. Es gehe darum, dass man weltweit zu einer
Reduktion von CO2-Emmissionen kommt, sagte Weninger, gleichzeitig müsse man auch wirtschaftliche Vernunft
walten lassen. Von einem niedrigeren Niveau könne man leichter Erfolge erzielen, ergänzte er. Muttonen
kritisierte ihrerseits scharf die Zustimmung der EU-Kommission zu den Milliarden-Subventionen für ein englisches
Atomkraftwerk und begrüßte die Absicht der österreichischen Regierung, dies beim EuGH anzufechten.
Man brauche eine Balance zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit, warf Reinhold Lopatka (V) ein und
wies in diesem Zusammenhang auf die hohe Arbeitslosigkeit in Europa hin. Anzustreben sei ein fairer Lastenausgleich.
Ins gleiche Horn stieß Brigitte Jank (V), die in dieser Frage auf die Einigkeit der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter
hinwies. Ihr zufolge sind alle Anstrengungen zu unternehmen, um das hohe Know-How Österreichs im Hinblick
auf Innovationen in andere Länder zu transferieren. Auch Hermann Schultes (V) hielt den Vorschlag des Rats
zu den Klimazielen für ausgewogen und unterstrich die Notwendigkeit, erneuerbare Energieträger auszubauen
und die Energieeffizienz zu verbessern, gleichzeitig aber den Mitgliedstaaten die Freiheit zu lassen, welchen Energiemix
sie verwenden. Alle drei ÖVP-Abgeordneten bekräftigten, es müsse Ziel der EU sein, die Kernenergie
zurückzudrängen.
Für eine Balance zwischen Umweltschutz und Wettbewerbsfähigkeit sprachen sich auch die Abgeordneten Rouven
Ertlschweiger (T) und Reiner Hable (N) aus. Man müsse die hohe Arbeitslosigkeit berücksichtigen und dürfe
den Wirtschaftsstandort Österreichs nicht gefährden, warnte Ertlschweiger, der zudem meinte, Österreich
sei bei den erneuerbaren Energien gar nicht so schlecht unterwegs. Österreich habe seinen Industriestandort
sichern können, daran hingen viele kleine und mittlere Betriebe, weshalb man dieses wichtige Rückgrat
der österreichischen Wirtschaft nicht gefährden dürfe, merkte Hable an.
Johannes Hübner (F) zweifelte grundsätzlich höhere Energie- und Klimaziele an und führte aus
seiner Sicht ins Treffen, dass die wissenschaftlichen Grundlagen für eine Verschärfung fehlten. Außerdem
seien viele Bereiche der erneuerbaren Energie, wie zum Beispiel Agrotreibstoffe, äußerst zweifelhaft.
Wie treibt man 300 Mrd. € für die europäische Wirtschaft auf?
Laut Faymann geht es in der wirtschaftspolitischen Diskussion beim kommenden Gipfel um die Frage, wie ernsthaft
das 300 Milliarden-Paket Jean-Claude Junckers zur Ankurbelung der Wirtschaft umgesetzt werden kann. Vor allem sei
zu klären, welche Schwerpunkte man im Budget setzt und ob man bei einer strengen Auslegung des Stabilitätspakts
ausschließlich spart, oder man die Zeit dafür gekommen sieht, zu investieren und im Rahmen des Stabilitätspakts
Spielräume auslotet. Österreich trete dafür ein, die Spielräume zu nutzen, unterstrich Bundeskanzler
Faymann, und stärker darauf zu achten, inwieweit der Einsatz der Mittel auch dort ankommt, wo es notwendig
ist.
Seitens der Abgeordneten Johannes Hübner (F) und Rainer Hable (N) wurde vor allem die aktuelle Politik der
EZB heftig kritisiert. Man sei drauf und dran, aus der EZB eine "bad bank" zu machen, fürchtete
Hübner und zeichnete ein düsteres Szenario für die Eurozone. Ähnlich sieht dies Hable, der
den Plan der EZB, auch noch Anleihen aus Frankreich anzukaufen, als Beweis dafür wertete, dass die Krise nun
im Herzen Europas angekommen ist. Hable warf Frankreich vor, sich den Regeln der EU nicht unterordnen, keine Reformen
umsetzen und die Krise einfach aussitzen zu wollen. Wolfgang Gerstl (V) warnte in Reaktion auf Hübner davor,
aus dem Euro auszusteigen. Auch als Österreich noch den Schilling hatte, sei dieser an die D-Mark gekoppelt
gewesen, sagte er und sprach sich vehement für eine einheitliche Geldmarktpolitik aus, vor allem mit Ländern,
die zu den wichtigsten Exportmärkten Österreichs gehören.
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