Klinischer Einsatz ohne Infektionsrisiko als Zukunftsvision
Graz (meduni) - Als "flüssiges Organ" ist das Blut ein essentieller Bestandteil des menschlichen
Körpers. Verursacht durch schwere Erkrankungen, Operationen oder einen Unfall kann jederzeit der Bedarf nach
Blutkonserven schlagend werden. Da Blutkonserven nur 35 bis 42 Tage lang gelagert werden können, müssen
neue Wege beschritten werden, um den klinischen Bedarf zu decken. Unter Beteiligung der Med Uni Graz konnte ein
Team von WissenschafterInnen nun erstmals rote Blutkörperchen (Erythrozyten) aus Stammzellen des Nabelschnurbluts
mit Hilfe der sogenannten iPS-Technologie im Labor generieren.
Stammzellen: Rote Blutkörperchen aus Nabelschnurblut
Österreich hat bundesweit einen Jahresbedarf an Blutkonserven vom mehr als 400.000 Stück. Neben dem
großen Verbrauch ist vor allem die Tatsache, dass Blutkonserven nur 35 bis 42 Tage lang gelagert werden können,
eine große Herausforderung für die Sicherstellung einer rationalen Hämotherapie. "Besonderes
Interesse herrscht an den roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Körper verantwortlich
sind", berichtet Univ.-Prof. Dr. Peter Schlenke, Univ.-Klinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin
der Med Uni Graz. Gemeinsam mit WissenschafterInnen vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin gelang
es nun erstmals mit Hilfe der innovativen iPS-Technologie rote Blutkörperchen aus Stammzellen des Nabelschnurblutes
im Labor zu generieren.
Multipotente hämatopoetische Stammzellen aus dem Knochenmark sichern den Nachschub der roten Blutkörperchen
im menschlichen Körper. "Seit einiger Zeit ist es bereits möglich, aus diesen Stammzellen rote Blutkörperchen
im Labor in vitro zu generieren", klärt Peter Schlenke auf. Allerdings ist die Herstellung von roten
Blutkörperchen in klinisch relevanten Mengen aus dieser Quelle bis heute nicht möglich, weil mit zunehmender
Differenzierung der Stammzellen deren Proliferationskapazität erlischt. Ein Team von WissenschafterInnen rund
um Peter Schlenke und den KooperationspartnerInnen, Isabel Dorn und Holm Zaehres vom Max-Planck-Institut für
Molekulare Biomedizin in Münster, hat aktuell einen neuen Weg zur potentiellen Herstellung roter Blutkörperchen
entschlüsselt.
Rote Blutkörperchen aus dem Labor
Dazu reprogrammierten die ForscherInnen zunächst hämatopoetische Stammzellen aus dem Nabelschnurblut
in induzierte pluripotente Stammzellen, sogenannte iPS-Zellen, da sich diese Zellen in vitro nahezu unbegrenzt
vermehren lassen. Pluripotente Stammzellen haben die essentielle Eigenschaft, dass sie sich zu jedem Zelltyp des
Organismus entwickeln können. Aus diesen Nabelschnurblut-abgeleiteten iPS-Zellen haben die WissenschafterInnen
erstmalig rote Blutkörperchen differenziert. "Diese in vitro erzeugten Zellen sind von nativen, aus dem
Blut isolierten roten Blutkörperchen, morphologisch kaum zu unterscheiden und weisen wesentliche Charakteristika
von Erythrozyten auf. Die WissenschafterInnen sind sich einig, dass die iPS-Technologie derzeit noch einen limitierenden
Faktor darstellt und optimiert werden muss . Sobald die Expansion im großen Maßstab gelingt, wird prinzipiell
eine biotechnologische Produktion von roten Blutkörperchen für den klinischen Einsatz in den Bereich
des Möglichen rücken. "Bis dahin liegt allerdings noch einer weiter Weg vor uns" führt
Peter Schlenke aus und denkt in erster Linie an die notwendige Miniaturisierung des Zellkultursystems, die Verbesserung
der Lagerungsfähigkeit dieser Zellen und erhebliche regulatorische Erfordernisse gemäß den Guidelines
zur Guten Herstellungspraxis.
Klinischer Einsatz: Infektionsrisiken völlig ausgeschlossen
Trotzdem sind sich die WissenschafterInnen einig, dass ihre Ergebnisse einen wichtigen Meilenstein darstellen.
"Wir haben langfristig die Vision, insbesondere hochimmunisierte PatientInnen mit seltenen Blutgruppen mit
universal verwendbaren, im Labor gezüchteten Erythrozyten therapeutisch zu helfen und zwar frei von jeglichen
Infektionsrisiken sowie mit möglichst langer Verweildauer der in vitro gezüchteten Erythrozyten in der
Blutzirkulation", blickt Peter Schlenke optimistisch in die Zukunft.
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