Stammzellforschung: Rote Blutkörperchen
 wachsen im Labor

 

erstellt am
22. 10. 14
10.00 MEZ

Klinischer Einsatz ohne Infektionsrisiko als Zukunftsvision
Graz (meduni) - Als "flüssiges Organ" ist das Blut ein essentieller Bestandteil des menschlichen Körpers. Verursacht durch schwere Erkrankungen, Operationen oder einen Unfall kann jederzeit der Bedarf nach Blutkonserven schlagend werden. Da Blutkonserven nur 35 bis 42 Tage lang gelagert werden können, müssen neue Wege beschritten werden, um den klinischen Bedarf zu decken. Unter Beteiligung der Med Uni Graz konnte ein Team von WissenschafterInnen nun erstmals rote Blutkörperchen (Erythrozyten) aus Stammzellen des Nabelschnurbluts mit Hilfe der sogenannten iPS-Technologie im Labor generieren.

Stammzellen: Rote Blutkörperchen aus Nabelschnurblut
Österreich hat bundesweit einen Jahresbedarf an Blutkonserven vom mehr als 400.000 Stück. Neben dem großen Verbrauch ist vor allem die Tatsache, dass Blutkonserven nur 35 bis 42 Tage lang gelagert werden können, eine große Herausforderung für die Sicherstellung einer rationalen Hämotherapie. "Besonderes Interesse herrscht an den roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Körper verantwortlich sind", berichtet Univ.-Prof. Dr. Peter Schlenke, Univ.-Klinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin der Med Uni Graz. Gemeinsam mit WissenschafterInnen vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin gelang es nun erstmals mit Hilfe der innovativen iPS-Technologie rote Blutkörperchen aus Stammzellen des Nabelschnurblutes im Labor zu generieren.

Multipotente hämatopoetische Stammzellen aus dem Knochenmark sichern den Nachschub der roten Blutkörperchen im menschlichen Körper. "Seit einiger Zeit ist es bereits möglich, aus diesen Stammzellen rote Blutkörperchen im Labor in vitro zu generieren", klärt Peter Schlenke auf. Allerdings ist die Herstellung von roten Blutkörperchen in klinisch relevanten Mengen aus dieser Quelle bis heute nicht möglich, weil mit zunehmender Differenzierung der Stammzellen deren Proliferationskapazität erlischt. Ein Team von WissenschafterInnen rund um Peter Schlenke und den KooperationspartnerInnen, Isabel Dorn und Holm Zaehres vom Max-Planck-Institut für Molekulare Biomedizin in Münster, hat aktuell einen neuen Weg zur potentiellen Herstellung roter Blutkörperchen entschlüsselt.

Rote Blutkörperchen aus dem Labor
Dazu reprogrammierten die ForscherInnen zunächst hämatopoetische Stammzellen aus dem Nabelschnurblut in induzierte pluripotente Stammzellen, sogenannte iPS-Zellen, da sich diese Zellen in vitro nahezu unbegrenzt vermehren lassen. Pluripotente Stammzellen haben die essentielle Eigenschaft, dass sie sich zu jedem Zelltyp des Organismus entwickeln können. Aus diesen Nabelschnurblut-abgeleiteten iPS-Zellen haben die WissenschafterInnen erstmalig rote Blutkörperchen differenziert. "Diese in vitro erzeugten Zellen sind von nativen, aus dem Blut isolierten roten Blutkörperchen, morphologisch kaum zu unterscheiden und weisen wesentliche Charakteristika von Erythrozyten auf. Die WissenschafterInnen sind sich einig, dass die iPS-Technologie derzeit noch einen limitierenden Faktor darstellt und optimiert werden muss . Sobald die Expansion im großen Maßstab gelingt, wird prinzipiell eine biotechnologische Produktion von roten Blutkörperchen für den klinischen Einsatz in den Bereich des Möglichen rücken. "Bis dahin liegt allerdings noch einer weiter Weg vor uns" führt Peter Schlenke aus und denkt in erster Linie an die notwendige Miniaturisierung des Zellkultursystems, die Verbesserung der Lagerungsfähigkeit dieser Zellen und erhebliche regulatorische Erfordernisse gemäß den Guidelines zur Guten Herstellungspraxis.

Klinischer Einsatz: Infektionsrisiken völlig ausgeschlossen
Trotzdem sind sich die WissenschafterInnen einig, dass ihre Ergebnisse einen wichtigen Meilenstein darstellen. "Wir haben langfristig die Vision, insbesondere hochimmunisierte PatientInnen mit seltenen Blutgruppen mit universal verwendbaren, im Labor gezüchteten Erythrozyten therapeutisch zu helfen und zwar frei von jeglichen Infektionsrisiken sowie mit möglichst langer Verweildauer der in vitro gezüchteten Erythrozyten in der Blutzirkulation", blickt Peter Schlenke optimistisch in die Zukunft.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at