U-Ausschüsse werden ab 2015 parlamentarisches Minderheitsrecht
Wien (pk) - Die Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, auf die sich fünf Parlamentsparteien
bereits vor dem Sommer geeinigt haben, nimmt nun konkrete Gesetzesform an. SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne
und NEOS haben nach intensiven Verhandlungen über komplexe Detailfragen einen Antrag vorgelegt, der die Reformziele
in einen legistischen Text gießt. Der Gesetzesantrag soll am 22.10. in der Plenarsitzung eingebracht werden,
sodass er noch am 23.10. im Rahmen der gesetzlich vorgesehene Ersten Lesung diskutiert und dem Geschäftsordnungsausschuss
zur Beratung zugewiesen werden kann. Somit steht einer rechtzeitigen Beschlussfassung vor Weihnachten nichts mehr
im Wege. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wird ab 2015 ein parlamentarisches Minderheitsrecht sein.
46 Abgeordnete können die Einsetzung eines U-Ausschusses erzwingen
Künftig kann ein Untersuchungsausschuss auch aufgrund eines Verlangens von einem Viertel - das heißt
von 46 – der Abgeordneten eingesetzt werden. Bisher war dafür eine Mehrheit notwendig. Ein Abgeordneter, der
ein solches Minderheitsverlangen auf Einsetzung eines U-Ausschusses unterstützt hat, darf allerdings bis zur
Beendigung der Tätigkeit dieses U-Ausschusses kein weiteres Einsetzungsverlangen unterstützen. Daneben
können U-Ausschüsse weiterhin jederzeit mit Mehrheitsbeschluss eingesetzt werden.
Den Vorsitz wird die Präsidentin des Nationalrats führen. Sie kann sich jedoch durch die beiden anderen
Präsidenten in der Vorsitzführung vertreten lassen und ihnen auch sonst einzelne Aufgaben übertragen.
Im Einzelfall können auch von der Präsidentin und den Präsidenten nominierte StellvertreterInnen
die Vorsitzführung übernehmen, diese dürfen jedoch nicht Mitglied des Ausschusses sein. Die Nationalratspräsidentin
vertritt den Ausschuss nach außen und informiert die Öffentlichkeit.
Die Zusammensetzung des U-Ausschusses legt der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats fest, er bestellt
VerfahrensrichterIn, Verfahrensanwalt bzw. –anwältin und fasst den grundsätzlichen Beweisbeschluss. Ihm
fällt auch die Aufgabe zu, Anträge und Verlangen auf Einsetzung eines U-Ausschusses im Vorfeld zu beraten.
U-Ausschüsse sollen nicht länger als 14 Monate dauern
Die Beweisaufnahme im U-Ausschuss soll nicht länger als 12 Monate dauern, der Abschlussbericht ist spätestens
14 Monate nach Einsetzung im Plenum des Nationalrats zu behandeln. Der Nationalrat kann aber nach einem Verlangen
eines Viertels der Abgeordneten den U-Ausschuss um drei Monate verlängern, eine weitere Verlängerung
um drei Monate ist nur durch einen Mehrheitsbeschluss möglich.
Um zu verhindern, dass Verhandlungen in U-Ausschüssen in den Wahlkampf hineingezogen werden, wurde vereinbart,
dass die Berichterstattung eines U-Ausschusses im Plenum bis spätestens zum Tag vor dem Stichtag zur nächstfolgenden
Nationalratswahl zu erfolgen hat. Sollte die Gesetzgebungsperiode vorzeitig mit Gesetzesbeschluss beendet werden,
hat der Untersuchungsausschuss die Beweisaufnahme mit Kundmachung des entsprechenden Bundesgesetzes zu beenden
und die Berichterstattung im Plenum spätestens vier Wochen nach dem Auflösungsbeschluss des Nationalrats
zu erfolgen.
Die U-Ausschüsse sollen permanent tagen, in der Regel sind mindestens vier Sitzungen pro Monat vorgesehen.
Neu definiert wird auch der Untersuchungsgegenstand. Dabei muss es sich laut Gesetzestext um einen bestimmten
abgeschlossenen Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes handeln. Auch die Pflicht zur Vorlage von Akten und
Unterlagen durch die Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der
sonstigen Selbstverwaltungskörper wird klar verankert. Diese können auch um Beweiserhebungen im Zusammenhang
mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden.
Verfahrensrichter erhält wichtige Beratungsfunktion
Zudem wird für den U-Ausschuss ein/e VerfahrensrichterIn bestellt. Ihre/seine Funktion ist es, die Vorsitzenden
in allen Verfahrensfragen zu beraten und diese im Konsultationsverfahren mit dem Justizministerium zu unterstützen.
Darüber hinaus übernimmt sie/er die Belehrung der Auskunftspersonen und Sachverständigen, führt
die Erstbefragung durch und ist für die Erstellung eines Erstentwurfs des Ausschussberichts zuständig.
Der U-Ausschuss kann zudem eine/n Ermittlungsbeauftragte/n bestellen, die/der mit der Durchführung bestimmter
Aufträge zur Vorbereitung der Beweisaufnahme betraut wird.
Neue Aufgaben für den Verfassungsgerichtshof
Es ist ferner dafür gesorgt, dass nicht nur die Einsetzung eines U-Ausschusses als Minderheitsrecht ausgestaltet
ist, sondern der Minderheit auch im Verfahren Rechte bei der Ladung von Auskunftspersonen sowie bei der Anforderung
von Beweismitteln gesichert werden. Auskunftspersonen können auch - maximal zwei Mal - auf Verlangen eines
Viertels der Ausschussmitglieder geladen werden.
Ähnliches gilt für ergänzende Beweisanforderungen, die ebenfalls ein Viertel der Ausschussmitglieder
verlangen kann. Sollte die Mehrheit die Auffassung vertreten, dass kein sachlicher Zusammenhang zwischen den angeforderten
Beweismitteln und dem Untersuchungsgegenstand besteht, so kann der Verfassungsgerichtshof in diesem Fall wie auch
bei Unstimmigkeiten in Bezug auf die Ladung von Auskunftspersonen angerufen werden. Der Verfassungsgerichtshof
soll sich aber auch mit der Klassifizierung von Informationen sowie mit Meinungsverschiedenheiten auseinandersetzen,
die zwischen einem U-Ausschuss, einem Viertel seiner Mitglieder und einem Ministerium bzw. einer Behörde hinsichtlich
der Frage entstehen, ob Informationen zur Verfügung gestellt werden müssen. Auch wenn Unklarheiten zwischen
dem U-Ausschuss und dem Justizministerium bestehen, inwieweit auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden
Rücksicht zu nehmen bzw. wie eine diesbezügliche Vereinbarung auszulegen ist, soll das Höchstgericht
eingeschaltet werden können.
Die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofs bezieht sich aber nicht nur auf Vorgänge während des U-Ausschussverfahrens.
Er soll bereits im Vorfeld einbezogen werden können, wenn etwa die teilweise oder gänzliche Unzulässigkeit
eines von einem Viertel der Abgeordneten eingebrachten Einsetzungsverlangens vom Geschäftsordnungsausschuss
festgestellt wird. Eine Anrufung des Höchstgerichts soll auch hinsichtlich des vom Geschäftsordnungsausschuss
getroffenen grundsätzlichen Beweisbeschlusses möglich sein.
Verfahrensanwalt wacht über Grund- und Persönlichkeitsrechte Volksanwaltschaft als Parlamentarische
Schiedsstelle
Um die Grund- und Persönlichkeitsrechte der Auskunftspersonen zu schützen und auf deren Verletzung unverzüglich
aufmerksam zu machen, wird in Zukunft ein Verfahrensanwalt bzw. eine Verfahrensanwältin im Ausschuss mit beratender
Stimme zur Verfügung stehen. Auskunftspersonen können sich an sie bzw. ihn vor und während der Sitzung
vertraulich wenden.
Aufgrund der Erfahrungen der letzten U-Ausschüsse wird zudem eine Bestimmung aufgenommen, wonach die Befragungen
von Auskunftspersonen in der Regel nicht länger als drei Stunden dauern sollen und nach längstens vier
Stunden vom Vorsitzenden für beendet zu erklären sind. Auskunftspersonen wird auch das Recht eingeräumt,
Stellungnahmen zu Berichten, Protokollen und anderen Veröffentlichungen abzugeben bzw. Einwände dagegen
zu erheben.
Geht es darum, ob Fragen an Auskunftspersonen zulässig sind, sind die VolksanwältInnen als Parlamentarische
Schiedsstelle aufgrund eines Verlangens eines Viertels der Mitglieder eines U-Ausschusses aufgerufen, über
die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Vorsitzenden über die Unzulässigkeit einer Frage zu
entscheiden.
Sollten Auskunftspersonen eine Ladung nicht befolgen oder eine Aussage ungerechtfertigter Weise verweigern, so
können durch das Bundesverwaltungsgericht Beugestrafen verhängt werden.
Neue Informationsregeln
Die Anhörungen von Auskunftspersonen und Sachverständigen sind wie bisher grundsätzlich medienöffentlich.
Durch ein besonderes Bundesgesetz für Nationalrat und Bundesrat und Sonderbestimmungen in der Verfahrensordnung
für parlamentarische U-Ausschüsse will man jedoch den Umgang mit klassifizierten und nicht-öffentlichen
Informationen regeln. Damit sollen Unklarheiten in Bezug auf Geheimhaltung im Vorhinein vermieden werden. Der Gesetzgeber
reagiert damit unter anderem auch auf die Diskussionen um geschwärzte Akten aus den Ministerien.
Gegenüber Abgeordneten, die die Regeln des Bundesgesetzes über die Informationsordnung fortgesetzt verletzen,
wird es dann die Möglichkeit geben, Ordnungsgelder festzusetzen. Die berufliche und außerberufliche
Immunität der Abgeordneten soll bei Verleumdung und Verletzung des Informationsordnungsgesetzes nicht mehr
gelten.
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Bures begrüßt breiten Konsens bei Reform
Nationalratspräsidentin Doris Bures begrüßt die breite Einigung von SPÖ, ÖVP, FPÖ,
Grünen und den NEOS auf die Neuregelung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, die sicherstellt,
dass die Reform am 1. Jänner 2015 in Kraft treten kann. Bures erwartet sich von der Reform, die die Einsetzung
von Untersuchungsausschüssen zum Recht einer parlamentarischen Minderheit macht und detaillierte Spielregeln
vorgibt, "dass Untersuchungsausschüsse künftig fair, sachlich und im vollen Einklang mit rechtsstaatlichen
Vorgaben, wie dem Persönlichkeitsschutz, abgehalten werden".
Für die Nationalratspräsidentin stellt diese Reform eine wichtige Weiterentwicklung und Modernisierung
der parlamentarischen Kontrolle dar. Ihr Dank gilt den fünf Parlamentsparteien, "die hart und konstruktiv
an der Ausarbeitung des Entwurfs gearbeitet haben" sowie der Parlamentsdirektion, "deren legistische
Expertise wesentlich für das Gelingen war".
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