Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft 2012 und 2013
Wien (pk) - Die praktischen Auswirkungen des Gleichbehandlungsgesetzes im Arbeitsleben bietet der alle zwei
Jahre erstellte Gleichbehandlungsbericht für die Privatwirtschaft. Der Bericht für die Jahre 2012 und
2013, den die Bundesministerin für Bildung und Frauen, der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
und die Staatssekretärin für Verwaltung und Öffentlichen Dienst gemeinsam vorgelegt haben, informiert
über die Tätigkeit und Wahrnehmungen der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBA) sowie über die Verfahren,
die vor der Gleichbehandlungskommission (GBK) und ihren drei Senaten geführt wurden.
Themenschwerpunkte der Anwaltschaft für Gleichbehandlung
Teil II des Gleichbehandlungsberichts für die Privatwirtschaft 2012 und 2013 gibt Einblicke in die Beratungstätigkeit
der Gleichbehandlungsanwaltschaft. Schwerpunkte der Beratungen sind Fälle von sexueller und geschlechtsbezogener
Belästigung, Diskriminierungen bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses und beim Entgelt, Benachteiligungen
bei Schwangerschaft und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Fragen des Rechtsschutzes und der Durchsetzung
von Ansprüchen.
Zum Stand der Umsetzung des Diskriminierungsschutzes und des Gleichbehandlungsrechts hält die Anwaltschaft
fest, dass die ständige Konfrontation mit neuen Rechtsproblemen immer wieder deutlich Schwachstellen der gesetzlichen
Regelungen aufzeige. Sie nennt dabei als die beiden Hauptgründe einerseits die je nach Diskriminierungsgrund
und Anwendungsbereich unterschiedlichen Schutzniveaus im Gleichbehandlungsgesetz selbst und andererseits die extreme
Zersplitterung der gleichbehandlungsrechtlichen Regelungen in Österreich. Der Bericht enthält deshalb
auch Vorschläge zur Weiterentwicklung des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) und des Bundesgesetzes über
die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft (GBK/GAW-Gesetz).
Sexuelle Belästigung: Täter-Opfer Umkehr häufig
Von sexueller oder geschlechtsbezogener Belästigung betroffene Personen holen sich früher als in vergangenen
Jahren Informationen und Unterstützung, berichtet die GBA. Oft komme es im innerbetrieblichen Umgang leider
zu einer Täter-Opfer-Umkehr, hält sie fest. Sie bietet daher in konkreten Fällen innerbetriebliche
Sensibilisierungsmaßnahmen an, die auch angenommen werden.
Allgemein sei zu beobachten, dass wieder häufiger die Verantwortung für Belästigungshandlungen an
die betroffenen Frauen zurückgespielt wird. Betroffenen drohen während der Beratung und Unterstützung
durch die GBA auch häufig Klagen auf Widerruf/Unterlassung oder sogar ein strafrechtliches Verfahren wegen
übler Nachrede.
Diskriminierungen bei Begründung eines Arbeitsverhältnisses
Bei vielen Beratungen geht es um Diskriminierungen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Kriterien
des sozialen Geschlechts und geschlechterstereotype Vorstellungen spielen in der Personalauswahl eine große
Rolle und treffen Männer wie Frauen. Viele Frauen berichten von Fragen nach Schwangerschaft, Familienplanung
und Kinderbetreuung im Vorstellungsgespräch. Oft werden fehlende Sanitäreinrichtungen oder Umkleideräume
herangezogen, um Ablehnung der Aufnahme in ein Arbeitsteam zu begründen.
Besonders auseinandergesetzt hat sich die GBA im Berichtszeitraum mit der Frage der Stellenbesetzung in der Sozialarbeit,
vor allem damit, inwieweit im sozialpädagogischen Bereich explizit Männer oder Frauen gesucht werden
dürfen, um in einem ausgewogenen Team männliche und weibliche Bezugspersonen zu haben. Aus Sicht der
Gleichbehandlungsanwaltschaft kann dies für die Umsetzung sozialpädagogischer Konzepte durchaus der Fall
sein.
Komplexe rechtliche Fragen bei Entgeltdiskriminierung
Beratungen wegen einer Diskriminierung bei der Festsetzung des Entgelts sind beim Zusammentragen der Indizien für
die Glaubhaftmachung der Diskriminierung mit einem besonders hohen Aufwand und schwierigen Recherchen verbunden.
Da Betroffene oft zu wenige Informationen haben, müssen diese dann auf Basis des Auskunftsrechts der GBA von
BetriebsrätInnen, ArbeitgeberInnen oder sonstigen Beschäftigten eingeholt werden.
Abgesehen von den konkreten Zahlen gehe es bei Fällen von Einkommensdiskriminierung häufig um Rechtsfragen,
die auch auf einer grundsätzlichen Ebene noch nicht geklärt sind, stellt die GBA fest. Das betrifft etwa
die Arbeitsbewertung oder die Frage, ob Sozialzulagen bei Teilzeitbeschäftigten aliquotiert werden können.
Auch in Kollektivverträgen finden sich Aliquotierungsbestimmungen für Sozialzulagen. Der Österreichische
Gewerkschaftsbund hat daher in Zusammenarbeit mit der GBA einen Feststellungsantrag an den OGH gestellt, der seinerseits
die Frage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens dem EuGH vorgelegt hat.
Die gleichwertige Bewertung unterschiedlicher Arbeitsplätze von Frauen und Männern war bisher noch kaum
Gegenstand gerichtlicher Verfahren. Ansprüche auf Angleichung und rückwirkende Nachzahlung, die bei einer
Entgeltdiskriminierung entstehen, können zudem sehr hoch sein, was das Klagsrisiko und die Chancen der Betroffenen
auf Rechtsschutzgewährung mindert, heißt es im Bericht der GBA.
Schwangerschaft und Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Sehr häufiges Thema von Beratungen in der GBA sind Diskriminierungen aufgrund des Familienstandes, also
wenn Arbeitnehmerinnen Kinder und Betreuungspflichten haben. So gibt es immer wieder Fälle der Beendigung
von Arbeitsverhältnissen oder der Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse wegen einer
Schwangerschaftsmeldung oder auch die Verschlechterung von Arbeitsbedingungen nach der Karenzrückkehr.
Rechtlich neue Fragen waren im Berichtszeitraum, inwiefern gänzliche und langandauernde Freistellungen nach
einer Karenzrückkehr eine Diskriminierung darstellen, weil sie zu einem Qualifikationsverlust führen
und Betroffenen die Chance genommen wird, im Unternehmen wieder Fuß zu fassen. Eine Frage ist auch, ob Männer,
die aufgrund der (Haus-)Geburt ihrer Frau Pflegeurlaub in Anspruch nehmen und deswegen gekündigt werden, den
Schutz des Gleichbehandlungsgesetzes in Anspruch nehmen können.
Gleichbehandlungsanwaltschaft unterstützt Vergleichsverhandlungen
Bei Verfahren vor dem Senat I der Gleichbehandlungskommission müsse derzeit mit einer Wartezeit von bis zu
zwei Jahren gerechnet werden, zudem sei die gerichtliche Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen mit Prozessrisiken
verbunden. Die GBA weise daher in ihren Interventionsschreiben stets auf die Möglichkeit einer außergerichtlichen
Einigung hin und unterstütze die Verhandlung eines solchen Vergleichs, hält sie in ihrem Bericht fest.
Sehr umfangreiche Vergleiche, beispielsweise betreffend Entgeltdiskriminierung, weisen aber steuer- und sozialversicherungsrechtliche
Aspekte auf, die den Beratungsumfang der GBA übersteigen.
Hilfe bei Rechtsdurchsetzung und Geltendmachung von Ansprüchen
Die GBA unterstützt Betroffene bei den Verhandlungen mit Interessenvertretungen um Rechtsschutz für die
gerichtliche Durchsetzung ihrer gleichbehandlungsrechtlichen Ansprüche. Auffallend sei, dass die Rechtsschutzentscheidungen
der Interessenvertretungen restriktiver werden und häufiger nur eingeschränkter Rechtsschutz gewährt
wird, hält die Anwaltschaft in diesem Zusammenhang fest. Sie sehe daher immer stärker die Notwendigkeit,
selbst in Gerichtsverfahren tätig zu werden. Wenn Rechtsschutz gegeben ist, wird die Expertise der GBA angeboten,
um die vor der Gleichbehandlungskommission aufgebaute argumentative Strategie vor den Gerichten weiter zu verfolgen.
Nach Auffassung der Anwaltschaft ist die Zahl der Rechtsverfahren zu Gleichbehandlungsverfahren noch viel zu gering.
Eine gesetzliche Kompetenz zur Führung von Musterverfahrens, die durch einen Rechtsfonds unterstützt
wird, könnte aus ihrer Sicht zu einer schnelleren Entwicklung der Judikatur beitragen.
Tätigkeit der Senate der Gleichbehandlungskommission 2012-2013
Teil I des Berichts beinhaltet den Tätigkeitsbericht der drei Senate der Gleichbehandlungskommission (GBK)
und einen Bericht des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend die Weiterentwicklung
des Gleichbehandlungsgesetzes (GlBG) und des Bundesgesetzes über die Gleichbehandlungskommission und die Gleichbehandlungsanwaltschaft
(GBK/GAW-Gesetz). Er bietet auch Informationen über die Vollziehung des Gleichbehandlungsgesetzes durch die
Gerichte sowie Ausführungen zur Gleichbehandlung im EU-Recht.
Die Einzelfallprüfungsergebnisse der Senate der GBK werden im Bericht gekürzt wiedergegeben. Sie sind
in anonymisierter Form in vollem Wortlaut auf der Website des Bundesministeriums für Bildung und Frauen veröffentlicht
und können unter der im Bericht genannten GBK-Zahl beim jeweiligen Senat oder über das Rechtsinformationssystem
des Bundes (RIS) unter der Rubrik "Judikatur" abgerufen werden.
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