Industriekonjunktur: Rückfall in die Stagnation

 

erstellt am
29. 10. 14
10.00 MEZ

IV-GS Neumayer: Befürchtete Herbstflaute ist Realität geworden - Angesichts zurückhaltender Investitionen Vertrauen in Österreich und Europa wieder herstellen
Wien (pdi) - "Die Konjunkturerholung hat ein frühzeitiges Ende gefunden. Die klassische Frühjahrsbelebung zu Beginn des Jahres hat während der Sommermonate so kräftig an Dynamik eingebüßt, dass die befürchtete Herbstflaute Realität geworden ist. Im Ergebnis erleben wir einen Rückfall in die Stagnation", brachte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Mag. Christoph Neumayer, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit IV-Chefökonom Dr. Christian Helmenstein die Ergebnisse des aktuellen Konjunkturbarometers aus dem 3. Quartal 2014 am 28.10. auf den Punkt. "Sowohl der geopolitische Gegenwind als auch unzureichende strukturelle Reformfortschritte im Inland lähmen die Wachstumskräfte. Eine weitere Abkühlung der globalen Konjunkturdynamik würde sogar eine Rezession befürchten lassen. Im Falle von Italien, Österreichs zweitwichtigstem Handelspartner nach Deutschland, ist die dritte BIP-Kontraktion ("Triple Dip") seit der Finanzkrise sogar bereits harsche Realität geworden", führte der IV-Generalsekretär aus.

Von der Vielzahl an Konflikten, angefangen von der Ostukraine über Nordafrika bis zum Nahen Osten, geht eine zunehmende Schadschöpfung aus, während das Ebola-Virus in Teilen Westafrikas die wirtschaftlichen Tauschbeziehungen zum Erliegen bringt. Auch aus Südamerika empfängt die globale Konjunktur nach dem erneuten Zahlungsausfall Argentiniens und einer phlegmatischen Wirtschaft in Brasilien derzeit kaum Impulse. Ebenso wenig reicht die Wachstumsdynamik von China an die Werte früherer Jahre heran -jüngste Prognosen rechnen für China mit einem BIP-Wachstum von rund 7,25 Prozent im heurigen Jahr. Auf der Grundlage mittelfristiger Projektionen zeichnet sich bis zum Jahr 2020 eine Abschwächung des Wachstums in China auf 5 Prozent p.a. ab.

"Das Ausscheiden Brasiliens und Russlands und die säkular schwächere Entwicklung Chinas konstituiert das Ende der BRIC-Story, die seit jeher eher kommunikativ denn analytisch orientiert war. Vielmehr schlägt das Pendel nun in die Gegenrichtung aus - außerhalb der USA und Großbritanniens sind international derzeit keine nennenswerten Konjunkturlokomotiven auszumachen. Umso wichtiger bleibt es, die Wirtschaftsbeziehungen mit weiteren überdurchschnittlich rasch wachsenden Schwellenländern zu intensivieren", analysiert IV-Chefökonom Helmenstein. Im Ergebnis ist für die Weltwirtschaft insgesamt für das Jahr 2014 ein Wachstum von 2,7 Prozent, und damit erheblich unter dem langjährigen Durchschnitt der Periode von 1980 bis 2013 in Höhe von 3,4 Prozent, zu erwarten. "Auch für das kommende Jahr zeichnet sich trotz der aktuell vom Prinzip Hoffnung geprägten globalen Erholungserwartung nicht ab, dass selbst bei einer Beschleunigung des Wachstums der langjährige Durchschnitt erreicht werden würde", so Helmenstein weiter.

Die Ergebnisse im Detail
Der Wert des IV-Konjunkturbarometers, welches als Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, ist von dem zunehmenden konjunkturellen Gegenwind geprägt und erfährt einen weiteren kräftigen Rücksetzer auf einen Wert von +8 Punkten nach +19 Punkten. Dies ist der niedrigste Wert seit zwei Jahren. Während beide Komponenten des Konjunkturbarometers eine abnehmende Tendenz aufweisen, fällt diese bei den Geschäftserwartungen besonders kräftig aus.

Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage reduziert sich um vier Punkte auf +19 Punkte und damit auf den schwächsten Wert seit achtzehn Quartalen. Die Qualität der konjunkturellen Dynamik wird damit um rund 30 Punkte und somit signifikant schlechter als während der gesamten Periode von Mitte 2010 bis Mitte 2012 eingeschätzt.

Auch die Geschäftserwartungen lassen keine baldige Wende zum Besseren erwarten, im Gegenteil. Bei dieser Variablen sinkt der absolute Wert sogar ins Negative, und zwar von +15 Punkten auf -3 Punkte. Im Detail sind die eingetrübten Aussichten auf einen mehr als halbierten Anteil von nur noch 11 Prozent der Respondenten zurückzuführen, die einen günstigen Geschäftsgang erwarten, während der Anteil der Unternehmen mit ungünstigen Geschäftserwartungen zugleich von acht auf 14 Prozent zunimmt.

Stabilisierend wirkt hingegen die Entwicklung der Auftragsbestände. Nach der bereits zum letzten Quartalstermin erfolgten Tendenzumkehr verharren die Gesamtauftragsbestände auf mäßigem Niveau (Saldo +29 Punkte nach +30 Punkten im Vorquartal). Dieses Ergebnis ist im Wesentlichen auf einen Rückgang der inländischen Bestellaktivitäten zurückzuführen, da der Saldo der Auslandsaufträge den Einbruch zum Vortermin durch einen leichten Anstieg auf nunmehr +29 Punkte zum Teil wettmacht. Hier schlägt bereits die auftragsstabilisierende Wirkung der Euro-Abwertung um knapp 10 Prozent während des letzten Halbjahres positiv zu Buche. Bei einer zwar anhaltenden Verkürzung der Auftragsreichweite ist mit der Stabilisierung der Gesamtauftragsbestände zumindest ein konjunktureller Fadenriss beträchtlich unwahrscheinlicher geworden.

Im Einklang mit der Auftragslage gestalten die Unternehmen ihre Produktionsplanung anhaltend vorsichtig. Der saisonbereinigte Wert für die Produktionstätigkeit in den nächsten drei Monaten sinkt von +19 Punkten auf +12 Punkte. Aufgrund verhaltener Produktionserwartungen, einer sinkenden Auftragsreichweite und des zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit erforderlichen Produktivitätsfortschritts vermögen die Unternehmen ihren Beschäftigtenstand dementsprechend nicht mehr im vollen Umfang aufrecht zu erhalten. Der Saldo für den Beschäftigtenstand dreht ins Negative - sein Wert verringert sich erheblich von +2 Punkten auf nunmehr -10 Punkte. Weiterhin ungünstig für die Investitionsneigung in den kommenden Monaten wird sich auswirken, dass sowohl die Verkaufspreise als auch die Ertragslage der Unternehmen unter einem noch zunehmenden Druck stehen. Mittelfristig sind bei einer fortgesetzten Investitionszurückhaltung somit weitere Beschäftigungsverluste vorgezeichnet.

Bei den Verkaufspreisen schlagen sich nach wie vor die international weiterhin vorhandenen Überkapazitäten in einem hohen Preisdruck nieder (Saldo 13 Punkte, unverändert zum Vorquartal). Mit der Stabilisierung der Auftragsbestände stellt sich zumindest die Einschätzung der aktuellen Ertragslage der Unternehmen bei einem Saldo von +6 Punkten nach +1 Punkt im Vorquartal etwas besser als zuvor dar. Bei zyklustypischem Verlauf unterstreicht dieser dennoch sehr geringe Positivsaldo den neuerlichen Eintritt in eine konjunkturelle Stagnationsphase.

Ein besonders ungünstiges Licht auf die ohnedies schon fragile Investitionsneigung werfen die Ertragserwartungen auf Sicht von sechs Monaten. Hier revidieren die Respondenten ihre Einschätzung drastisch, sodass der Saldo für die Ertragsaussichten von +14 Punkten auf 1 Punkt fällt.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode
An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 394 Unternehmen mit rund 251.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung:
den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible "Saldo" aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

 

 

 

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