Die Vermessung der Erde mit Strahlen
 aus dem Weltraum

 

erstellt am
29. 10. 14
10.00 MEZ

Licht aus weit entfernten Galaxien hilft, die Erde auf Millimeterbruchteile genau zu vermessen. Die Geodätin Hana Kráná von der TU Wien vermisst die Verformung unseres Planeten und erhält dafür den Karl Rinner-Preis.
Wien (tu) - Die Gezeitenkraft des Mondes hat nicht nur einen Einfluss auf das Meer, sie knetet den ganzen Planeten kräftig durch. Um bis zu vierzig Zentimeter hebt und senkt sich dadurch die Erdoberfläche in mitteleuropäischen Breiten jeden Tag. Untersuchen lässt sich das, indem man kosmische Radiowellen, die von fernen Quasaren ausgesandt werden, an unterschiedlichen Orten auf der Welt vermisst. Durch die Analyse von Radiowellen-Daten aus 27 Jahren gelang es einem Team der TU Wien nun, die Deformierung der Erde auf Bruchteile eines Millimeters genau zu berechnen. Die Geodätin Hana Krásná (Department für Geodäsie und Geoinformation, TU Wien) erhält dafür den Karl Rinner-Preis der Österreichischen Geodätischen Kommission.

Ein Modell der Erde, auf Millimeter genau
Die Erde hat einen Durchmesser von über 12.700 Kilometern. Man könnte meinen, dass da eine Deformation in der Größenordnung von Dezimetern keine Rolle spielt. Doch für manche wichtige Fragestellungen ist eine Genauigkeit im Millimeterbereich nötig, etwa wenn man den globalen Anstieg des Meeresspiegels messen möchte. „Um Positionen auf der Erde mit einer Genauigkeit von einem Millimeter anzugeben muss man die Verformung der Erde durch die Gezeiten noch um eine Größenordnung genauer beschreiben – also auf etwa 0.1 mm genau“, erklärt Hana Krásná.

Der Zusammenhang zwischen dem Gezeitenpotenzial und der Verformung der Erde wird durch die sogenannten Love- und Shida-Zahlen beschrieben. Gemeinsam mit Prof. Johannes Böhm (TU Wien) und Prof. Harald Schuh (Helmholtz-Zentrum Potsdam) konnte Hana Krásná diese Zahlen neu berechnen und zeigen, dass bisherige Modelle mit einem Fehler von mehreren Millimetern behaftet waren. In der Fachzeitschrift „Journal of Geodynamics“ veröffentlichte das Team nun neue Daten zu den Love- und Shida-Zahlen, mit denen nun eine viel präzisere Beschreibung der Erddeformation möglich ist.

Ein Koordinatennetz auf der Erde durch kosmische Radiosignale
Der Schlüssel für die Vermessung der Erdverformung durch Gezeitenkräfte liegt weit draußen im Weltraum: Radioquellen außerhalb unserer Galaxie – etwa Quasare – senden zeitlich veränderliche Signale aus, die dann auf der Erde von unterschiedlichen Radioteleskopen gleichzeitig gemessen werden können. Je nachdem, welche Seite der Erde den Radioquellen zugewandt ist, kommen die Signale im einen oder anderen Teleskop früher an. Wenn man die Signale genau vergleicht und den Ankunftszeit-Unterschied ermittelt, dann kann man daraus präzise Information über die Koordinaten der erdfesten Teleskope ableiten.

Weil diese Messungen auch durchgeführt werden können, wenn die Bodenstationen weit voneinander entfernt sind, bezeichnet man diese Technik als „Very Long Baseline Interferometry“ (VLBI). Sie wird durch viele verschiedene Prozesse beeinflusst, die rechnerisch mitberücksichtigt werden müssen, um genaue Daten zu bekommen. Zu ihnen gehören nicht nur die täglich auftretenden Gezeiten, sondern auch Gezeiten-Komponenten mit längerer Periode, die durch das komplizierte Zusammenspiel von Sonne, Mond und Erde entstehen. Radioteleskop-Daten aus 27 Jahren (von 1984 bis 2011) wurden mit einer Software analysiert, die von Hana Krásná und ihren Kolleginnen und Kollegen an der TU Wien eigens dafür entwickelt wurde.

Karl Rinner-Preis
Die Österreichische Geodätische Kommission verleiht jährlich den Karl Rinner-Preis zur Förderung hervorragender internationaler Präsentationen und Publikationen von jungen Forscherinnen und Forschern. Für ihre Publikation „Tidal Love and Shida numbers estimated by geodetic VLBI“ im Journal of Geodynamics wurde Hana Krásná am 28. Oktober 2014 im Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen mit dem Karl Rinner-Preis ausgezeichnet – damit ist sie die bisher erste Frau, die diesen Preis erhielt.

Krásná studierte zunächst Geodäsie und Kartographie an der Technischen Universität Prag und schloss dann zusätzlich das Masterprogramm „Geodäsie und Geophysik“ an der TU Wien ab, wo sie danach auch promovierte. Seit 2013 ist sie Universitätsassistentin in der Forschungsgruppe Höhere Geodäsie der TU Wien.

 

 

 

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