Nachweis für Stress bei Tunnelfahrten gelungen

 

erstellt am
28. 10. 14
10.00 MEZ

Linz (jku) - Österreich ist das Land der Berge – und damit auch ein Land der Tunnel. Viele Autofahrer fühlen sich in Tunnels unbehaglich. Dass dieser Effekt tatsächlich besteht, haben nun Wissenschafter des Instituts für Pervasive Computing der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz nachgewiesen. Die Ergebnisse wurden kürzlich auf der „Automotive 2014“-Tagung in Seattle (USA) präsentiert. Besonders überraschend: Die Beifahrer reagieren genauso stark auf Tunnelfahrten wie die Fahrer selbst.

Stress ist eine natürliche Reaktion des Körpers, um auf gefährliche Situationen mit Flucht oder Angriff reagieren zu können. Doch warum fühlen sich viele Autofahrer gestresst, wenn sie von der freien Straße in einen Tunnel kommen? Priv.Doz. DI Dr. Andreas Riener und Marcel Manseer, BSc vom JKU-Institut für Pervasive Computing (Vorstand: Prof. Alois Ferscha) sind dieser Frage wissenschaftlich auf den Grund gegangen.

„Wir haben eine tunnelreiche Strecke ausgewählt“, erklärt Marcel Manseer. Die Wahl fiel auf das rund 100 Kilometer lange Teilstück der A9 zwischen Liezen und Wels, das insgesamt 24 Tunnels oder Unterführungen aufweist. Ausgewertet wurden allerdings nur Tunnel ab einer Durchfahrzeit von einer Minute. Dr. Riener: „Der menschliche Organismus braucht eine gewisse Zeit um auf Belastungsänderungen zu reagieren“. Weiters wurde eine App entwickelt, die im Auto montiert eigenständig erkennt, ob sich das Fahrzeug durch einen Tunnel oder auf einer freien Straße bewegt. Der Stresslevel von Fahrer und Beifahrer wurde kontinuierlich mittels EKG-Geräten aufgezeichnet.

Tückische Tunnel
„Über eine Spektralanalyse haben wir die LF/HF-Frequenzbänder der Herzfrequenzvariabilität (HRV) ermittelt und ausgewertet“, so Dr. Riener. Die Frequenz des Herzrhythmus ist nicht konstant sondern unterliegt Schwankungen. „Während Puls- oder Herzschlag eigentlich nur eine körperliche Reaktion anzeigt, ist die HRV ein Indikator für eine mentale Reaktion, also für Stress“, erläutert der JKU-Forscher. Wegen der ständig hohen Anspannung in Stresssituationen ist die Herzfrequenzvariabilität eingeschränkt und infolgedessen reduziert.

In ihrer Studie konnten die JKU-Forscher einen signifikanten Anstieg des Stresslevels nachweisen. Überraschend: Zwischen ein- und zweiröhrigen Tunnels gibt es keinen Unterschied im Stresslevel – belastend ist also der Tunnel an sich, nicht der Gegenverkehr in der Röhre.

Belastung für alle Insassen
Die Beifahrer fiebern offenbar mit, dennihre mentale Alarmbereitschaft stieg genauso stark wie die der Fahrer. „Die Stressbelastung des Fahrers könnte eine Erklärung für die erhöhte Unfallhäufigkeit in Tunnels bieten. Unter Stress trifft man normalerweise keine optimalen Entscheidungen, das Fehlerrisiko steigt also“, so Riener.

Wie kann man diese Ergebnisse nun nutzen? „Man müsste nun durch weitere Untersuchungen die einzelnen Stressfaktoren ausfindig machen. Dann könnte man Gegenmaßnahmen prüfen. Denkbar wäre zum Beispiel, dass es helfen würde, Tunnels noch besser zu beleuchten, um das Gefühl von Enge zu vermeiden“, so Riener. Möglicherweise könnte man durch hellere oder mit Mustern versehene Tunnelwände das Gefühl von Weite schaffen und der Monotonie entgegenwirken. „Weiterführende Forschung könnte zeigen, ob man auf diese Weise vielleicht Unfälle vermeiden könnte“, hofft DI Dr. Riener auf mehr Sicherheit statt Tunnelblick.

Video zum Forschungsprojekt:
www.pervasive.jku.at/About_Us/Staff/Riener/_download/AutoUI2014VideoPresentation.mov

 

 

 

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